Stadt, Land, Frust?. Группа авторов

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Stadt, Land, Frust? - Группа авторов Kirche im Aufbruch (KiA)

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       Abbildung 2: »Lage«.

      Als Zweites gibt es den Indikator für die Lagegunst in Relation zu den Oberzentren (Abb. 2). Hier geht es um die erreichbare »Tagesbevölkerung«.18 Nach Erläuterung des komplexen Rechenvorgangs werden vier Klassifizierungen vorgenommen, die zulassen »sehr periphere«, »periphere«, »zentrale« und »sehr zentrale« Lagen voneinander zu unterscheiden. Insofern »periphere Gebiete« die Relation zu Oberzentren abbilden, umfassen diese Gebiete durchaus kleinere Städte und Mittelzentren. Eine periphere Lage bildet deswegen kein ländliches Siedlungsgebiet im klassischen Sinne ab.

      Sehr periphere Gebiete machen 18,9 % der Bundesrepublik aus. Hier leben lediglich 4,4 % der Bevölkerung und 3,1 % der Beschäftigten. Periphere Gebiete machen 43,2 % der Fläche aus. Hier leben 21,2 % der Bevölkerung und 18,3 % der Beschäftigten.

      Im Vergleich der Karten wird deutlich, dass ländliche Gebiete nicht identisch sind mit peripheren oder sehr peripheren Gebieten. Das heißt, es gibt sogar sehr zentrale ländliche Gebiete und sehr periphere städtische Gebiete – allerdings sind diese Extreme der zwölf möglichen Merkmalskombinationen vernachlässigbar klein.

      Im Vergleich fällt auf, dass städtische und sehr zentrale Gebiete vergleichsweise wenig Flächenanteile besitzen, dafür aber den Großteil der Beschäftigten. Für städtische Gebiete (Abb. 1) beläuft sich der Anteil der Beschäftigten auf 75,8 %, bei sehr zentralen Gebieten liegt der Wert bei 51,8 %. Dies ist ein Indiz für die relative Strukturschwäche ländlich-peripherer Gebiete.19 Spangenberg/Kawka verweisen darauf, dass »[e]rste empirische Befunde […] allerdings darauf schließen [lassen], dass die ›ländliche Prägung‹ weniger einen negativen Einfluss auf regionale Entwicklung ausübt, als die periphere Lage.«20

      Ländliche Räume sind demnach Gebiete mit geringer Dichte an Einwohnern und Siedlungsstruktur. Für die Forschung interessant sind derzeit periphere, ländliche Gebiete, insofern sich hier Prozesse abspielen, die Anfragen an vorhandene Infrastruktur und Organisation von staatlichen, kirchlichen und privaten Institutionen stellen.

       3 Ländliche Räume in der praktisch-theologischen Forschung

      Trotz der noch einigermaßen übersichtlichen praktisch-theologischen Forschung zum Thema »Land« ist kein einheitlicher Begriff für ländliche Räume auszumachen. Einerseits sind Arbeiten zu nennen, die der bundesdeutschen Raumordnung folgen und die Heterogenität der ländlichen Räume betonen sowie besonders periphere, ländliche Räume betrachten.21 Andererseits sind Publikationen zu nennen, die in Kenntnis der Raumordnung eher einen traditionellen Landbegriff verwenden bzw. mit dem Landbegriff lediglich als Metapher arbeiten.22

      Insgesamt überwiegen die Problemanzeigen für (periphere) ländliche Räume. Hier folgt die praktisch-theologische Forschung im Großen und Ganzen der Raumordnung, die in ländlich-peripheren Gebieten eher Problemgebiete sieht. Diese Problematisierung hängt natürlich mit der verwendeten Kategorisierung ab: dünne Besiedelung, Abgelegenheit und Strukturschwäche als Indikatoren ergeben keinen Fokus auf blühende Landschaften, die es auch gibt.23 Am umfassendsten und treffendsten wurden die Problemlagen von Alex/Schlegel beschrieben:24

      – Soziologisch gesehen laufen in peripheren, ländlichen Räumen Prozesse verschärft ab: Demographischer Wandel führt zu Überalterung, Binnenmigration und Unterjüngung. Peripherisierung bezeichnet einen Prozess der umfassenden Schwächung und Abkopplung dieser Räume. Dies wird über großflächige Schrumpfung wahrgenommen. Auch die Kirche ist hier mit der Aufgabe des Rückbaus ihrer Strukturen konfrontiert, wobei »Kirchen in diesen Räumen in etwa 2–3 × so schnell schrumpfen wie die Bevölkerung an sich.«25

