Die Residentur. Iva Prochazkova

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Die Residentur - Iva Prochazkova

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seventeen, das kriegst du auch hin. Ach so, und noch was … Du weißt schon.“

      „Was?“

      Er berührte den Ring; unbewusst drehte er ihn am Finger einmal herum. „Das weißt du nicht?“

      Einen Moment war Ruhe, dann sagte sie: „Ich dich auch.“

      An der Grenze zum Flüstern war ihre Stimme ohne Konkurrenz.

      „Gute Nacht, meine Liebste“, verabschiedete er sich (Gänsehaut überall) und beendete das Telefonat. Noch ein paar Sekunden hielt er das Handy ans Ohr gepresst, um Zeit zu gewinnen, damit er von der Prager Straßenbahnhaltestelle zurück auf das windige Schiffsdeck umschalten konnte. Dann ging er zu Lewan.

      „Wie sieht’s aus?“, fragte er. „Hast du mit deinem Onkel gesprochen?“

      „Angeblich kommen wir nicht über die Kural-Talsperre.“

      „Wieso?“

      „Die wird von Soldaten bewacht.“

      „Haben die Angst, dass die jemand in die Luft jagt?“

      „Einen Versuch hat’s schon gegeben. Da haben sie lieber die ganze Gegend abgeriegelt.“

      „Gibt es einen anderen Weg, wie wir nach Gregoripol kommen?“

      „Mein Onkel schlägt vor, dass wir uns gleich, wenn wir von Bord sind, rekrutieren lassen. Direkt in Jeremesch. Das bedeutet …“

      „Dass wir mit der Armee weiterfahren“, begriff Richard. „Genial!“

      Ihm wurde klar, dass sich die Zeit, die er als Zivilist verbrachte, dadurch erheblich verkürzen würde. Ihm blieben eher Stunden als Tage. Er spürte ein Stechen unter den Rippen. „Genial“, sagte er noch einmal.

      Der brutale Überfall auf den Friedensaktivisten Lewan Manusch nach seinem Auftritt bei der Prager Demonstration gegen die weltweite Aufrüstung im letzten Jahr ist bis heute nicht aufgeklärt worden. Das ist nur ein weiterer Fall, der den Unwillen unserer Polizei beweist, sich mit einer Art von Kriminalität zu befassen, deren Opfer Angehörige ethnischer Minderheiten in Tschechien sind. Das augenfälligste Beispiel für diese Einstellung ist der Mord am Journalisten Geworg Arojan, bei dem der Täter nach wie vor nicht ermittelt wurde. Unfähigkeit, Schlamperei oder Absicht?

       www.kritische-ansichten.cz

      Seine Augen waren müde, obwohl er nicht durch optische Brillengläser schaute. Heute war er nicht Johnny, sondern Jewgeni. Fast den ganzen Tag hatte er am Rechner gesessen – eine bombensichere Methode, sich die Augen zu ruinieren. Jetzt therapierte er sie mit dem Blick auf unbewegliche Objekte. Kilometerweise beige Fliesen, eine Batterie von Kassen, Hunderte Dosen mit Hundefutter, endlose Reihen Tiefkühltruhen.

      Er mochte Orte, die nicht schliefen. Manchmal nachts fuhr er in einen Hypermarkt, einfach so, nicht um einzukaufen. Er ging dann immer durch die langen Reihen zwischen den Regalen und dachte über die Menschen nach, denen er hier begegnete. Es waren überraschend viele. Sonderlinge, Workaholics, denen tagsüber keine Zeit zum Einkaufen blieb, Schlaflose, Eigenbrötler. Er überlegte, in welche Kategorie er sich selbst einordnen würde. Ein bisschen in alle. An Insomnie litt er zwar nicht, aber er hatte ein außerordentlich geringes Schlafbedürfnis, einen Teil der Nacht war er regelmäßig auf. Manchmal nutzte er diese Zeit zum Lesen, am liebsten von Lyrik (die Verse von Puschkin verschwanden niemals von seinem Nachttisch), wenn nötig, arbeitete er, ab und an übte er Deutsch, aber meist sortierte er seine Gedanken. Jewgeni schlief nicht, schweifte nur durch die Gedanken wie durch einen Hain … In der Stille der Nacht ließ sich so eine mentale Durchsicht am besten bewerkstelligen. Anschließend kam er sich jedes Mal so vor, als hätte er in sich drin aufgeräumt. Heute Nacht allerdings räumte er nicht auf, heute hatte er zu tun.

