Rulantica (Bd. 2). Michaela Hanauer

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Rulantica (Bd. 2) - Michaela Hanauer

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Er schafft es besser als sein Kelpie, muss aber höllisch aufpassen, nicht abzustürzen. Selten hat es sich so gut angefühlt, zwei Beine zu haben, aufrecht gehen zu können und – im Vergleich zu einem Kelpie – ein Fliegengewicht zu sein.

      Venn bleibt stehen. »Eine Hydda ist intakt! Suche sie, ich warte auf dich!«

      Mats hält mitten auf seinem Balken inne und dreht sich zu dem Kelpie um. Schon wieder!

      »Du redest wirklich mit mir! Nicht nur in meiner Einbildung, sondern richtig echt, oder? Ich weiß nämlich nicht, was eine Hydda ist, und das Wort intakt würde ich selbst in Gedanken nie benutzen.«

      »Die Stelzenhäuser werden Hyddas genannt«, erklärt Venn. »Und du hast bisher angenommen, dir meine weisen Ratschläge lediglich auszudenken?«

      »Ähm … na ja … bisher irgendwie schon«, räumt Mats ein.

      »Und das fandest du wahrscheinlicher, als einen guten Freund zu verstehen?« Venn gibt ein schnaubendes Gelächter von sich.

      »Ich dachte eben, du redest bloß in meinem Kopf, weil …«

      »… weil wir uns mit dem Herzen verstehen«, vervollständigt Venn und nickt. »Ja, so hat unsere Verständigung vor vielen Monden angefangen. So haben wir gegenseitig unsere Sprachen gelernt, und du verstehst, was alle Meermenschen um dich herum für wiehernde Laute halten.«

      »Ich bin der Einzige, der dich versteht?«

      »So ist es, ich kenne niemanden, der je die Kelpsprache erlernt hat.«

      »Auch mein Vater nicht?«

      »Falor erahnte vieles, aber wir konnten nicht miteinander sprechen.«

      »Und Exena?«

      »Pah, sie am wenigsten! Fällt es dir so schwer zu glauben, dass du etwas Besonderes kannst?«

      Mats lässt niedergeschlagen den Kopf hängen. »Frag mal Usgur und die anderen Quellwächter, die halten mich alle für einen Totalausfall!«

      »Solange du dich nicht selbst für einen hältst!«

      »Manchmal schon«, gibt Mats zu. »Ich bekomme keinen Eiszauber hin und singen kann ich noch weniger.«

      »Du siehst doch, wozu die Fähigkeiten der Quellwächter und Sirenen dienen, sie bewachen eine Insel. Nur weil du nicht kannst, was alle können, heißt das nicht, dass deine Aufgabe weniger wichtig sein wird.«

      »Du bist wirklich ein wunderbarer Freund.« Mats hüpft vor Glück auf und ab und der Balken unter ihm fängt gefährlich an zu knacksen.

      »Das Kompliment gebe ich gerne zurück! Aber jetzt gehst du besser und suchst nach der Hydda deiner Mutter. Wenn es dunkel wird, sollten wir nicht mehr hier sein.«

      Kurz zögert Mats, er hätte noch zig Fragen, jetzt, da er weiß, dass Venn ihn versteht. Andererseits können sie später immer noch reden, sich unbemerkt aus der Eisstadt schleichen und sich hier in aller Ruhe umsehen, kann er wahrscheinlich so schnell nicht wieder.

      Also fragt Mats nur: »Hast du eine Ahnung, wo ich suchen soll?«

      Venn schüttelt die Mähne. »Ich weiß nur, dass deine Mutter in einem der Stelzenhäuser lebte und ich von dort, wo ich jetzt stehe, laut wieherte, um sie zu deinem Vater ins Wasser zu rufen.«

      Mats muss unwillkürlich lachen. »Wie ein Telefon auf vier Beinen.«

      »Ein WAS, bitte?«

      »Nicht so wichtig, bloß menschlicher Technikkram. Ich mach mich jetzt auf die Socken«, und weil er Venns nächste Rückfrage vorausahnt, schiebt er rasch hinterher, »… also, auf die Suche.«

      Er setzt seinen Balanceakt fort. Jetzt nur nicht nach unten schauen.

      »Wenigstens habe ich keine Höhenangst«, murmelt Mats.

