Im Schlaraffenland. Heinrich Mann

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Im Schlaraffenland - Heinrich Mann

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der Kirch­weih in den Dör­fern bei Gum­plach bes­ser tan­ze. Doch fie­len ihm die an­mu­ti­gen Be­we­gun­gen der jun­gen Frau auf, die Kaf­lisch vom »Nacht­ku­ri­er« ihm als die Gat­tin des Herrn Blosch be­zeich­net hat­te. Er sah sie mit ih­rem Man­ne tan­zen und er­staun­te dar­über, wie sie es fer­tig­brin­ge, den Plump­sack im Takt zu er­hal­ten. Aber er hat­te was Gut­mü­ti­ges, er freu­te sich ge­wiss, ihr ge­fäl­lig zu sein. Sie sah wahr­haf­tig aus, als ob sie hier bloß ihn ge­kannt hät­te, so fremd und schüch­tern, mit ih­rem schlich­ten graublon­den Haar und ih­rem zwei Fin­ger breit aus­ge­schnit­te­nen Kleid­chen!

      An­dre­as er­in­ner­te sich, dass Kaf­lisch ihm ge­ra­ten habe, er sol­le sich von Klemp­ner et­was über Frau Blosch er­zäh­len las­sen. Klemp­ner fuhr noch im­mer fort, im An­schluss an Clau­di­us Mer­tens’ Wer­ke über Kunst und Ge­sell­schaft zu per­o­rie­ren. An­dre­as un­ter­brach ihn mit der Fra­ge:

      »Herr und Frau Blosch sind wohl jung ver­hei­ra­tet?«

      Klemp­ners Red­se­lig­keit warf sich eif­rig auf das neue Ka­pi­tel.

      »Weil sie zu­sam­men tan­zen? Oh, die kön­nen un­ter vier Au­gen acht­zig Jah­re alt wer­den und sind doch nie län­ger als vier Wo­chen ver­hei­ra­tet ge­we­sen. Die Ehe Blosch, soll ich Ih­nen sa­gen, was die ist? Nun wohl, sie ist ein Veil­chen un­ter Klat­schro­sen und ein Idyll im Schwur­ge­richts­saal. Wis­sen Sie, wer Blosch ist?«

      An­dre­as ver­nein­te.

      »Ih­nen ge­hen die Grund­be­grif­fe ab, neh­men Sie’s nicht übel. Blosch ist ei­ner der ver­ru­fens­ten Spe­ku­lan­ten an der gan­zen Bör­se, er ist Türk­hei­mers ver­damm­te See­le. Er nimmt die Prak­ti­ken auf sich, die das alte und vor­neh­me Haus Türk­hei­mer nicht ohne Skan­dal auf ei­ge­ne Rech­nung aus­füh­ren kann. Türk­hei­mer weiß sei­ne Dis­kre­ti­on so gut zu schät­zen, dass er dem Blosch durch­schnitt­lich fünf­zig­tau­send Mark im Jahr zu ver­die­nen gibt. Trau­en Sie jetzt ei­nem Man­ne wie Blosch so ’n Ding zu, das man ein from­mes Ge­müt nennt? Nun hö­ren Sie mal!

      Vor bei­läu­fig fünf Jah­ren will Türk­hei­mer mit ei­nem sei­ner Op­fer, ir­gend­wo in der Pro­vinz, li­qui­die­ren und schickt Blosch hin. Es han­del­te sich um einen klei­nen In­dus­tri­el­len, der sich kin­disch ge­freut hat­te, sich mit dem be­rühm­ten Bank­haus Türk­hei­mer an ei­ner Ter­ra­in­spe­ku­la­ti­on be­tei­li­gen zu dür­fen. Um die fei­ne Ge­le­gen­heit nicht zu ver­pas­sen, hat­te der Mann sei­ne Fa­brik mit Hy­po­the­ken über und über be­las­tet, sei­nen An­teil an den Ter­rains halb be­zahlt und den Rest von Türk­hei­mer kre­di­tiert be­kom­men. Die Ter­rains wa­ren ge­stie­gen, und Türk­hei­mer hat­te sich be­eilt, sei­nem Part­ner den Kre­dit zu kün­di­gen. Er brauch­te bloß noch die Li­qui­da­ti­on ab­zu­war­ten und dem Man­ne sei­nen An­teil an den Ter­rains für ein But­ter­brot ab­zu­neh­men. Das Ge­schäft war so klar, dass man es in al­ler Freund­schaft ab­ma­chen konn­te. Blosch kommt also mit den bes­ten Ab­sich­ten an­ge­reist, macht sich auf eine Gläu­bi­ger­ver­samm­lung ge­fasst und hat nichts ge­gen einen güt­li­chen Aus­gleich, vor­aus­ge­setzt, dass Türk­hei­mer die Ter­rains zu­fal­len. Statt des­sen er­fährt er, dass der Mann wirk­lich ein­fach Plei­te macht, aber ich sage Ih­nen, eine Plei­te, so ehr­lich, wie kein Mensch es für mög­lich hält. Es war rüh­rend, er hat­te so­gar die Schmuck­sa­chen sei­ner Toch­ter mit zur Mas­se ge­schla­gen.