      – In diesen Regionen ist die Kirche jedoch auch von außen gefordert: »Die Peripherisierung entlegener Gebiete appelliert an das gesellschaftliche, pädagogische und kulturelle Handeln der Kirche, vor allem aber an die gute Nachricht von der Auferstehung Jesu Christi.«26 In der Studie »Landaufwärts« konnte gezeigt werden, wie stark kirchliche Initiativen sind, die ihr missionarisches und diakonisches Potential entfalten.27 Hier konnte nachgewiesen werden, dass gegen alle Erwartungen gerade an der Peripherie Neues entsteht, das Bedeutung für die Zukunft der ganzen Kirche haben kann. Die in dem EKD-Papier aufgestellte These des simplen Rückgangs aller kirchlichen Angebote in besonders abgelegenen Räumen gilt damit als widerlegt.

      – Insofern die kirchlichen Strukturen maßgeblich von der Anzahl der Kirchenmitglieder in einem Gebiet bestimmt werden, führen die Dynamiken in peripheren Lagen zur Überdehnung und Ausdünnung der kirchlichen Strukturen.28 Einfach gefragt: Wenn der Rückgang der Kirchenmitglieder weiterhin anhält, für wie viele Predigtstätten, Kirchen und Friedhöfe kann ein Pfarrer manchmal mit und manchmal ohne weitere Verwaltungskraft zuständig sein? Nur weil die Kirchenmitgliederzahlen rückläufig sind, verschwinden ja weder Kirchengebäude, noch wird die Fläche kleiner, auf der die Kirchenmitglieder leben.

      – Insofern Dorfkirchen selten aufgegeben werden, verschlechtert sich das Verhältnis der Gemeindegliederzahl zu den Kirchengebäuden rapide. Damit wird die Finanzierung und Erhaltung der teilweise immer seltener genutzten Gebäude erschwert.29

      – Im Bereich des Ehrenamts kommt es zu Engpässen, Konkurrenz und möglicher Überlastung bei den Ehrenamtlichen.30

      – Im Bereich der hauptamtlichen Mitarbeiterschaft – insbesondere unter Pfarrern, die im Zweifelsfalle ohne weitere Mitarbeiter auskommen müssen – wird aufgrund der zusätzlichen Belastung durch den strukturellen Umbau und der notwendigen Neuausrichtung der Arbeit ein erhöhtes, arbeitsbedingtes Stresslevel befürchtet.31 Diese Befürchtung wird durch Forschungsergebnisse aus den ländlichen Regionen der Anglikanischen Kirche in England genährt.32

      – Insgesamt ist Kirche herausgefordert, sich neu auf diese Situationen einzustellen und neue Normen für Wertschätzungen dessen, was möglich und geboten ist, zu entwickeln.33

      Der Ablauf und die Auswirkung derartiger komplexer und gleichzeitig laufender Prozesse wurden jüngst von Meyer/Miggelbrink vom Leibniz-Institut für Länderkunde im Kirchenkreis Altenburg untersucht.34 Es wurden die im Jahr 2000 angestoßenen Strukturreformen nachvollzogen, die auch eine Änderung bzw. Anpassung des Finanzgesetzes mit sich brachten. Ein wesentlicher Faktor für die Strukturplanungen ist die Abnahme der Gemeindegliederzahlen, die zwischen 2008 und 2011 um 26 % zurückgingen. Die Pfarrstellen wurden von 58 (1993) auf 17 (2013) reduziert.35 Für das Pfarramt bedeutet dies Folgendes:

      »Es erscheint logisch, dass bei einer wachsenden Anzahl zu betreuender Kirchengemeinden je Pfarrstelle die für diese Handlungen zur Verfügung stehende Zeit nicht automatisch steigt. Vielmehr sinkt faktisch die Zeit für Handlungen jenseits der zentral gesehenen sonntäglichen Gottesdienste durch vermehrte Fahrzeiten und -wege sowie stärker werdende Absprachen.«36

      Besonders für das Gemeindepfarramt zeigt sich hier eine Abhängigkeit von der Umgebung, da Strukturreformen sofort eine Änderung des »Arbeitsplatzes« bedeuten. Die immer größere Ausdehnung der Gebiete, für die man verantwortlich ist, kann nicht spurlos an den Haupt- und Ehrenamtlichen vorübergehen. Meyer/Miggelbrink stellen zu diesen Entwicklungen die Frage, was sich als Erstes ereignen werde: »Pfarrer_innen- oder Gemeinde-Burnout?«37 Insofern diese Prozesse nicht ohne Konflikte verlaufen und manche institutionellen Vorgaben in der Kommunikation schwer transparent zu machen sind, beobachten Meyer/Miggelbrink:

      »Wir

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