Die Residentur. Iva Prochazkova

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Die Residentur - Iva Prochazkova

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überhaupt hier?“

      „Rat mal. Nimm’s als Intelligenztest.“

      „Adam, hör auf!“ Manchmal fand sie seine Kommentare ziemlich witzig, aber heute hatte sie nicht den geringsten Sinn für so was. „Du solltest gerade ganz woanders sein! Also, was ist passiert?“

      „Nichts. Außer …“ Er verstummte, sein Blick war unruhig wie bei einem Hund, der was angestellt hatte.

      „Du hast dir’s anders überlegt.“ Jetzt kapierte sie. Und ihr fiel auf, dass sie kein bisschen überrascht war. Seit dem Moment, als Richard ihr den Plan anvertraut hatte, hatte sie gespürt, dass Adam dabei das schwächste Glied war. „Wann hast du dich umentschieden?“

      „Ich bin mit den Jungs nicht mal mit in die Slowakei gefahren.“

      „Dann warst du in der Schule? Hast du etwa mit der Formánková geredet?“

      „Die hat mich heute Vormittag am Tor abgepasst.“

      Das versetzte Veronika in Panik. Früher war sie mal Adams Fast-Mitschülerin gewesen. Bevor sie ans Schauspielkonservatorium gegangen war, hatte sie vier Jahre dasselbe Gymnasium besucht, nur eine Klasse tiefer, und sie hatte die Formánková in Geschichte gehabt. Sie wusste, wie unerbittlich sie sein konnte. Angst hatten sie vor ihr gehabt. Ihren Haarknoten hatten sie Lügendetektor genannt und allzu übertrieben war diese Bezeichnung nicht gewesen.

      „Hat sie was aus dir rausgekriegt?“

      „Für wen hältst du mich denn?“

      „Wenn du das verrätst, dann …“ Ihr schoss durch den Kopf, was das alles bedeuten würde. Das ganze, lange geplante Vorhaben könnte sogar noch scheitern.

      „Sie hat mich gefragt, ob ich was von Martin und Richard weiß, und ich hab Nein gesagt. Sie wollte wissen, wo ich sie zuletzt gesehen hab, da hab ich gesagt, am Freitag in der Schule. Sie hat mich gefragt, ob sie sich normal benommen haben, da hab ich Nein gesagt.“

      „Nein?“

      „Ich hab gesagt, dass sie so durchgeknallt gewesen sind wie immer. Eine andere Antwort wär ihr verdächtig vorgekommen.“

      Da musste sie ihm recht geben. Adam war nicht umsonst der Sohn eines Juristen, er hatte das raffinierte Argumentieren in den Genen. „Und dann?“

      „Direkt danach hat sich Richards Mutter gemeldet. Dieselben Fragen, dieselben Antworten. Hat sie dich auch angerufen?“

      Veronika nickte. Noch jetzt schämte sie sich beim Gedanken an ihr Ausweichmanöver, aber sie hätte nichts anderes tun können. Wenn sie Richards Mutter am Telefon nicht weggedrückt hätte, dann hätte sie sich bestimmt verquatscht, und das durfte sie sich nicht erlauben.

      „Adam, wir müssen jetzt da durch! Es ist total wichtig, dass keiner was weiß, bis wir von den Jungs Bescheid kriegen.“ Sie packte ihn an den Schultern und sah ihm mit ihrem Kobrablick in die Augen. Den hatte sie vorm Spiegel geübt und wusste, dass er funktionierte. Er gehörte zu den wichtigen Elementen ihres bisher nicht allzu reichhaltigen schauspielerischen Arsenals. Oft benutzte sie die Kobra auch im Alltag, wenn sie etwas erreichen musste. „Das ist dir doch hoffentlich klar?“

      Er wandte den Blick ab.

      „Veronika, was denkst du über mich? Aber ehrlich.“

      „Ich wusste von Anfang an, dass das nix für dich ist. Du bist … Du hast …“ Sie kam ins Stocken. Sie wollte sein Selbstbewusstsein nicht noch weiter untergraben.

