Der neue Dr. Laurin Staffel 1 – Arztroman. Viola Maybach
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»Na, Brillenschlange?«
Peter Stadler versuchte, einfach weiterzugehen, ohne den Kopf einzuziehen oder seine Schritte zu beschleunigen. Wenn er das nämlich tat, machte er alles nur noch schlimmer, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste.
Die vier Jungen, die ihn seit Wochen fast jeden Tag nach der Schule drangsalierten, waren alle größer als er, und sie gingen auf eine andere Schule. Er hatte keine Ahnung, warum sie sich gerade ihn ausgesucht hatten, aber es gab offenbar keine Möglichkeit, ihnen zu entkommen. Er hatte schon größere Umwege in Kauf genommen, aber irgendwie schienen sie immer zu wissen, wo sie ihn finden konnten, jedenfalls spürten sie ihn auch dann auf, wenn er nicht den üblichen Heimweg wählte.
Er war noch neu in München, erst seit zwei Monaten wohnte er hier. Seine Mutter hatte eine Stelle in einem Architekturbüro bekommen, deshalb waren sie aus dem bayrischen Wald hierher gezogen. Der neue Chef seiner Mutter hatte ihnen sogar geholfen, eine Wohnung zu finden. Die war zwar kleiner als die vorherige, aber groß genug für sie beide.
Seinen Vater kannte Peter nicht, seine Eltern hatten sich schon kurz nach seiner Geburt wieder getrennt. Ihm machte das nicht viel aus, er vermisste keinen Vater. Seine Mutter fand er toll, mit ihr konnte er über alles reden, und sie war meistens guter Dinge.
Er dagegen war ein eher ernsthafter Junge, der über den Lauf der Welt nachdachte und beschlossen hatte, später einmal in die Politik zu gehen, um die Welt zu verbessern. Seine Mutter hatte nur gesagt: »Nur zu, mach das. Du hast schon immer gewusst, was du willst, ich verspreche dir, ich wähle dich, weil ich überzeugt davon bin, dass du ein großartiger Politiker sein wirst.«
So war sie. Auf sie konnte er sich immer verlassen – und sie sich auf ihn.
Da sie es aber gerade ein bisschen schwer hatte in dem neuen Büro – sie musste sich da ja erst durchsetzen – wollte er ihr nicht von diesen vier Jungen erzählen, die offenbar beschlossen hatten, ihm das Leben schwer zu machen. Er war ja schon elf, da konnte man auch mal versuchen, allein mit einem Problem fertig zu werden.
Dumm war nur, dass er nicht besonders stark war und dass die vier Jungen immer geduldig warteten, bis er diese Straße entlanglaufen musste, wo immer so viel los war, dass die Menschen nicht darauf achteten, was um sie herum passierte. Da kriegte er dann meistens den ersten Boxhieb in die Rippen, jemand zog ihn kräftig an den Haaren oder stellte ihm ein Bein, so dass er stolperte und manchmal sogar fiel. Einmal hatten sie ihm auch die Brille von der Nase gerissen, das war schlimm gewesen, denn ohne Brille sah er nicht viel.
Einmal hatte er auch einen richtig schmerzhaften Schlag in den Bauch abbekommen – so schmerzhaft, dass ihm unwillkürlich die Tränen gekommen waren. Er weinte nicht schnell, aber der Schmerz war so heftig gewesen, dass er gegen die aufsteigenden Tränen nichts hatte machen können. Daraufhin hatten sie ihn natürlich verspottet – und das taten sie auch jetzt wieder.
»Wein doch ein bisschen, Brillenschlange, wir sehen das so gern. Du könntest auch nach deiner Mama rufen!«
Sie schubsten ihn, wie sie es immer taten. Die Erwachsenen, die ihnen entgegen kamen, schienen das für harmlose Rangeleien zu halten, denn keiner sah genauer hin. Er nahm sich fest vor, es anders zu machen, wenn er mal älter war: Er würde Kindern in Not helfen, ganz sicher. Die mussten doch sehen, dass er keinen Spaß daran hatte, herumgeschubst zu werden! Aber niemand schien ihn wahrzunehmen.
