Die Residentur. Iva Prochazkova

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Die Residentur - Iva Prochazkova

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einen Blick voller Mitgefühl.

      „Ich drück die Daumen“, sagte sie. „Dass das alles gutgeht.“

      „Es muss“, antwortete der lakonisch. „Mir bleibt nix anderes übrig. Ich hab vom Chef die Anweisung gekriegt, wieder gesund zu sein, bevor die Urlaubszeit losgeht.“

      „Ich überlege gerade, wem ich den Arojan-Fall übergeben soll.“ Zdeněk drehte sich zu Marta um.

      „Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“

      Er schob die Akte in ihre Richtung. Sie ließ weder Überraschtsein noch irgendeine andere Reaktion erkennen, schaute nur nachdenklich auf das Konvolut. Sie sagte gar nichts und Zdeněk kam der beunruhigende Gedanke, dass sie ihm aus irgendeinem Grund, den zu respektieren er gezwungen wäre, den ganzen Packen über den Tisch zurückschieben könnte und er eine andere, noch weniger befriedigende Lösung finden müsste. Aber das waren verfrühte Befürchtungen. Sie legte die Hand auf die Akte (mit einer Geste, die sehr besitzergreifend wirkte) und blickte auf.

      „Und wer arbeitet mit mir da dran?“

      Es klopfte erneut, die Sekretärin kam wieder ins Büro.

      „Kommissar Jukl“, verkündete sie.

      Zdeněk sah auf die Uhr. Heute hatten alle den Hang, zu früh zu kommen.

      „Bitten Sie ihn um ein paar Minuten Geduld“, sagte er und wartete, bis die Tür sich hinter der Sekretärin wieder geschlossen hatte. „Das Präsidium hat uns aufgefordert, dass wir mehr mit den anderen Abteilungen kooperieren sollen“, erläuterte er anschließend. „Jukl ist vom organisierten Verbrechen.“

      Marta brauchte einen Moment, ehe sie seine Mitteilung für sich sortiert hatte.

      „Willst du damit sagen, dass der mein Partner wird?“

      „Der Mord an Arojan ist keine …“ Zdeněk verkniff sich den Ausdruck Hausschlachtung, den sie als Herabwürdigung ihrer bisherigen Arbeit hätte auffassen können, und wählte lieber eine andere Formulierung. „Du weißt ja, das ist ein heikler Fall – auch wenn die größte Aufregungswelle schon abgeklungen ist. Die Streiks und Demos haben Gott sei Dank an Anziehungskraft eingebüßt. Angesichts dessen, dass in der Zwischenzeit in der EU mindestens fünf andere Journalisten ermordet worden sind, ist Arojan nur noch eine vertrocknete Pizza. Die Medien sind scharf auf saftigere Brocken. Außerdem ist er Kasmenier gewesen.“

      „Er hat seit seiner Kindheit hier gelebt. Und hatte die tschechische Staatsbürgerschaft“, warf Vačkář ein.

      „Das ist den meisten von unseren Mitbürgern herzlich egal. Protest äußern, das ist denen wichtig, aber sich jetzt übertrieben wegen so einem Zuwanderer zu engagieren? Dazu haben alle genug eigene Probleme.“ Zdeněk fiel auf, dass er in einer Ecke gelandet war, wo er nicht hinwollte, und legte den Rückwärtsgang ein. „Wir brauchen einen konkreten Beschuldigten. Nicht wegen der Öffentlichkeit, nicht wegen den Medien, sondern weil das unser Job ist. Beim Präsidium fangen sie langsam an zu nerven.“

      „Steckt hinter dem Mord was Politisches?“, fragte Marta. Sie hatte die Frage an niemanden direkt gerichtet. Vačkář übernahm das Antworten.

      „Arojan war Investigativjournalist. Außer dass er bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Russland eingedroschen hat, ist er mit den Bonzen hierzulande auch nicht gerade pfleglich umgegangen. Guck dir mal dem sein Portal an, dann begreifst du, dass die Riege an potenziellen Mördern ziemlich groß ist. Und das macht den ganzen Fall verflixt kompliziert. Ich muss zugeben, dass wir nicht weiterkommen. Wir haben einen Kreis von Verdächtigen, aber keine direkten Beweise.“

      „Und Kommissar Jukl hat mit politisch angehauchten Fällen Erfahrungen?“, fragte sie.