      Ob Blosch nun aus der Un­ter­re­dung mit dem Man­ne ir­gend­ei­ne in­ne­re Er­schüt­te­rung da­von­ge­tra­gen hat­te? Wer weiß es? Ich ken­ne aber den un­heim­li­chen Elan der Ge­schäfts­leu­te län­ger als Sie, und ich ver­si­che­re Sie, die Gut­mü­tig­keit die­ser Leu­te ist mit ih­ren Raub­tier­in­stink­ten ge­ra­de so ver­quickt wie ihre all­ge­mein mensch­li­che Dumm­heit mit ih­rer ge­schäft­li­chen Schlau­heit. Ein­mal im Le­ben kann ein Blosch einen sen­ti­men­ta­len Streich be­ge­hen, und da ein Blosch im­mer Glück hat, so be­kommt ihm auch der recht gut.

      Ge­nug, als Blosch sein Op­fer nach der ihn durch­aus ver­blüf­fen­den Un­ter­re­dung ver­lässt, sieht er im Vor­zim­mer, wo kaum noch Mö­bel ste­hen, die Toch­ter am Fens­ter sit­zen. Gleich dar­auf tritt er wie­der bei dem Bank­rot­tie­rer ein, zupft sich den Schnurr­bart und sagt leicht ver­le­gen:

      ›Herr Mül­ler, es tut mir leid, wenn ich Ih­nen läs­tig fal­le, aber ich muss Ih­nen et­was sa­gen, dass Sie mich näm­lich glück­lich ma­chen könn­ten, wenn Sie mir die Hand Ih­rer Toch­ter ge­ben wol­len.‹

      Der rui­nier­te Mann, der plötz­lich für sei­ne Toch­ter einen Mil­lio­när vom Him­mel fal­len sieht, greift sich an die Stirn, dann kom­men ihm die Trä­nen, und dann fällt er vor sei­nem Ret­ter auf die Knie. Stel­len Sie sich die Sze­ne auf der Büh­ne vor! Ein Lecker­bis­sen, was?«

      »Er­staun­lich!« sag­te An­dre­as.

      »Und Sie müs­sen wis­sen, dass es Türk­hei­mers aus­ge­spro­che­ne Ab­sicht war, Blosch mit Asta zu ver­hei­ra­ten und ihn in die Fir­ma auf­zu­neh­men!«

      »Er­staun­lich!« wie­der­hol­te An­dre­as. »Und Blosch ist glück­lich mit sei­ner Frau?« frag­te er.

      »Noch bes­ser!« sag­te Klemp­ner, »er hat sie noch nie be­tro­gen. Eine Mus­ter­ehe, sage ich Ih­nen, wie sie nur in Krei­sen vor­kom­men kann, wo die Ehe ei­gent­lich als vor­sint­flut­li­che Ein­rich­tung gilt!«

      An­dre­as hät­te Klemp­ner gern noch lan­ge so fort­re­den las­sen. Er blick­te von der Schwel­le, wo sie stan­den, mit ei­nem un­be­stimm­ten Ban­gen in den Tanz­saal hin­ein. Es kam ihm vor, als ob hier eine Ge­fahr laue­re, die den gan­zen Er­folg sei­nes Abends in Fra­ge stel­len kön­ne.

      »Wenn man mich zwän­ge, ei­nes von die­sen vie­len tanz­lus­ti­gen jun­gen Mäd­chen auf­zu­for­dern«, so sag­te er sich, »was soll­te ich mit ihr an­fan­gen, was wür­de dann pas­sie­ren?«

      Die ma­ge­ren un­ter den jun­gen Mäd­chen wa­ren nur we­nig aus­ge­schnit­ten, die di­cke­ren be­trächt­lich wei­ter. Ihre Ge­sich­ter wa­ren meis­tens keck, ihr Lä­cheln nicht im­mer an­mu­tig, aber aus­nahms­los recht auf­ge­weckt. Sie schie­nen An­dre­as prä­ten­ti­ös wie Prin­zes­sin­nen und kri­tisch wie Gas­sen­jun­gen. Wie das klei­ne un­schein­ba­re We­sen dort dem ge­wich­ti­gen, reich aus­se­hen­den Herrn mit den X-Bei­nen doch so rück­sichts­los ins Ge­sicht lach­te!

      An­dre­as hat­te das si­che­re Ge­fühl, dass er bei den jun­gen Mäd­chen gar nichts zu su­chen habe. Er be­trach­te­te sie, wie sie in ei­ner re­gen­bo­gen­far­be­nen Rei­he bei­ein­an­der sa­ßen und sich ganz un­ver­hoh­len über die Män­ner lus­tig mach­ten, und er nann­te sie »Pu­ten«. Aber es wa­ren ihm un­heim­li­che We­sen. Wenn er hier je­mals sein Glück mach­te, so konn­te es nur mit Hil­fe je­ner rei­fen Frau­en ge­sche­hen, die durch eine rei­che­re Er­fah­rung gü­tig und nach­sich­tig ge­macht wa­ren und die ver­trau­ens­vol­le Hin­ge­bung ei­nes jun­gen Man­nes zu schät­zen wuss­ten. »Für ein jun­ges Mäd­chen bin ich zu naiv«, so über­leg­te An­dre­as aus­drück­lich.

      Er

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