Im Schlaraffenland. Heinrich Mann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Im Schlaraffenland - Heinrich Mann страница 23

Автор:
Серия:
Издательство:
Im Schlaraffenland - Heinrich Mann

Скачать книгу

trat er auf die Ga­le­rie hin­aus und zog heim­lich, ganz heim­lich sei­ne sil­ber­ne Uhr. Es war kurz nach drei.

      Lang­sam stieg er ins Ves­ti­bül hin­ab. Er brauch­te jetzt nicht um sei­ne Hal­tung zu sor­gen, wie da­mals, vor fünf Stun­den, als er die­se Stu­fen em­por­stieg. Sei­ne Sin­ne wa­ren frei, er prüf­te in den wand­ho­hen, ge­schlif­fe­nen Spie­geln sei­ne Mie­ne und stell­te fest, dass es die­je­ni­ge ei­nes Tri­um­pha­tors sei. Er ver­moch­te jetzt den Duft und die Au­gen­wei­de der ho­hen He­lio­tropsträu­cher, der Orchi­de­en und der pur­pur­nen Kak­tus­ar­ten zu ge­nie­ßen, die an dem Ge­län­der aus durch­bro­che­nem Schmie­de­ei­sen ent­lang von Stu­fe zu Stu­fe sich türm­ten und die brei­te Trep­pe in einen hän­gen­den Gar­ten ver­wan­del­ten. Auf dem Stie­gen­ab­satz stan­den Ru­he­bän­ke, die in ge­punz­tem Le­der das Wap­pen des Hau­ses tru­gen: einen Tür­ken, der den Sä­bel schwang. An­dre­as nahm hier einen Au­gen­blick Platz und sah zwei Da­men, die den Ball ver­lie­ßen, vor­über­hu­schen. Er ver­folg­te das Blit­zen ih­rer Bril­lan­ten und die glei­ßen­den Re­fle­xe des durch Blät­ter­ge­flecht fal­len­den Lich­tes auf dem At­las ih­rer Ko­stü­me, und er sprach lei­se vor sich hin: »Ich habe euch!« Er wuss­te üb­ri­gens nicht ge­nau, was er sich bei die­sem großen Wor­te dach­te.

      Im Wei­ter­ge­hen gab er sich ver­nünf­ti­ge­ren Er­wä­gun­gen hin. In so ei­nem Ber­li­ner Hau­se ließ sich an ei­nem ein­zi­gen Abend eine Men­ge er­le­ben. Er ent­fern­te sich an­ders, als er ge­kom­men war, um vie­le Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se be­rei­chert, die er doch nicht all­zu teu­er be­zahlt hat­te. Er war mit Liz­zi Laffé in ei­ner un­pas­sen­den Si­tua­ti­on zu­sam­men­ge­rannt, und er hat­te Asta Türk­hei­mer auf die Schlep­pe ge­tre­ten. Merk­wür­dig, sie ka­men ihm wie zwei Fein­din­nen vor. Er hat­te fer­ner im Ge­spräch mit den jun­gen Leu­ten hier und da ein pein­li­ches Schwei­gen her­vor­ge­bracht, und er hat­te vor den jun­gen Mäd­chen Furcht ge­habt. Dies war der ne­ga­ti­ve Teil sei­ner Er­fol­ge. Der po­si­ti­ve be­stand dar­in, dass er von Frau Türk­hei­mer gnä­dig be­han­delt wor­den war, so gnä­dig, dass es vie­len zu den­ken ge­ge­ben hat­te und dass man nicht wis­sen konn­te, was dar­aus wer­den wür­de.

      »Ich habe wohl Glück ge­habt«, sag­te sich An­dre­as, »aber wenn ich nicht auch Vor­sicht und Über­le­gung be­sä­ße, und wenn ich nicht wüss­te, was ich will, hät­te ich dann wohl das da in der Ta­sche?«

      Und er tas­te­te nach dem Tau­send­mark­schein.

      Dr­un­ten in der Gar­de­ro­be spran­gen meh­re­re ver­schla­fe­ne La­kai­en auf. An­dre­as konn­te sich ir­ren, aber er mein­te zu be­mer­ken, dass sie ihn dies­mal mit ei­nem ge­wis­sen Re­spekt be­han­del­ten. Vi­el­leicht be­sa­ßen sie Übung dar­in, den Ge­win­ner zu er­ken­nen?

      Nach­läs­sig über­reich­te er dem, der ihm sei­nen Kra­gen­man­tel aus Lo­den um­leg­te, eine Dop­pel­kro­ne, in­dem er heim­lich be­dau­er­te, kein Fünf­mark­stück zu be­sit­zen.

      Als er un­ter dem Por­tal stand, rief ihm je­mand nach:

      »Sie! Sehr ge­ehr­ter Herr, hö­ren­se­mal!«

      Kaf­lisch, vom »Nacht­ku­ri­er«, kam im Lauf­schritt, lä­chelnd und win­kend her­bei. Er schob sei­nen Arm un­ter den des jun­gen Man­nes.

