Im Schlaraffenland. Heinrich Mann

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Im Schlaraffenland - Heinrich Mann

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Tage von dem Be­su­che bei Frau Türk­hei­mer ab.

      Mit dem Mute der Verzweif­lung schlug er end­lich den Weg in die Pots­da­mer Stra­ße ein. Er ging die Kö­ni­gin-Au­gus­ta-Stra­ße ent­lang und bog ent­schlos­sen in die Hil­de­brandt-Pri­vat­stra­ße ein, eine stil­le mit Sand be­streu­te Al­lee, die an bei­den En­den durch ein Git­ter ab­ge­schlos­sen war. Das Palais Türk­hei­mer fiel als das groß­ar­tigs­te un­ter den Ge­bäu­den je­dem Passan­ten auf. Es war in ei­nem deut­schen Re­naissance­stil er­baut, den man auf sei­ne Echt­heit nicht nä­her an­se­hen durf­te. An­dre­as schell­te an dem rei­chen bron­ze­nen Gar­ten­tor, und es öff­ne­te sich ohne das Er­schei­nen ei­nes Men­schen. Ein­sam wie der Mär­chen­prinz, der ein ver­wun­sche­nes Schloss er­obert, schritt der jun­ge Mann über eine Art von Bur­g­hof, be­trat eine ma­je­stä­ti­sche Freitrep­pe und stand vor der ele­gan­ten Glas­tür, die in die Wöl­bung des kunst­voll ge­mei­ßel­ten Por­tals von pro­fa­nen Hän­den ein­ge­fügt schi­en.

      Die Tür ging auf, doch der grün-sil­ber­ne La­kai, der An­dre­as ent­ge­gen­trat, be­saß die Macht, den mu­ti­gen Ero­be­rer von der Schwel­le sei­nes Pa­ra­die­ses zu­rück­zu­scheu­chen. Er sag­te, dass die gnä­di­ge Frau nicht zu Hau­se sei. Un­ter dem ers­ten Ein­druck die­ser Nach­richt übergab ihm der jun­ge Mann sei­ne Kar­te und das Bil­lett des Dok­tor Be­die­ner. Gleich dar­auf fiel ihm ein, dass er dies nicht hät­te tun sol­len. Er blick­te bleich vor Wut dem Die­ner in das un­ver­schäm­te Ge­sicht und stand im Be­grif­fe, einen Schlag hin­ein­zu­ver­set­zen. »Wenn es nicht mei­nem In­ter­es­se zu­wi­der­lie­fe«, sag­te er sich, »wür­de ich es tun. Üb­ri­gens kann ich ihm sei­ne Un­ver­schämt­heit nicht nach­wei­sen, sie ist ver­steckt wie im­mer bei sol­chen Men­schen.«

      Er ging mit der Last sei­ner ver­nich­te­ten Hoff­nung auf der Brust die Stra­ße zu Ende und be­fand sich am Tier­gar­ten. Zwei Stun­den lang trieb ihn sein ent­täusch­ter Ehr­geiz in den ent­laub­ten We­gen um­her. Er fühl­te sich so leer und ziel­los wie an dem Tage, als er mit dem »Café Hur­ra« zu bre­chen be­schloss. Aber in­zwi­schen hat­te er Schrit­te ge­tan, die nicht so leicht zu wie­der­ho­len wa­ren. Wenn nun der fre­che La­kai, der ihn wie einen stel­lung­su­chen­den Kan­di­da­ten ge­mus­tert hat­te, die Kar­te des Che­fre­dak­teurs nicht ab­gab?

      Aber schon am fol­gen­den Mor­gen er­hielt An­dre­as mit der Post eine Ein­la­dung zum Abend des zehn­ten No­vem­ber von Frau Adel­heid Türk­hei­mer.

      1 leich­ter, zwei­rei­hi­ger Her­ren­man­tel <<<

      An­dre­as Zum­see er­schi­en, weil er dies für vor­neh­mer hielt, sehr spät auf der Soi­ree in der Hil­de­brandt­stra­ße. An dem bron­ze­nen Gat­ter, das dies­mal weit auf­stand, stieß ein ma­je­stä­ti­scher Por­tier sei­nen Stab auf den Bo­den. An­dre­as blick­te ihm ins Ge­sicht, es drück­te aber nur im­po­san­te Käl­te aus. Der La­kai, der ihm sei­nen Man­tel ab­nahm, war zu­fäl­lig der­sel­be, den er kann­te. An­dre­as sah ihn nicht ein­mal an. »Du hast mich nicht hin­dern kön­nen, her­zu­kom­men«, dach­te er.

