Im Schlaraffenland. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Im Schlaraffenland - Heinrich Mann страница 5
»Sie vergessen die Literatur.«
»Durchaus nicht. Ich habe gesagt: das Theater, und eine andere Literatur gibt es bei uns nicht.«
Andreas nahm eine überlegene Miene an, denn er ertappte Köpf auf dem Ärger eines, der keinen Erfolg hat.
»Sie selbst schreiben doch wohl Romane?«
»Oh!« machte der andere mit gespitzten Lippen. »Reden wir lieber nicht davon. Ich schreibe für meinen Privatbedarf, es fällt mir nicht ein, das Unglück eines armen Verlegers herbeiführen zu wollen, der mir nie etwas zuleide getan hat und der etwa auf meine Werke hineinfiele.«
»Atem holen!« dachte Andreas, dem es Spaß machte, Köpfs Schwache zu beobachten.
»Inmitten eines Volkes«, fuhr dieser fort, »das durch alle Prügel der Welt nicht dazu bewogen werden könnte, ein Buch in die Hand zu nehmen, werden Sie also am besten tun, sich an das Theater zu halten.«
»Aber ich habe noch kein einziges Stück geschrieben!«
»Ist auch gar nicht nötig«, versicherte Köpf leichthin. »Das Theater hat zweifellos auch eine literarische Seite, aber die gesellige ist wichtiger. Beim Theater hat man es stets mit Menschen zu tun, in der eigentlichen Literatur doch schließlich nur mit Büchern. In der eigentlichen Literatur braucht man eine Menge Ernst, Abgeschlossenheit und Rücksichtslosigkeit; alles Eigenschaften, die beim Theater nur schaden können. Hier kommt es vor allem auf die gesellschaftlichen Verbindungen an. Sie aber, mein Lieber, sind ein Gesellschaftsmensch. – Soll ich Ihnen sagen, welches sichere Zeichen ich hierfür habe?«
»Bitte!«
»Man hat Sie im ›Café Hurra‹ nicht ernst genommen.«
Köpf sah mit seinem harmlosen Lächeln zu, wie Andreas zusammenzuckte.
»Seien Sie nicht böse!« bat er darauf. »Ich werde Ihnen dafür noch manches Schmeichelhafte zu sagen haben. Was Ihre Freunde im ›Café Hurra‹ betrifft: hat Pohlatz Ihnen jemals Grobheiten gesagt?«
»Nein, warum denn?«
»Nun, sehen Sie wohl. Wenn er Sie ernst genommen hätte, würden Sie alle Tage etwas an den Kopf bekommen haben. Sie glauben nicht, wie fein die Witterung dieser Leute ist, sobald sich ein Konkurrent blicken lässt. Sie, mein Lieber, sind keiner. Man hat gleich erkannt, dass Sie eine viel zu heitere, offene Natur sind, um sich mit Ingrimm und Püffen durch Literatur und Presse hindurchzuschlagen.«
»Ich glaube beinahe selbst«, bemerkte Andreas, der sich bemühte, blasiert auszusehen.
»Sie haben so etwas Glückliches an sich, das Sie beim Theater, das heißt in der Gesellschaft, ungemein rasch fördern wird. Man braucht dort nämlich nur glücklich zu erscheinen, um es sehr bald wirklich zu werden. Auch Ihre Harmlosigkeit, oder sagen wir, wenn Sie es lieber hören, Ihre scheinbare Harmlosigkeit wird Ihnen dort gut zustatten kommen. Man wird Sie in den reichen Salons ebensowenig ernst nehmen wie im ›Café Hurra‹, und es ist für Ihren Erfolg besonders wichtig, dass die Frauen Sie nicht ernst nehmen! Diese werden alles mögliche, was sie anderen nicht bewilligen würden, bei Ihnen für harmlos und ungefährlich halten. Sie sind dafür geschaffen, viel Glück bei den Frauen zu haben, mein Lieber!«
Diesmal blickte Andreas den anderen mit offenem Argwohn an. Aber aus Köpfs freundlichem Gesicht, das allerdings eine verdächtig spitze Nase zierte, war niemals klug zu werden. Für alle Fälle zeigte Andreas sich übellaunig, um nur nicht zuzugeben, dass er sich geschmeichelt fühle. Sein Glück bei Frauen, das er sich übrigens zutraute, schien ihm doch noch bewiesen werden zu müssen. Er gedachte der herben Enttäuschungen, die er dem Wäschermädchen und dem Büfettfräulein verdankte.
»Sie sagen mir eine Menge angenehme Dinge«, bemerkte er ziemlich trocken, »aber ich weiß noch immer nicht, wie Sie sich meine Karriere nun eigentlich denken. Was habe ich zu tun, wohin soll ich mich wenden?«
»Nehmen wir hinzu«, fuhr Köpf ohne zu antworten fort, »dass Sie als Rheinländer eine mehr heitere und ungezwungene Geselligkeit gewohnt sind. Inmitten der Furcht, sich lächerlich zu machen, die in Berlin Ursache aller Dummheit und Langeweile ist, werden Sie zunächst wohlwollend belächelt werden. Die Hauptsache ist, dass Sie auffallen.«
»Was habe ich zu tun, wohin soll ich mich wenden?« wiederholte Andreas ungeduldig.
»Wie? Das habe ich Ihnen noch nicht gesagt? Nun, ganz einfach: Sie gehen zum ›Nachtkurier‹, verlangen den Chefredakteur Doktor Bediener zu sprechen, und lässt er Sie vor, so gehen Sie nicht früher wieder weg, als bis er Ihnen unaufgefordert eine Empfehlung an Türkheimers gegeben hat.«
»Ah, Türkheimer! Das ist doch der mit Lizzi Laffé.«
»Sie kennen bereits die Verhältnisse?«
»Natürlich«, sagte Andreas stolz.
»Also Sie wissen Bescheid?« fragte Köpf, indem er dem jungen Manne zum Abschied die Hand schüttelte. »Unterrichten Sie mich doch vom Erfolge!«
Andreas versprach dies, fragte sich aber im geheimen, warum er alle die zweifelhaften Komplimente eigentlich angehört habe. Es konnte wohl sein, dass Köpf sich seit dem Augenblick, wo er ihn kennengelernt hatte, fortwährend über ihn lustig machte. Es war Andreas unmöglich, dies zu erfahren. Übrigens war es ja gleichgültig, sobald nur auch sonst niemand davon wusste. In seiner Lage, bei seinen mannigfachen inneren Zweifeln und der geringen Aussicht, es auf eine andere Weise zu etwas zu bringen, war es nun wohl das beste, Köpfs Rat blindlings zu befolgen. Er ging schon am nächsten Morgen, mit einem kalten Gefühl im Unterleibe, doch hocherhobenen Hauptes, zum Doktor Bediener.
III. Die deutsche Geisteskultur
Auf der Treppe, die er zur Redaktion des »Berliner Nachtkurier« hinaufstieg, blendete den jungen Mann der ganz neue und doch bereits arg besudelte Teppich. Alles im Hause war