      „Ansonsten hätten sie ihn uns nicht geschickt.“ Zdeněk stand auf. Er hatte Marta ins kalte Wasser geschmissen, nun sollte sie auch schwimmen. Als er die Tür öffnete, erhob sich aus dem Sessel ihm gegenüber ein etwa fünfunddreißigjähriger Mann. Zdeněk erkannte ihn sofort wieder. Vor einer Weile war Jukls Foto in wohl allen tschechischen Medien aufgetaucht, im Zusammenhang mit verdächtigen öffentlichen Aufträgen, bei denen der Hejtman der Region Ústí nad Labem seine Finger im Spiel hatte. Um jenem Rieger auf die Schliche zu kommen, waren die Ermittler aus der Staatlichen Zentralstelle organisierte Kriminalität unter anderem über seine Ehefrau gegangen. Auf die hatten sie Jukl angesetzt, und der hatte sich dieser Aufgabe mit einem Eifer angenommen, der weit über seine Dienstpflichten hinausging. Während die seriösere Presse vorsichtig von „ausgefallenen Praktiken der SZOK“ geschrieben hatte, war in den Boulevardblättern Jukl mit James Bond verglichen worden und man hatte nicht mit Details gegeizt – über seine Affäre mit Riegers Ehefrau, über Riegers nächtliche Eifersuchtsszene vor dem Hotel Romantika, über die Flucht der halbnackten Frau Riegrová durch den Hinterausgang, über die anschließende Prügelei zwischen den beiden Männern und über Jukls ausgeschlagene Zähne. Welche es gewesen waren, hatten die Medien nicht erwähnt. Wahrscheinlich die oben in der Mitte, schätzte Zdeněk, als Jukl bei der Begrüßung lächelte und perfekte Schneidezähne vorzeigte.

      „Jukl.“

      „Karoch.“

      „Entschuldigung, ich bin zu früh“, sagte Jukl so ähnlich wie zuvor Marta.

      „Besser als zu spät“, befand Zdeněk. Er hatte keine Zweifel, dass sie ihm Jukl geschickt hatten, um ihn für eine Weile aus der Schusslinie zu nehmen. Gängige Praxis, um Pannen zu kaschieren.

      Als Hauptkommissarin Alte und Kommissar Jukl sich die Hände schüttelten, machten beide ein verbindliches Gesicht. Es war sogar mustergültig verbindlich, wie Zdeněk nicht übersehen konnte. Ihm war klar, dass die Kombi aus alternder grauer Maus und jungem Deckhengst nicht ideal war, allerdings konnte er da nichts tun. Er leitete keine Partnervermittlung, sondern ein Morddezernat.

      „Wir sind froh, dass wir Sie hier bei uns haben“, sagte er zu Jukl. „Ich hoffe auf eine für beide Seiten Gewinn bringende Zusammenarbeit.“

      „Ich auch“, antwortete Jukl und lächelte wieder. Mochte seine gute Laune nun spontan sein oder antrainiert, sie wirkte jedenfalls ansteckend.

      „Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen werden Sie in mein Dezernat versetzt“, sprach Zdeněk weiter. „Das ist natürlich nur eine vorübergehende Maßnahme. Sie gilt, solange Sie am Fall Arojan arbeiten. Pro forma.“

      „Pro forma arbeiten? Also nur so tun, als ob? Sollen wir den Fall nicht aufklären?“, fragte Jukl und sein sympathisches Lächeln kippte ins Provokante. „Nur damit ich weiß, was von mir verlangt wird.“

      Junge, wenn du dem Rieger so in die Visage gegrinst hast, als du ihm Hörner aufgesetzt hast, kannst du froh sein, dass es bloß bei ausgeschlagenen Zähnen geblieben ist, dachte Zdeněk.

      „Sie sollen den Mörder von Geworg Arojan finden“, sagte er ruppig. „Das wird von Ihnen verlangt. Und schon im Voraus mache ich Sie darauf aufmerksam, dass bei uns nicht James Bond gespielt wird. Wir setzen andere Vorgehensweisen ein. Am Anfang müssen Sie sich vielleicht erst ein bisschen orientieren, aber Sie brauchen keine Angst zu haben, irgendwas zu fragen. Hauptkommissarin Alte ist eine hervorragende Kriminalistin. Sie genießt mein vollstes Vertrauen. Unter ihrer Führung werden Sie eine Menge lernen.“

      Auf jeden Fall was anderes als im Hotel Romantika, ergänzte er in Gedanken. Die Genugtuung, die er beim Anblick von Jukls kleinlauter Miene empfand, zerstreute Zdeněks vorausgegangene Verdrießlichkeit

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