      Das Selbst­be­wusst­sein, mit dem er sei­nen Ein­tritt voll­führ­te, er­stick­te sei­ne ge­hei­me Ver­le­gen­heit, mach­te ihn aber auch un­vor­sich­tig. Als­bald stieß ihm ein klei­nes Un­glück zu. Ne­ben der Gar­de­ro­be lag ein Vor­zim­mer, das An­dre­as auf den ers­ten Blick für leer hielt. Er be­trat es, ohne sich an­zu­kün­di­gen, aber schon nach zwei Schrit­ten stand er auf der Schlep­pe ei­nes Abend­man­tels. Es war ein Man­tel aus gel­ber Sei­de mit Bro­kat­sti­cke­rei, ge­füt­tert mit Sa­tin-Du­ches­se. Und An­dre­as konn­te sich nicht schnell ge­nug zu­rück­zie­hen, um nicht mehr zu be­mer­ken, dass die Be­sit­ze­rin des Man­tels von dem jun­gen Man­ne, der ihn ihr ab­nahm, einen Kuss emp­fing. Es war eine große star­ke Blon­di­ne, und das wü­ten­de Ge­sicht mit der auf­ge­stülp­ten Nase, das sie An­dre­as zu­wand­te, er­füll­te ihn mit sol­chem Schre­cken, dass er un­ter ge­stam­mel­ten Ent­schul­di­gun­gen recht kläg­lich bei­sei­te schlich.

      Gleich dar­auf, wie er die Trep­pe zum ers­ten Stock hin­an­stieg, fie­len ihm die geist­reichs­ten Wen­dun­gen ein, mit de­nen er sein Un­ge­schick hät­te gut­ma­chen kön­nen. Ganz zer­schla­gen von dem Be­wusst­sein, der Lage nicht ge­wach­sen ge­we­sen zu sein, ließ er sich durch zwei Säle von ei­nem Strom von Gäs­ten fort­zie­hen, der ihn an das Bü­fett führ­te. Im Ge­drän­ge stieß er ei­nem dis­tin­guiert aus­se­hen­den al­ten Herrn hef­tig ge­gen die Schul­ter und brach­te nicht ein­mal mehr ein Wort der Ab­bit­te her­vor, ganz ent­setzt über sein neu­es Miss­ge­schick. In­des sag­te der alte Herr ver­bind­lich »Par­don« und reich­te An­dre­as Tel­ler und Be­steck. Der arme jun­ge Mann ge­wahr­te jetzt die sei­de­nen St­rümp­fe des Haus­hof­meis­ters und wand­te sich mit blut­ro­tem Ge­sicht hin­weg.

      Vor ihm stan­den Kü­bel mit Sekt­fla­schen. Ein Die­ner war­te­te auf sei­nen Wink, um ihm ein­zu­schen­ken. Aber An­dre­as be­fürch­te­te, man möch­te ihm an­se­hen, dass er noch nie­mals Cham­pa­gner ge­nos­sen habe. Er woll­te einen Wein wäh­len, als man hin­ter ihm lach­te. Die ver­schie­de­nen De­mü­ti­gun­gen, die er in so kur­z­er Zeit er­lit­ten hat­te, brach­ten ihn au­ßer sich, er war im Be­grif­fe, sei­ne Zu­kunft durch einen Skan­dal zu ver­der­ben. Sehr bleich dreh­te er sich nach zwei Her­ren in sei­ner Nach­bar­schaft um, er war ent­schlos­sen, den ers­ten, der ihn schief an­zu­se­hen wag­te, zu ohr­fei­gen. Als die bei­den je­doch sein Ge­sicht be­merk­ten, schie­nen sie es gar nicht ge­we­sen zu sein. Der eine von ih­nen sprach An­dre­as an, und auch das stärks­te Miss­trau­en konn­te in sei­ner Stim­me nur ru­hi­ge Höf­lich­keit ent­de­cken.

      »Ich rate Ih­nen zu dem Cha­b­lis dort«, sag­te er. »Es ist das Feins­te, was hier zu ha­ben ist.«

      An­dre­as dank­te und trank mit wie­der­ge­won­ne­ner Fas­sung meh­re­re Glä­ser. Da der Wein in einen nüch­ter­nen Ma­gen ge­lang­te, brach­te er bald die freund­lichs­te Wir­kung her­vor. Als An­dre­as den letz­ten Trop­fen ge­trun­ken hat­te, tri­um­phier­te er. »Die bei­den Job­ber ha­ben vor mei­nem Ge­sicht Furcht ge­habt«, sag­te er sich.

      Er emp­fand das Be­dürf­nis, zu spre­chen; man schi­en sich hier ja un­be­kann­ter­wei­se an­zu­re­den.

      »Da ist ja Kaf­lisch!« rief er plötz­lich, als be­grüß­te er einen lan­ge ver­miss­ten Freund. Der Jour­na­list zeig­te sich am Arm ei­nes kor­pu­len­ten Herrn mit kur­z­em schwar­zen Spitz­bart, schwe­ren Li­dern und von dem Aus­se­hen ei­ner be­deu­ten­den Per­sön­lich­keit. An­dre­as mein­te ihn zu er­ken­nen.

      Kaf­lisch mus­ter­te den Fremd­ling. Als er ihn in sei­nem Ge­dächt­nis un­ter­ge­bracht hat­te, schüt­tel­te er ihm die Hand.

      »Freut mich, Sie wie­der­zu­se­hen. Nu sehn­se­woll, wie ’ne Emp­feh­lung von un­ser’m Al­ten hier wirkt?«

      »Fa­mos!« sag­te An­dre­as. Er fühl­te sich un­ter­neh­mungs­lus­tig. Er er­kun­dig­te sich:

      »Wis­sen

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