      Wie sind die Wikinger früher nach oben gelangt? Wahrscheinlich standen damals noch Holztreppen oder sie benutzten Strickleitern. Nicht gerade eine bequeme Art, ins eigene Zuhause zu kommen, dafür blieben auch bei Sturm und Wellengang ihre Füße trocken, und sie waren vor gefährlichem Getier geschützt. Überhaupt erinnern Mats die Behausungen an eine Mischung aus den sonst fensterlosen Langhäusern der Wikinger und ihren schnittigen Holzschiffen, mit denen sie die Weltmeere beherrschten. Als ob sich Viken Rangnak, der Anführer, und sein Clan auch an Land nicht ganz vom Seefahrerleben verabschieden wollten.

      Mats lässt den Blick durch das erste Haus schweifen und versucht, sich die Wikingerabteilung im Museum Krønasår ins Gedächtnis zu rufen. Früher war es bestimmt sehr gemütlich hier, doch von der Einrichtung ist jetzt nicht mehr viel übrig. Ein windschiefes Holzgestell in der Ecke könnte ein Bett oder eine Sitzbank gewesen sein. Mit einem Fell oder einer Matte hat der ehemalige Bewohner es vielleicht sogar für beides genutzt. An dem Platz in der Mitte, an dem üblicherweise die Feuerstelle war, klafft ein tiefes Loch und erinnert Mats daran, sich weiterhin sehr vorsichtig über die morschen Böden zu bewegen.

      In der nächsten Hütte erwartet ihn nahezu derselbe Zustand, allerdings ist die Kochstelle noch verkohlt erkennbar, dafür sind Teile des Dachstuhls eingestürzt. Mats muss die Balken erst zur Seite zerren, um überhaupt weitergehen zu können. Und überall häufen sich Schilfblätter, Gras und Stroh. Wenn er sich jede Hydda so genau anschaut, wird er frühestens in einer Woche alle besichtigt haben. Zu dumm, dass Venn ihm nicht genau beschreiben konnte, wo seine Mam gewohnt hat.

      Mit jedem weiteren Haus werden die Schatten länger, das ist Mats bewusst, immerhin ist er erst spät nach Mittag von dem Festessen aufgebrochen. Trotzdem will er den goldroten Schein der untergehenden Sonne nicht wahrhaben. Nur noch ein Haus, das nächste muss es doch sein. Oder das übernächste …

      Er will nicht aufgeben, gerade nach der Pleite beim Rennen wünscht er sich sehnlich einen Hinweis auf seine Mutter. Besonders, weil er Finja seinen Fund präsentieren könnte, nachdem sie sich seelenruhig mit Seespargel vollgestopft hat. Vielleicht interessiert sie sich dann wieder mehr für ihn – und für die gemeinsame Suche nach ihrer Vergangenheit. Ursprünglich hat sie ihn in der Menschenwelt aufgestöbert, wollte alles über ihre Eltern herausfinden und war sogar bereit, Rulantica für immer zu verlassen. Und jetzt? Seit sogar Exena sie für die auserwählte Retterin Rulanticas hält und sie zur Quellwächterin ausbildet, hat Finja nichts anderes mehr im Sinn. Ihr fällt nicht einmal auf, dass Exena ihm nichts zutraut, obwohl sie doch Zwillinge sind und beide eine Hälfte von Friggs Amulett besitzen. Diese Gedanken lassen Mats noch eifriger weiter- und weitersuchen.

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      »Mrk, mrrrk!«

      Zu spät fällt Mats auf, wie sich der Himmel komplett verdunkelt. Ganz ohne Übergang zur Dämmerung. Er hebt erst den Kopf, als das Kreischen unerträglich laut wird.

      »MRK, MRRK, MRRRRKK!«

      Mats zuckt zusammen, über dem Loch im Dach der Hydda kreisen mehrere Vögel. Tiefschwarz glänzt ihr Gefieder. Mit ausgebreiteten Flügeln ist jeder einzelne von ihnen größer als Mats, er schätzt eine Spannbreite von zwei bis drei Metern. Und als ob das nicht genügen würde, hat jeder Riesenvogel zwei Schnäbel, der eine gefährlich spitz und dünn wie ein Dolch, der andere größer, kräftig und nach unten gebogen. In schrillem Gelb leuchten sie an den schwarzen Köpfen.

      Wie

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