Das Schweigen der Aare. André Schmutz

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Das Schweigen der Aare - André Schmutz

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      »Sie sind doch quasi unser Arzt hier auf der Wache. Ihre Kollegen nennen Sie nicht ohne Grund Doktor Trachsel.« Er hatte zwar die obligatorischen Samariter- und Reanimationskurse besucht. Mehr aber nicht. Das Zertifikat für den Reanimationskurs hatte er sogar verpasst, da er beim Schlusstest die geforderten 80 Prozent an richtigen Antworten mit 47 Prozent knapp verfehlt hatte. Von Arzt konnte keine Rede sein. Von Medizinbanause hingegen schon.

      »Ich soll der Dame also den Fuß untersuchen? Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie eng der Terminplan eines Dezernatsleiters aussieht? Ich stelle fest, Sie haben keinen blassen Schimmer, unter welchem Druck ich tagtäglich hier den Laden am Leben erhalte.«

      Die Arroganz von Trachsel erstaunte Lisa immer wieder von Neuem. Das Ausmaß an Selbstüberschätzung schien kaum mehr übertreffbar. Dennoch schaffte es Trachsel, sich diesbezüglich immer wieder auf eine neue unrühmliche Ebene zu hieven.

      »Natürlich ist mir klar, wie viel Sie zu tun haben. Ich bin gerade ein bisschen verzweifelt, weil ich mit meinem verletzten Fuß nicht einmal Fahrrad fahren kann und nicht weiß, an wen ich mich wenden soll.« Diese Worte hauchte Lisa förmlich über Trachsels Pult, nicht ohne dabei ihre Reize ins beste Licht zu rücken. Für einen Moment konnte Lisa ein lüsternes Flackern in seinen Augen erkennen, und Trachsels Zunge strich kurz über seine Lippen.

      Der Fisch hatte angebissen.

      »Ich bin einfach zu hilfsbereit. Wenn ich Sie hier jetzt verarzte, heißt es für mich wieder Überstunden schieben. Aber kommen Sie schon, zeigen Sie Ihr Pfötchen mal her.«

      Lisa humpelte zu seinem Schreibtisch und setzte sich direkt vor ihm auf den Tisch. Die plötzliche Nähe machte Trachsels Mund ganz trocken. Zufrieden stellte Lisa fest, dass bis jetzt alles nach Plan lief. Lisa hob nun leicht ihr rechtes Bein und hielt Trachsel ihren Fuß mit einem leidenden Blick direkt vor seine Nase. Trachsel seinerseits hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte – medizinisch gesehen. Diesen Verdacht hatte auch Lisa.

      »Können Sie sich bitte meinen Knöchel und das Sprunggelenk ansehen. Sie werden mir dann sicherlich sagen können, was am besten zu tun ist.« Um ihrer Aufforderung Nachdruck zu verleihen berührte Lisa mit ihrer großen Zehe ganz kurz die Nasenspitze von Trachsel. Genau in dem Augenblick, als er aufstand, um sich den Fuß doch anzusehen, ließ sich Lisa rücklings auf den Schreibtisch fallen. Sie lag nun auf Trachsels Schreibtisch, das rechte Bein in Richtung Trachsel ausgestreckt.

      »Herr Trachsel, bevor Sie mit der Untersuchung beginnen. Mir ist da gerade noch etwas anderes, Dringendes eingefallen. Morgen wird meine verstorbene Schwester auf der Rechtsmedizin eingesargt. Für mich wäre es sehr wichtig, dass ich sie noch einmal sehen und mich persönlich von ihr verabschieden kann. Ich habe diese Art, sich von einem Verstorbenen zu verabschieden, von meinen Eltern als Kind mitbekommen, und wir haben dies als Familie stets so gelebt. Meine Eltern konnten Siri heute Morgen nochmals sehen. Verstehen Sie mich?«

      Trachsel konnte nicht. Trachsel war inzwischen auf Betriebstemperatur und hatte seine eigenen, völlig andersartigen Ziele.

