Im Schlaraffenland. Heinrich Mann

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Im Schlaraffenland - Heinrich Mann

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wie­gen­der Gang ge­fiel An­dre­as noch bes­ser als ihre müde Ruhe in dem Ses­sel, wo er sie zu­erst ge­se­hen hat­te. Ihre Büs­te und die voll­kom­men run­de Tail­le kam so bes­ser zur Gel­tung, dazu fand er die Hal­tung ih­res Kop­fes, mit dem schwe­ren Helm schwar­zer Haa­re über der en­gen Stirn, ge­ra­de­zu fas­zi­nie­rend, un­ge­ach­tet des zu kur­z­en Hal­ses. Er ver­beug­te sich ehr­furchts­voll.

      »Ah, da fin­det man Sie wie­der, Herr Zum­see!« sag­te sie; flüch­tig und wie zu­fäl­lig blieb sie vor ihm ste­hen.

      Klemp­ner, der noch im­mer sprach, hör­te plötz­lich mit­ten im Wort auf. Er re­de­te einen vor­über­ge­hen­den jun­gen Mann an und ent­fern­te sich mit ei­ner Dis­kre­ti­on, die er sich Mühe gab mer­ken zu las­sen.

      An­dre­as be­ach­te­te, dass Frau Türk­hei­mer sei­nen Na­men be­hal­ten habe.

      »Sie ha­ben noch nicht ge­tanzt?« frag­te sie ihn.

      »Noch nicht, gnä­di­ge Frau.«

      »Nein, die­se jun­gen Leu­te! Aber warum denn nicht?«

      An­dre­as fuhr fort, ihr in die Au­gen zu se­hen, aber er wur­de rot. Wie dumm, eine Lüge zu er­fin­den, die sie schon hun­dert­mal von an­de­ren ge­hört ha­ben muss­te. Wür­de es nicht einen viel güns­ti­ge­ren Ein­druck ma­chen, wenn er ein­fach zu­gab: »Ich bin schüch­tern«?

      »Gnä­di­ge Frau wer­den mich aus­la­chen«, be­gann er.

      »Nun?« Frau Türk­hei­mer lä­chel­te auf­for­dernd.

      »Ich habe näm­lich in Ber­lin noch nie ge­tanzt«, sag­te An­dre­as mit blin­der Ent­schlos­sen­heit, »und gnä­di­ge Frau müs­sen wis­sen, dass ich noch nicht zwei Wor­te mit ei­nem Ber­li­ner jun­gen Mäd­chen ge­wech­selt habe.«

      Er be­kam einen leich­ten Fä­cher­schlag auf den Arm.

      »Sie fürch­ten sich, ge­ste­hen Sie es nur!« sag­te Adel­heid.

      »Was ist da zu ge­ste­hen?« er­klär­te er seuf­zend. »Kön­nen gnä­di­ge Frau sich vor­stel­len, was ich ei­ner von die­sen jun­gen Da­men noch zu sa­gen hät­te, nach­dem ich das große Glück ge­habt habe, von Ih­nen, gnä­di­ge Frau, so gü­ti­ger Wor­te ge­wür­digt zu wer­den?«

      Sie lä­chel­te wie­der, ein we­nig nach­denk­lich. Sei­ne klei­ne Rede, die dies­mal im­pro­vi­siert war, schi­en sie aber­mals et­was un­ge­wöhn­lich und nicht ganz übel zu fin­den. Ihr Fä­cher war schon zu ei­nem neu­en Schla­ge er­ho­ben, senk­te sich je­doch wie­der. Sie nick­te dem jun­gen Man­ne schnell und freund­lich zu und sag­te im Wei­ter­ge­hen:

      »Also un­ter­hal­ten Sie sich gut! Auf Wie­der­se­hen!«

      Kaf­lisch vom »Nacht­ku­ri­er«, der plötz­lich ne­ben An­dre­as stand und ihm die in ele­gan­tem Bo­gen er­ho­be­ne Hand reich­te, muss­te der Sze­ne zu­ge­se­hen ha­ben. Er schob sein schlau grin­sen­des Ge­sicht dicht un­ter An­dre­as’ Nase, um zu be­mer­ken:

      »Sie Schä­ker!«

      »Es war­ten üb­ri­gens noch mehr schö­ne Au­gen auf Sie«, setz­te er hin­zu, in­dem er den Arm des jun­gen Man­nes er­griff. »Der Frau Mohr muss ich Sie vor­stel­len, Sie hat nach Ih­nen ge­fragt.«