Heute aber meinte es das Schicksal gnädig mit ihm, denn auf der anderen Straßenseite tauchte eine Gruppe von Jungen auf, die noch älter waren als die, von denen Peter bedrängt wurde. Sie blieben stehen, riefen etwas und rannten dann plötzlich los, sorgten für Chaos auf der Straße, für Gehupe, schimpfende Autofahrer und quietschende Bremsen, aber wie durch ein Wunder gelangten sie heil auf dem Gehweg an und setzten den anderen nach, die ihr Heil in der Flucht suchten.
Peter war plötzlich allein und konnte es nicht fassen, dass sein Leiden für heute bereits beendet war. Langsam ging er weiter. Interessant fand er, dass offenbar auch die vier Jungen, die es auf ihn abgesehen hatten, nicht frei von Angst waren, denn sonst wären sie ja nicht weggelaufen, oder?
Er beschloss, die Augen an den nächsten Tagen offen zu halten und vielleicht herauszufinden, wer diese größeren Jungen waren. Sie hatten ihm heute unabsichtlich geholfen und wussten das sicherlich nicht einmal. Aber wenn er herausfand, wer sie waren, konnte er sie vielleicht fragen, ob sie ihn nicht auch sonst beschützen konnten. Oder würden sie ihn auslachen, wenn er ihnen eine solche Bitte vortrug?
Dieses Problem hätte er gern mit seiner Mutter besprochen – aber um das zu tun, hätte er ihr zunächst einmal von seinen Verfolgern erzählen müssen.
Dafür war es noch zu früh. Sie brauchte ihre Kräfte jetzt für den neuen Job. Er beschloss, noch zu warten, bis er sie um Rat fragte.
*
»Hör auf, dich bei mir zu bedanken, Antonia«, sagte Ingo Ewert verlegen. »Das sogenannte ‚Praktikum’, das du bei mir gemacht hast, war viel mehr, und das weißt du auch. Nicht zuletzt hast du einem sehr kranken kleinen Mädchen mit deiner richtigen Diagnose das Leben gerettet.«
»Aber ohne dich hätte ich niemals den Mut gehabt, noch einmal eine Praxis zu eröffnen«, erwiderte Antonia. »Ich musste ja erst herausfinden, ob ich noch als Ärztin arbeiten kann oder vielleicht alles vergessen habe. Immerhin habe ich meinen Beruf nicht mehr ausgeübt, seit ich Mutter geworden bin.«
»Du hast überhaupt nichts vergessen«, stellte er fest. »Und ich bin stolz darauf, dass ich dir dabei helfen durfte, dein Wissen aufzufrischen. Wann geht es denn eigentlich los bei dir?«
»Ich treffe mich nachher noch mit der Architektin, die den Umbau meiner zukünftigen Praxisräume geplant hat und nun auch durchführen soll. Sie hatte ein paar sehr gute Ideen, von denen ich sofort überzeugt war, und nun bin ich gespannt, was sie mir heute sagt, wie lange es dauern wird, bis es losgehen kann.«
»Wird es denn ein größerer Umbau werden?«
»Nein, gar nicht, es müssen nur ein paar kleinere Veränderungen vorgenommen werden. Vor allem brauche ich natürlich einen eigenen Eingang, das ist ja klar.
»Ich bin froh, dass du Leon offenbar doch ganz leicht überzeugen konntest. Du hattest ja Bedenken.«
»Ganz leicht war es nicht, und begeistert ist er von meinen Plänen noch immer nicht. Aber es hat sich herausgestellt, dass Leon gar nicht mein größtes Problem ist.«
»Nicht?«
»Nein, ich habe zwei andere entschiedene Gegner – oder besser, einen Gegner und eine Gegnerin: meinen Vater und Kaja.«
»Bei deinem Vater kann ich es mir vorstellen, aber Kaja? Ich dachte, die jungen Mädchen wollen heute alle gleichberechtigt sein?«
»Tja, für sich selbst würde Kaja das sicher auch wollen, aber wenn es um ihre Mutter geht und damit darum, auf ein bisschen eigene Bequemlichkeit zu verzichten, dann sieht das schon ganz anders aus.«
»Sie ist in der Pubertät, nimm nicht so ernst, was sie im Augenblick sagt«, riet Ingo.
»Das hatte ich mir eigentlich auch vorgenommen, aber irgendwie hat mich ihre Reaktion doch verletzt.«
»Und die anderen drei?«
»Die Jungs waren sofort auf meiner Seite, und Kyra auch. Sie hatte uns übrigens ein paar Mal