      „Die Hosen voll? Deiner Meinung nach hab ich einfach Schiss.“

      „Du hast Angst, jemandem wehzutun.“

      Sie hatte ihn sichtlich überrascht. Eine Weile schwieg er nachdenklich, dann fragte er: „Und Richard hat keine Angst? Auf bestimmte Weise tut er schließlich auch dir weh, oder?“

      „Du kennst doch Richard. Er kann keine Kompromisse machen“, sagte sie und wusste, dass ihr genau diese Eigenschaft an ihm am meisten imponierte, obwohl sie nicht gerade positiv war. Ein Kompromiss war ein Zugeständnis. Und Zugeständnisse zu machen, bedeutete für Richard nicht, jemandem entgegenzukommen, sondern von der Wahrheit abzuweichen. Dazu war er nicht in der Lage. Er hielt die Wahrheit nicht für etwas, wozu man Alternativen schaffen konnte, er behandelte sie als Tatsache. Wer sie abstritt, war seiner Meinung nach entweder ein Lügner oder ein Idiot.

      „Auch wenn er wollte, er kann sich nicht anders verhalten“, erläuterte sie. „Eigentlich ist für ihn alles ganz einfach.“

      Aus heiterem Himmel tauchte hinter Adams Rücken Richards Mutter auf, sie war durch die Tür aus dem Foyer in den Flur gekommen. Veronika zuckte innerlich zusammen.

      „Die Chytilová“, flüsterte sie.

      „Wo?“ Adam wollte sich umdrehen, aber Veronika zerrte ihn hastig um die Ecke.

      „Verdrück dich, aber hintenrum, damit sie dich nicht sieht.“

      Sie brachte ihn an der Maske und am Technikerkabuff vorbei zum Hinterausgang und überlegte dabei, ob sie schnell genug reagiert hatte. Es wäre nicht gut, wenn Alena sie mit Adam zusammen gesehen hätte. Sie würde das in einen Zusammenhang mit Richards Verschwinden bringen und nur umso stärkeren Druck auf Veronika ausüben.

      „Komm nicht mehr zu mir“, sagte sie, bevor sie Adam ins Treppenhaus ließ. „Und bis es nicht raus ist, erzähl nirgends was rum.“

      „Wann willst du denn die Briefe abschicken?“

      „Wenn Richard mir Bescheid gibt.“

      „Hat er dich heute nicht angerufen?“

      „Nein.“

      „Nein?“ Adams Miene verriet Misstrauen.

      „Warum soll ich dich anlügen?“

      „Weil du mir nicht mehr glaubst.“ Er verzog das Gesicht und fügte selbstgeißlerisch hinzu: „Hast ja recht, Schissern kann man nicht glauben. Wahrscheinlich würde ich das genauso machen, wenn ich an deiner Stelle wäre.“

      Veronika schwieg. Er tat ihr leid, aber gleichzeitig konnte sie sich nicht gegen ihren Widerwillen wehren. Ihre innere Kompassnadel navigierte sie seit jeher zu stolzen, selbstbewussten und aufrechten Männern. Sie liebte das Drama, sie liebte das Pathos – im Leben und auf der Bühne. Wenn ihr Vater seine Stimme auf dem Zwerchfell abstützte und „E lucevan le stelle“ sang, lief es ihr kalt den Rücken runter und vor Erregung bohrte sie sich die Fingernägel in die Handflächen. Als Richard am Tag vor seiner Abreise zwei Ringe gekauft hatte, hatten sie sie sich gegenseitig auf den Finger geschoben und anschließend schweigend miteinander geschlafen, das war stärker gewesen als jedes Versprechen, das sie sich hätten geben können. Worte hätten alles nur banalisiert und verwaschen. Ohne hatte Veronika viel genauer gewusst, wie Richard zumute gewesen war. Auch wie Adam jetzt zumute war, konnte sie sich vorstellen. Und wie morgen. Sie wollte nicht in seiner Haut stecken. Er drehte sich um und stieg schweigend die Stufen hinunter.

      „Was soll ich mit deinem Brief machen?“, rief sie ihm hinterher.

      „Ins Klo schmeißen“, antwortete er, ohne sich umzudrehen.

      „Wird

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