      Ehe An­dre­as sich zu sträu­ben ver­moch­te, be­fand er sich ei­ner hüb­schen Frau ge­gen­über, die zwi­schen Ball­müt­tern in ei­nem nied­ri­gen Sofa lehn­te. Sie trug eine dun­kel­vio­let­te Sei­de, die auch ei­ner äl­te­ren Dame an­ge­stan­den hät­te. Ihr vol­les brau­nes Haar war sehr schlicht ge­ord­net. Sie hielt kein Lor­gnon in der Hand, was An­dre­as be­ru­hig­te, und sie er­wi­der­te sei­ne Ver­beu­gung mit ei­nem rei­zend gü­ti­gen, fast müt­ter­li­chen Lä­cheln. Ihr We­sen hat­te et­was un­ge­mein Fried­li­ches, von Ei­tel­kei­ten und Lei­den­schaf­ten un­be­rühr­tes. Sie bot das Bild ei­ner an­stän­di­gen Frau, die ge­ra­de in ein ge­wis­ses Al­ter ein­tritt.

      »Ah, Herr Zum­see«, sag­te sie, »ich muss Ih­nen dan­ken, Sie ha­ben mir eine sehr freund­li­che Stun­de be­rei­tet. Ihr Bei­trag in der ›Neu­zeit‹ …«

      An­dre­as trau­te sei­nen Ohren nicht, Frau Mohr hat­te sein Ge­dicht im Bei­blatt des »Nacht­ku­ri­er« ge­le­sen. Oder hat­te nur Kaf­lisch, der so ab­scheu­lich grins­te, sie da­von un­ter­rich­tet? Man wuss­te hier ja nie, was man glau­ben durf­te. Er stam­mel­te ei­ni­ge Dan­kes­wor­te. Ne­ben ih­nen be­gan­nen meh­re­re Paa­re zu wal­zen. An­dre­as fühl­te sich ver­pflich­tet, Frau Mohr zu bit­ten.

      »Ich tan­ze ei­gent­lich nicht«, ver­setz­te sie, in­dem sie sich er­hob.

      An­dre­as glaub­te, ein recht gu­ter Tän­zer zu sein, aber er be­fand sich auf frem­dem Ter­rain. Das Par­kett war zu glatt und die Schlep­pe zu lang. Als er sei­ne Dame auf ih­ren Platz zu­rück­ge­lei­te­te, sah er sich be­schämt. Bei zwei Run­den un­ter dem Kron­leuch­ter war er drei­mal aus dem Takt ge­kom­men. Frau Mohr blieb den­noch ganz er­staun­lich lie­bens­wür­dig, An­dre­as konn­te sich nicht frü­her von ihr ver­ab­schie­den, als bis eine Dame sie in die Un­ter­hal­tung zog.

      Kaf­lisch, der ihn er­war­tet hat­te, er­griff so­gleich wie­der von ihm Be­sitz. Da An­dre­as plötz­lich eine Art von Berühmt­heit er­langt hat­te, be­nutz­te Kaf­lisch gern ihre alte Freund­schaft, um sich mit ihm zu zei­gen.

      »Was woll­te denn die Frau Mohr?« frag­te An­dre­as un­will­kür­lich. Das ein­schmei­cheln­de Be­neh­men der hüb­schen Frau be­un­ru­hig­te ihn tief. Er fühl­te sich um­wor­ben und glaub­te, mit sei­ner Gunst spar­sam sein zu müs­sen. Frau Türk­hei­mer muss­te der Über­zeu­gung blei­ben, dass sie die ein­zi­ge sei, der er zu hul­di­gen wünsch­te.

      Kaf­lisch grins­te.

      »Glau­ben Sie, dass das Ih­nen gilt? Nur nicht ängst­lich, mein Bes­ter. Die Mohr macht nur der schö­nen Haus­frau den Hof. Sie sind der neue Günst­ling, also muss Frau Mohr Ihre Freun­din sein.«

      »Wa­rum denn?« frag­te An­dre­as, nun doch ein we­nig ent­täuscht.

      »Sie ist ’ne nach­sich­ti­ge Frau, wis­sen­se. Sie nimmt Adel­heid ihre Schwä­chen nicht übel. Un­ter Frau­en, von de­nen jede ihre Schwä­chen hat, ist das manch­mal so. Man grün­det ein Kon­sor­ti­um be­hufs ge­gen­sei­ti­ger Ver­si­che­rung des gu­ten Ru­fes. Ver­stehn­se mich, sehr ge­ehr­ter Herr?«

      »Frau Mohr macht so ’nen an­stän­di­gen Ein­druck«, be­merk­te An­dre­as. Kaf­lisch er­klär­te:

      »Tut sie auch. Und sie hat auch ’ne förm­li­che Lei­den­schaft für An­stän­dig­keit, wenn sie nur nicht Geld brauch­te! Sehn Sie mal, un­ter al­len de­nen, die hier her­um­wim­meln, kann ihr kein ein­zi­ger was zu sei­nem ei­ge­nen Vor­teil nach­sa­gen. Was sie braucht, holt sie sich aus an­de­ren Krei­sen, no­ble Frem­de

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