Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma?. Julia Klein
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![Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma? - Julia Klein Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma? - Julia Klein Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Sozialwissenschaften](/cover_pre914577.jpg)
Neben dem religiösen Terrorismus bleibt auch der national-separatistische Terrorismus auf der Tagesordnung. Thomas Mockaitis weist darauf hin, dass der Großteil der Anschläge durch diese terroristischen Organisationen ausgeübt wurde, auch wenn sie weniger tödlich waren als die der religiösen terroristischen Organisationen.121 Martha Crenshaw erkennt auch in den rechten terroristischen Organisationen immerhin ein Potential zum Neuen Terrorismus. Die radikalen, rechts-konservativen terroristischen Organisationen der Christian-Identity-Bewegung aus den USA haben zum Beispiel apokalyptisch religiöse Elemente in ihrer Ideologie, die sie wesentlich gewaltbereiter werden lassen als europäische rechts-konservative terroristische Organisationen.122 Peter Neumann weist auf einen Punkt hin, den sowohl religiöse, national-separatistische als auch rechts-konservative terroristischen Organisationen in ihrer Ideologie aufweisen, der zu hoher Gewaltbereitschaft führen kann: „Diese [die terroristischen Organisationen – Anm. Autor] definieren bestimmte ethnische, religiöse oder rassistische Gruppen als ‚anders‘ und damit als weniger menschlich oder beachtenswert als die eigene.“123
2.3 Kritische Betrachtung des Paradigmenwechsels
Die zitierten Autoren der vorangegangenen Kapitel, die sich mit dem Forschungsparadigma des Neuen Terrorismus beschäftigen, sind sich insgesamt darüber einig, dass es seit Beginn der neunziger Jahre einen Neuen Terrorismus gibt, auch wenn sie die einzelnen Eigenschaften unterschiedlich in ihrer quantitativen und qualitativen Entwicklung bewerten. Es hat sich jedoch nach dem 11. September 2001 auch ein Autorenkreis gebildet, der dem Diskurs um den Neuen Terrorismus kritischer gegenübersteht bzw. die Existenz und Neuwertigkeit der Eigenschaften genauer betrachtet und teilweise anzweifelt. Im Mittelpunkt dieser Metadiskussion stehen unter anderem die zuvor erwähnten Autoren und deren Einschätzungen zu dem veränderte Verhalten terroristischer Organisationen. Diese Kritiker und Ihre Vorwürfe werden im Folgenden im zweiten Teil dieses Kapitels beleuchtet. Zunächst werden jedoch die möglichen Ursachen des Neuen Terrorismus erörtert, die von den Autoren des Diskurses genannten werden und als Begründung für die Existenz des Neuen Terrorismus verstanden werden können.
2.3.1 Mögliche Ursachen des Neuen Terrorismus
In der Metadiskussion um den Neuen Terorrismus gibt es zwei Autoren, die auf Veränderungen in der Umwelt von terroristischen Organisationen hinweisen, die durchaus einen Wandel in ihrem Verhalten ausgelöst haben könnten und mit ihrer Argumentation die Vertreter des Paradigmenwechsels unterstützen. Matthew J. Morgen und Audrey Kurth Cronin führen einige Faktoren auf, welche sie als mitverantwortlich sehen für die Wandlungen im Verhalten terroristischer Organisationen. Audrey Kurth Cronin sieht Terrorismus als „… a by-product of broader historical shifts in the international distribution of power in all of its forms – political, economic, military, ideological, and cultural“124 und terroristische Organisationen als „normale“ internationale Akteure, die von Veränderungen, wie zum Beispiel der Globalisierung, profitieren.125 Matthew J. Morgen geht noch einen Schritt weiter und behauptet: „Terrorism has quantitatively and qualitatively changed from previous years.“126