      »Ge­hen Sie schon nach Hau­se?« rief er. »Ich auch, das trifft sich ja rei­zend. Köst­li­che Som­mer­nacht, was? Höchs­tens zwan­zig Grad. Neh­men wir ’nen Wa­gen?«

      In der gan­zen Hil­de­brandt­stra­ße er­glänz­te der Schnee von den Lich­tern der Wa­gen, die in ei­ner Dop­pel­rei­he von ei­nem Git­ter zum an­de­ren stan­den. Es wa­ren meis­tens herr­schaft­li­che Fuhr­wer­ke. Als sie ganz hin­ten eine freie Drosch­ke ers­ter Klas­se ge­fun­den hat­ten, frag­te Kaf­lisch:

      »Wo woh­nen Sie denn?«

      An­dre­as rief sei­ne be­schei­de­ne Adres­se, die ihm jetzt mit sei­ner so­zia­len Stel­lung in schrei­en­dem Wi­der­spruch zu ste­hen schi­en, voll In­grimm dem Kut­scher zu. Der Jour­na­list bat sich eine Zi­ga­ret­te von An­dre­as aus. Wäh­rend er sie an­brann­te, er­kun­dig­te er sich:

      »Nun, wie ge­fal­len Ih­nen Türk­hei­mers?«

      »Ein recht net­tes Haus«, mein­te An­dre­as.

      »Nicht wahr? Man isst, spielt und mopst sich nicht mehr als un­be­dingt nö­tig. Un­ge­niert, mit frei­em Ein­gang vom Flur, das ist die Haupt­sa­che. Das üb­ri­ge kann uns doch gleich sein.«

      »Wie­so?« woll­te An­dre­as fra­gen, doch be­sann er sich. Es fiel ihm wie­der ein, was er über sein Ver­hält­nis zu Adel­heid mit sich aus­ge­macht hat­te. Frau Türk­hei­mer war nicht auf eine Lie­bes­in­sel zu ent­füh­ren. Sie wür­de aus der Um­ge­bung des Tier­gar­tens schwer­lich her­aus­zu­he­ben sein, man muss­te durch­aus das Ter­rain ken­nen. An­dre­as mach­te so­gar schon auf eine Stel­lung im Hau­se An­spruch, die ihm ge­wis­se Pf­lich­ten und Rech­te auf­er­leg­te. Da­bei wuss­te er aber noch kaum, was das für ein Haus war.

      »Türk­hei­mer muss schau­der­haft viel Geld ha­ben«, be­merk­te er. Kaf­lisch hüll­te sich in Rauch­wol­ken.

      »Na, es geht«, sag­te er. »Was er der Re­gie­rung von Pu­er­to Vergo­gna nicht ab­ge­ge­ben hat, das hat er selbst be­hal­ten.«

      »Pu­er­to Vergo­gna?« frag­te An­dre­as.

      »Die lie­be Un­schuld! Soll ich Ih­nen was zu Ge­fal­len tun? Ich will Türk­hei­mer bei nächs­ter Ge­le­gen­heit er­zäh­len, Sie hät­ten sein Ge­schäft mit Pu­er­to Vergo­gna nicht ge­kannt. Das wird ihm un­end­lich wohl­tun, denn so ei­nem ist er noch nicht be­geg­net.«

      »Na­tür­lich«, log An­dre­as, »habe ich da­von ge­hört. Aber die Ein­zel­hei­ten habe ich nicht ganz be­grif­fen.«

      »Ist auch nicht so leicht, wie Sie glau­ben. Man­cher be­greift’s nie. Türk­hei­mer ist eben ein großer Mann, das ist al­les. Stel­len Sie sich mal vor, dass Türk­hei­mer mit dem Prä­si­den­ten oder Dik­ta­tor der Re­pu­blik Pu­er­to Vergo­gna, der üb­ri­gens ein aus­ge­bro­che­ner Sträf­ling sein soll, da­hin über­ein­kommt, das schö­ne war­me Länd­chen mit Ei­sen­bah­nen zu be­glücken. Der Prä­si­dent macht Türk­hei­mer zu sei­nem Ge­ne­ral­kon­sul und er­teilt ihm die Kon­zes­si­on, Lose aus­zu­ge­ben. Die­se wur­den an der Ber­li­ner Bör­se nicht zur Quo­tie­rung zu­ge­las­sen. (Türk­hei­mer hat­te da­mals noch kei­nen Hochs­tet­ten zum Schwie­ger­sohn. Merk­wür­dig, wie weit wir es im Schutz der Dum­men ge­bracht ha­ben!) Aber in Wien ließ die Re­gie­rung mit sich re­den. Na, Deutsch­land war doch der Haupt­ab­neh­mer der Stra­das fer­ra­das de Pu­er­to Vergo­gna. Das deut­sche Pub­li­kum hat nun mal ’ne rüh­ren­de Vor­lie­be für wohl­klin­gen­de Wert­pa­pie­re. Die ers­ten Prä­mi­en und Tref­fer sol­len von der tro­pi­schen Re­pu­blik so­gar aus­be­zahlt wor­den sein. Aber als der Prä­si­dent von dem Er­trag der Emis­si­on, der auf sieb­zig Mil­lio­nen ge­schätzt wur­de,

Скачать книгу