Die Residentur. Iva Prochazkova

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Die Residentur - Iva Prochazkova

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ein paar Leuten, die aussahen wie die örtlichen VIPs. Fára gab Štěpán ein Zeichen, dass er sich zu ihnen gesellen möge. Einem Treffen mit Lokalgrößen aus dem Weg zu gehen, gehörte zu den Fehlern, die sich rächen könnten – dass hatten sie am Anfang ihrer Mähren-Tour klar definiert.

      „Also ahoj, bis später“, verabschiedete er sich von Alena. „Und falls du von Veronika was erfahren solltest, ruf mich an.“

      Er steckte das Handy in die Tasche, und während er sich der kleinen Gruppe näherte, justierte er seinen Gesichtsausdruck auf freudige Erwartung.

      „Alles in Ordnung?“, fragte Fára.

      „Kleine Problemchen.“

      „Was mit deinem Vater?“ Diese Frage war unnötig; Fára hatte sie gestellt, um Štěpán als besorgten Sohn zu präsentieren.

      „Die üblichen Lappalien“, antwortete er und ärgerte sich, dass er ihm das mit Vaters Krankheit anvertraut hatte. Ihm hätte klar sein müssen, dass ein ambitionierter Parteifunktionär jede Information einsetzen würde, die geeignet wäre, „seinen Mann“ zu unterstützen. Falls sich morgen aus irgendeinem unvorhersehbaren Grund die Lage umkehren und Štěpán zum Kandidaten einer konkurrierenden Partei werden sollte, also ein Rivale, der verunglimpft werden müsste, würde Fára dieselbe Information nutzen, bloß in einem anderen Kontext, nämlich um ihn zu disqualifizieren. So lief’s in der nationalen Politik. Bert van Boxen hatte Štěpán einmal bei einem Glas Bier erklärt, dass Parteiensysteme überall so funktionierten, vor allem in kleinen Ländern, wo die Zahl aktiver Player begrenzt war, sodass jeder mit jedem verbandelt war und es wohl oder übel zu andauerndem innenpolitischen Inzest kommen musste. Zweifellos hatte er recht, aber der tschechische Inzest kam Štěpán aus irgendeinem Grund schmuddeliger und unappetitlicher vor als der niederländische. Wahrscheinlich, weil er ihn aus der Nähe betrachten konnte.

      Er wandte seine Aufmerksamkeit den Menschen zu, die ihm der Ortsvorsitzende nun vorstellte. Es dauerte nicht lange, und er hatte sich auf den Tonfall ihrer Konversation eingepegelt. In kleinen Schlucken trank er mährischen Gewürztraminer und verscheuchte die Gedanken daran, was ihn zu Hause erwartete. Dass Richard vor einiger Zeit angefangen hatte, Interesse an seiner Pistole zu zeigen, war ihm natürlich nicht entgangen, aber er hatte nicht gewusst, wie er darauf reagieren sollte. Ein striktes Verbot hätte die Neugier seines Sohnes nur noch vergrößert, das war klar. Das hätte auch ihrer Beziehung nicht gut getan, die sowieso schon angespannt war. Um einem Konflikt auszuweichen, hatte Štěpán schließlich das Bequemstmögliche getan: Er hatte sich einen Safe zugelegt, die Waffe dort verstaut und die ganze Sache unkommentiert gelassen. Jetzt wurmte ihn das. Es war ein Fehler gewesen, dass er nicht mit Richard gesprochen, ihm keine klaren Grenzen gesetzt hatte, es war ein Fehler gewesen, dass er sich die Waffe überhaupt besorgt hatte. Trotz der beruhigenden Wirkung des Weins spürte er, wie er immer nervöser wurde. Eins nahm er sich vor: Falls sich seine Befürchtungen als nichtig herausstellen sollten und er bei seiner Rückkehr nach Prag die Pistole an Ort und Stelle vorfände, würde er sie aus dem Haus schaffen.

      „Ich weiß Ihre klare Haltung zu unserer Außenpolitik sehr zu schätzen, Herr Ingenieur“, sagte ein Mann, der neben ihm stand, und beugte sich näher zu ihm. „Wir wissen doch alle, was diese sogenannten Flüchtlinge schon in Deutschland und anderswo angerichtet haben. Das müssen wir hier unbedingt verhindern. Das Rezept ist klar: Keinen aufnehmen!“

      „Die andere Seite dieses Rezepts ist die Nichteinmischung“, sagte Štěpán. „Unser Prinzip sollte sein, uns nicht einzumischen.“