Zum einen werden politische und geschichtliche Ereignisse, wie die Iranische Revolution, der Zusammenbruch der Sowjet Union und der Jahrtausendwechsel, von Autoren für Veränderungen verantwortlich gemacht. Der Zusammenbruch der Sowjet Union hat nicht nur viele nukleare Waffen in den Schwarzmarkt gelangen lassen, auf die terroristische Organisationen zugreifen können, er hat auch pakistanische und afghanische Kämpfer zurück gelassen, die durch den pakistanischen und amerikanischen Geheimdienst ausgebildet wurden. Diese gut ausgebildeten Kämpfer, denen nach dem Krieg sowohl eine Beschäftigung als auch eine Perspektive fehlten, bildeten die Basis für die Mitgliederrekrutierung durch islamistische terroristische Organisationen. Auch hatte der Zusammenbruch eines der größten kommunistischen Systeme Auswirkungen auf den Rückgang von sozialrevolutionären Ideologien in terroristischen Organisationen. Das Versagen des Kommunismus und der Rückgang links-sozialrevolutionärer terroristischer Organisationen hat eine ideologische Lücke hinterlassen, die der Religion einen Raum bot sich als Ersatzideologie zu etablieren.127
Zum anderen machen die Autoren die Folgen der Globalisierung für das Entstehen des Neuen Terrorismus verantwortlich. Ein entscheidender Aspekt ist spielt hierbei die Technologisierung und die globale Verbreitung deren Errungenschaften.128 Sowohl die Kommunikation als auch die Handlungsreichweite haben sich für terroristische Organisationen verbessert. Vor allem das Internet und das Mobiltelefon machen die Verbreitung von Ideologien und Informationen, die Rekrutierung und Werbung einfacher. Die Möglichkeit sich seit Beginn der neunziger Jahre über die Herstellung und den Gebrauch von Massenvernichtungswaffen zu informieren, lässt für viele auch die Wahrscheinlichkeit steigen, dass Terroristen hiervon Gebrauch machen und dies zu einem Ansteigen der Opferzahlen führen könnte. Aber auch die Planung simultaner, komplexer Anschläge, wie die des 11. September 2001 und vor allem die Rekrutierung junger Leute für islamistische terroristische Organisationen, wurde erleichtert. Des Weiteren können mithilfe des Internets und des Mobiltelefons auch kleinste, weit entfernte terroristische Organisationen an großen, weitverstreuten terroristischen Netzwerken teilhaben.129 Audrey Kurth Cronin und Matthew J. Morgan weisen auch auf weitere infrastrukturellen Vorteile der Globalisierung hin, von denen terroristische Organisationen profitiert haben: durch geminderte Grenzkontrollen ist die Grenzüberschreitung und somit internationales Agieren für terroristische Organisationen zumindest in Europa und der Nordamerikanischen Freihandelszone einfacher geworden. Die Terroristen selbst, aber auch Material und Geld können sich über weite Strecken bewegen ohne Gefahr zu laufen entdeckt zu werden, erleichtert durch die unterschiedliche Gesetzgebung der jeweiligen Staaten.130
Der Hauptgrund für die Ausbreitung religiöser terroristischer Organisationen sehen die Autoren jedoch zum einen vor allem in einer wachsenden Ungleichverteilung von Chancen, Einkommen und Gütern in der Welt, die die Globalisierung mit sich bringt und zum anderen in einer wachsenden Unsicherheit in der Bevölkerung, die durch das Zusammentreffen westlicher, säkularer, liberal-demokratischer Werte und religiöser fundamentalistischer Lebensweisen entsteht. Die Regierungen hätten es nicht geschafft dauerhafte Strukturen zu schaffen, die die Probleme der Ungleichverteilung, der nicht erfüllten Erwartungen und der Verunsicherung lösen konnten.131 Dass an dieser Stelle die Religion und damit gleichzeitig auch terroristische Organisationen mit religiösen Ideologien die Menschen auffangen konnten, beschreibt Peter Neumann als ein Resultat des „wahrgenommene Scheiterns der angeblich modernen, säkularen Ideologien“132 und der Anfälligkeit für „Ideen und Ideologien ohne einen nationalen Bezugspunkt“133 als Folge der globalen Migration. Field weist darauf hin, dass die Religion in Zeiten globaler Veränderungen der öffentlichen Ordnung den Menschen vor allem eine Tiefgründigkeit und ideologische Klarheit gibt, die es ihnen einfach macht den Alltag zu verstehen und zu akzeptieren.134
2.3.2 Kritik am Forschungsparadigma