Im Schlaraffenland. Heinrich Mann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Im Schlaraffenland - Heinrich Mann страница 8
»Die gesellschaftlichen Verbindungen«, sagte Doktor Bediener, »betrachte ich, wie gesagt, als eine Hauptsache. Ich bin auch gern bereit, Ihnen den Anfang zu erleichtern. Warten Sie, ich werde Sie an ein Haus empfehlen, wo die aussichtsreichen Talente stets mit Wohlwollen aufgenommen werden. Die Hausfrau sammelt die Blüte unserer kunstsinnigen Gesellschaft um sich, Sie werden einflussreichen Leuten begegnen. Profitieren Sie von dem Ton, der bei Türkheimers herrscht, lieber Freund!«
Damit übergab er Andreas die Visitenkarte, die er während des Sprechens mit ein paar Zeilen beschrieben hatte. Der junge Mann sprang auf. In dem Stolz, den er über die Erreichung seines Zieles empfand, steckte er den kostbaren Umschlag so flüchtig in die Brusttasche, als käme es ihm gar nicht darauf an. Dieser Zug mochte den Beifall des Chefredakteurs finden, der die Hand auf Andreas’ Schulter legte und ihn sehr freundlich zur Tür geleitete. Im Vorzimmer konnte jedermann hören, wie Doktor Bediener zu dem sich Verabschiedenden sagte:
»Auf Wiedersehen, lieber Freund!«
»Merkwürdig«, dachte Andreas, der blind vor Glück die Treppe hinabeilte, »ich meinte schon, es ganz mit ihm verdorben zu haben, und jetzt bin ich gar sein lieber Freund, wie Schmücke und Pohlatz. Nur nicht ängstlich!« sagte er sich triumphierend, aber auf dem Treppenabsatz rannte er mit einem heraufstürmenden Menschen so heftig zusammen, dass beide sich aneinanderklammern mussten, um nicht umzufallen.
»Warum sagen Sie das nicht gleich?« versetzte der Fremde, während sie sich umarmt hielten. Dann hob er die Blume auf, die seinem Knopfloch entglitten war.
Trotz ihrer stürmischen Begegnung empfing Andreas einen günstigen Eindruck von dem anderen. Es war ein mittelgroßer, untersetzter junger Mann, der einen Zylinder trug. Seine Kleidung war ziemlich elegant, von einer Allerweltseleganz, die nirgends auffallen konnte. Sein Gesicht zeigte ebenfalls nichts Hervorstechendes, er konnte einen mit seinem forschenden Hundeblick ansehen und einem gerade unter der Nase umherschnüffeln, ohne dass man dies unverschämt fand. Er hatte etwas so Heiteres und Gutmütiges an sich, dass man ihn gewiss anstandslos überall einließ, ihm alles mögliche anvertraute und dabei gar nicht auf ihn achtete. Was wäre für einen Reporter wünschenswerter? Schon wie er Andreas liebenswürdig beiseite schob, um sich Platz zu machen, war es deutlich, dass er überall durchkommen und alles erfahren musste, was er wollte, ohne auf Hindernisse zu treffen. So unpersönlich wie er aussah, war ein Zusammenstoß mit ihm eigentlich gar keiner.
Er stieg zwei Stufen höher, kam aber eilig zurück und sagte:
»Ach, Pardon, hörensemal! Da wir nun doch Bekanntschaft gemacht haben, können Sie mir vielleicht sagen, ob der Chef guter Laune ist. Sie kommen doch vom Chef.«
»Ich war beim Doktor Bediener«, bestätigte Andreas.
»Können Sie mir sagen, was Sie da gemacht haben?« fragte der andere, und er schlug dabei einen so freundschaftlich zusprechenden Ton an, dass Andreas sofort die Überzeugung gewann, er könne im eigenen Interesse nichts Besseres tun, als dem Fremden sagen, was er beim Doktor Bediener gemacht habe.
»Nun, ich war an den Chefredakteur empfohlen«, versetzte er.
»Aha, Sie sind wohl ein neuer Kollege. Sehr erfreut!«
Er schüttelte Andreas die Hand, verbeugte sich und sagte:
»Kaflisch, vom ›Nachtkurier‹.«
»Andreas Zumsee.«
»Volontär, was?«
»Doch nicht«, sagte Andreas stolz ablehnend, als habe er nie den Wunsch gehegt, als Hilfsarbeiter in die Redaktion einzutreten.
»Dann hat er Ihnen wohl die Mitarbeit an der ›Neuzeit‹ angeboten?«
Andreas sah den schlau lächelnden Journalisten an. Kaflisch nahm die Überraschung des Neulings für eine Antwort und fragte weiter:
»Sagensemal, hat er Sie auch an Türkheimers empfohlen?«
»Na, herzlichen Glückwunsch!« sagte er, als Andreas bejahte. »Ein feines Haus und ’ne schöne Frau.«
Er schmatzte dabei so stimmungsvoll, dass Andreas plötzlich allerlei dunkle Begierden empfand.
»Und besten Dank, sehr geehrter Herr. Wenn der Alte einen zu Türkheimers schickt, dann ist er unfehlbar guter Laune. Dann kann ich ihm mit meinen Geschichten kommen. Es ist ja ’n Elend, nie mehr als zehn Pfennige für die Zeile und dabei noch den Staat erhalten! Jetzt will ich vor den Gerichtsvollziehern nach Breslau flüchten, wissense, wo jetzt der Lustmordprozess anfängt. Bediener gibt mir die Berichterstattung, passense mal auf. Wenn er zu Ihnen so nett ist und Sie zu Türkheimers schickt, dann tut er mir auch ’ne Liebe. Na, Mahlzeit, und viel Vergnügen! Auf Wiedersehen!«
Er war schon droben im Vorzimmer verschwunden, als Andreas ihm noch nachschaute. Dieser Kaflisch befremdete ihn zwar etwas, aber sein Wesen war nicht gerade abstoßend. Er versöhnte mit seiner zudringlichen Neugier dadurch, dass er auch in seinen eigenen Angelegenheiten keine Diskretion kannte.
Auf der Straße wandte sich Andreas um und sah zur Fassade des Hauses empor, über die die Inschrift »Berliner Nachtkurier« in mächtigen Relieflettern quer hinüberlief. Der Augenblick schien ihm feierlich, er fühlte, dass hier die ihm vorgeschriebene Laufbahn begann.
Zu Hause ging er sofort an die Sichtung seiner Garderobe. Es hatte seine Schwierigkeit, einen passenden Visitenanzug zusammenzustellen, da jedes der hellen Beinkleider den einen oder anderen Mangel aufwies. Seufzend entschloss sich der arme junge Mann zu der Frackhose, die zusammen mit dem verunglückten schwarzen Rock schon dem Doktor Bediener unvorteilhaft aufgefallen war. Andreas hatte dies wohl bemerkt. Er besaß ein angeborenes Verständnis für gute Kleidung, das sich in Berlin rasch ausgebildet hatte. So oft er über die