      Am Ende des Gangs mit den Haushaltwaren blieb er stehen und schickte einen kurzen Blick zur Heimwerkerabteilung. „Sein Mann“ war bereits da. Er stand bei den Bohrmaschinen, eine hielt er in der Hand und betrachtete sie. Es sah so aus, als hätte er tatsächlich Interesse an ihr. Als er die näherkommenden Schritte hörte, schaute er hoch.

      „Sieht ganz praktisch aus“, bemerkte er. „Finden Sie nicht?“

      „Ehrlich gesagt, verstehe ich nichts von Bohrmaschinen“, antwortete Jewgeni und sah auf den Preis. Er war herabgesetzt, ein auffälliger Schriftzug wies darauf hin, dass das Angebot nur noch bis zum Monatsende galt. „Man müsste mal checken, ob der Rabatt hier auch kein Beschiss ist.“

      „Online ist sie zweihundert Kronen billiger.“

      „Dann kaufen Sie sie doch online.“

      „Ich brauch sie aber nicht.“

      Er legte die Bohrmaschine zurück ins Regal und schaute wieder hoch.

      „Jewgeni, wie geht’s Ihnen?“

      „Ach, Ludvík, ich kann mich nicht beklagen. Und Ihnen?“

      Beide wussten sie, dass die Namen, mit denen sie sich ansprachen, nicht ihre richtigen waren, aber sie hatten sich daran gewöhnt; sie verwendeten sie ganz normal und ohne jede Spur von Verlegenheit, wenn sie sich unterhielten. Jemanden mit Namen anzusprechen, hatte eine wichtige Funktion: Es erleichterte nicht nur den Kontakt, sondern es stärkte das gegenseitige Vertrauen.

      „Mir geht’s entsprechend meinen Leistungen und Verdiensten ganz gut“, erwiderte Ludvík in seiner trockenen Art, mit der er alles und jeden kommentierte, sich selbst nicht ausgenommen. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, als sie sich ein wenig angetestet hatten, war Jewgeni das unangenehm gewesen, aber mit der Zeit hatte ihn Ludvíks reservierter Stil immer weniger gestört, er hatte ihn sogar schätzen gelernt. „Was sagen Sie zu unserem neuen Ermittlerteam?“

      „Jukl scheint fähig zu sein“, antwortete Jewgeni. „Meinen Informationen nach hat er, als er beim BIS war, Leute aus dem Russischen Kulturzentrum und aus der Geschäftswelt auf dem Schirm gehabt. Zwei sind damals wegen Spionage aus Tschechien ausgebürgert worden.“

      Ludvík verzog das Gesicht. „Ein ITler.“ Sein Tonfall verriet, was er von dieser Sorte Menschen hielt.

      „Der hat seine Finger in der Katalogisierung von kremlfreundlichen Websites.“

      „In einem Mordfall ermitteln ist was andres, als Propaganda im Internet aufdecken.“

      „Darf ich das so verstehen, dass uns sein Einstieg in die Ermittlungen keine Sorgen bereiten muss?“

      „Da braucht man sich nichts vormachen, ohne Jukl wär’s natürlich besser, aber die haben ihn vom organisierten Verbrechen rübergeschickt. Keine Chance, dagegen was zu tun.“

      „Was ist mit der Rieger-Affäre?“, fragte Jewgeni. Die Enthüllung dieses Korruptionsskandals interessierte ihn, denn darin lag der Schlüssel zu Jukl und seinen Methoden. „Kriegt der Herr Hejtman ordentlich was aufgebrummt?“

      „Da saßen noch paar andere mit im Boot, die werden schon zusehen, dass der Rieger sie nicht mit in die Tiefe reißt. Ein paar Firmen, die zum Konzern von unserem Regierungschef gehören, haben mit Riegers Aufträgen Milliarden zusammengerafft. Jetzt hat der Premier natürlich das größte Interesse zu beweisen, dass das alles sauberes Geld war. Er wird tun, was

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