      „Richtig. Und was Sie über die Sanktionen gegen Russland gesagt haben, das kann ich ebenfalls unterschreiben. Nicht nur Tschechien, ganz Europa soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, statt andauernd irgendwelche unwirksamen Strafen zu verhängen. Das gehört überhaupt nicht zu unseren Aufgaben. Die Leute wollen Ruhe. Was wir richtig gut können, ist arbeiten und Geschäfte machen, und daran sollten wir uns halten, oder?“

      „So ist es. Wenn Europa Bedeutung haben will, muss es eine offene Wirtschafts- und Handelsgroßmacht bleiben und darf sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen“, gab Štěpán ihm recht. Dass das ein Paradox war, weil ein gewaltiger Teil der europäischen Einnahmen (die tschechischen nicht ausgenommen) aus dem Waffenhandel mit Ländern herrührte, deren Politik durch die Aufrüstung direkt beeinflusst wurde, ließ er unerwähnt. Auch die Tatsache, dass tschechische Waffen und das legendäre Semtex diversen Terroristen bei einer ganzen Reihe von Anschlägen nachweislich gute Dienste geleistet hatten, war kein dankbares Thema und bei Diskussionsveranstaltungen versuchte er es zu vermeiden.

      „Wie geht’s Ihrer Frau?“, fragte ihn eine Teilnehmerin auf der gegenüberliegenden Tischseite.

      „Gut, danke.“

      „Ich war in meiner Jugend auch Leistungsschwimmerin. Aber bis zur Olympiade hab ich’s nicht geschafft“, sagte sie. „Wir haben großes Mitgefühl mit ihr gehabt … Damals, als diese Katastrophe passiert ist.“

      Die Nachricht von dem Autounfall, bei dem Johanka ums Leben gekommen war, hatte seinerzeit hohe Wellen geschlagen; Alena war bei den Menschen außerordentlich beliebt gewesen. Sie hatte Selbstvertrauen und unbeugsamen Optimismus ausgestrahlt – vor der Tragödie. Nach ihr war sie durch die allerschwärzeste Hölle gegangen. Und Štěpán war die ganze Zeit an ihrer Seite gewesen und hatte ihr die Hand gehalten. Fast zwei Jahre hatte es gedauert, ehe am Ende des Dunkels Licht auftauchte. Zwei Jahre, in denen sie sich in Apathie und Verzweiflung gewälzt hatte, und wäre der kleine Richard nicht gewesen, hätte sie sich wohl etwas angetan. Für ihre Beziehung war das eine Belastungsprobe gewesen, sie waren weit zum Grund hinabgestiegen. Seit der Zeit wussten sie, wo dieser Grund war, und waren peinlich bemüht, einen großen Bogen darum zu machen.

      „Und Ihr Sohn? Er will Arzt werden, richtig? Welche Fachrichtung schwebt ihm denn vor?“

      „Das weiß er noch nicht. Und falls er’s doch schon weiß, dann wäre ich der Letzte, dem er’s auf die Nase bindet.“

      Seine Worte hatten sie amüsiert, aber er selbst fand an ihnen nichts zum Lachen. Er überlegte, wann Richard sich ihm zum letzten Mal mit seinen Plänen anvertraut hatte. Tage und Wochen reichten nicht. Möglicherweise habe ich tatsächlich ein wichtiges Signal nicht wahrgenommen, das er in meine Richtung ausgesandt hat, ging ihm durch den Kopf. Vielleicht ist sein Verschwinden nur die Spitze eines Eisbergs, der schon lange neben mir hergetrieben ist und den ich nicht bemerkt habe. Aber was ist in diesem Fall unter der Wasseroberfläche?

      Freunde sind im Leben von Jugendlichen wichtiger als die Eltern. Das hat eine Studie führender europäischer Soziologen bestätigt. Den Wissenschaftlern ist es gelungen zu zeigen, dass junge Menschen zwischen 14 und 21 Jahren eine starke freundschaftliche Beziehung als höchsten Wert im Leben betrachten. Dafür sind sie bereit, nicht nur von den Prinzipien abzuweichen, die ihre Familien ihnen mitgegeben haben, sondern auch Vorteile aufzugeben, die ihnen ihre familiären Bindungen gewährleisten. 42 % der Befragten haben eingeräumt, dass sie nicht zögern würden, für ihren besten Freund ihr Leben einzusetzen.

       www.onskorzo.nl/de

      Veronika sah Adam sofort, als sie von der Bühne kam. Er stand im Flur zwischen den Schauspielergarderoben und nicht nur in seinem Gesicht, sondern in seiner ganzen Haltung konnte sie das Wort Niederlage lesen. Wäre er zum Casting für einen Loser-Typen gekommen, hätte er die Rolle sofort kriegen müssen. Aber er war nicht zum Vorsprechen da.

      „Sag das Erste, was dir einfällt“, forderte er sie ohne Begrüßung auf.

      „Kacke am Dampfen.“ Dass er hier war, konnte nichts

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