      »Können Sie mir eine entsprechende Bewilligung ausstellen, damit ich heute Abend oder morgen in der Früh nochmals zu meiner Schwester kann?«

      Im Grunde hatte Trachsel ganz und gar keine Lust, Lisa dieses Schreiben auszustellen. Eigentlich wäre dies eine perfekte Chance, um mich bei dieser arroganten Dame, zumindest ein erstes Mal, für die erlittene Schmach zu revanchieren, sinnierte Trachsel.

      Die Aussicht auf ein bevorstehendes Abenteuer, welches sich im Grunde pfannenfertig auf seinem Schreibtisch präsentierte, trübte Trachsels Sinne.

      »Also gut, ich unterschreibe Ihnen den Wisch. Das ist aber eine einmalige Ausnahme, die Sie ausschließlich meiner Gutmütigkeit und meinem Altruismus zu verdanken haben.«

      Lisa konnte ihr Glück kaum fassen. Sie war am Ziel. Fast.

      »Zuerst schauen wir uns aber das verletzte Füßchen an«, zwitscherte Trachsel und schnappte sich Lisas rechten Fuß. Bevor sich Trachsel weiter mit Lisas Bein beschäftigen konnte, war diese mit einem lauten Schmerzensschrei wie ein unter Spannung stehender Bogen aufgeschnellt und stand jetzt mit leidendem Blick direkt vor Trachsel.

      »Himmelherrgott, wie soll ich Sie so untersuchen? Sie müssen schon ein bisschen stillhalten«, wetterte Trachsel.

      »Es tut mir leid, aber der Fuß schmerzt schrecklich«, versuchte ihn Lisa zu beruhigen. Langsam begann sich bei ihr Panik breitzumachen. Sie hatte sich in eine ausweglose Situation geritten. Die Aussicht, was in den nächsten Minuten folgen konnte, wollte sich Lisa nicht weiter ausmalen. Ihr Hirn arbeitete fieberhaft.

      Trachsel setzte zu einem nächsten Untersuchungsversuch an. Er stieß die überraschte Lisa gleichzeitig an beide Schultern, sodass diese nach hinten auf die Schreibtischplatte kippte und dort unsanft mit dem Kopf aufschlug. Trachsel schien dies nicht zu bemerken, und wenn, dann ignorierte er es. Er war wie ein wilder Stier nur noch mit sich und seinen Trieben beschäftigt. Er nestelte ungelenk an seinem Polizeigurt. Exakt in dem Moment, als Trachsels Diensthose auf den sauber gescheuerten Linoleumboden hinunterrauschte, tauchte Zigerlis Kopf im Türrahmen von Trachsels Büro auf. Ihm bot sich ein filmreifes Bild. Eine attraktive Brünette in einem sexy Sportdress lag auf dem Rücken auf einem Schreibtisch. Dahinter befand sich ein Polizist in Diensthemd und Unterhosen, welcher gerade im Begriff war, über seine heruntergelassenen Hosen zu stolpern.

      »Entschuldigung, Herr Trachsel. Ich wollte Sie bloß kurz fragen, ob der Termin für mein Mitarbeitergespräch mit Ihnen morgen um 9 Uhr für Sie passt. Sie haben mir den Termin nämlich noch nicht bestätigt.« Ein besserer Vorwand war Zigerli nicht eingefallen.

      »Zigerli, Sie Vollidiot! Raus aus meinem Büro! Raus!« Es herrschte plötzlich dicke Luft.

      Unter entschuldigendem Gemurmel verschwand Zigerli so plötzlich, wie er aufgetaucht war. Lisa war inzwischen wieder vom Tisch aufgestanden. Ihr brummte noch leicht der Kopf, aber sie war unendlich froh über Zigerlis Kurzbesuch. Weshalb Zigerli genau im richtigen Moment als Erlöser auftauchte, war Lisa ein Rätsel, einen Verdacht hatte sie allerdings. Egal.

      Trachsel hatte seine Kleidung in der Zwischenzeit wieder den Dienstvorschriften angepasst – zumindest beinahe. Außer dem Zipfel seines hellblauen Diensthemdes, welcher keck aus dem noch immer offenen Hosenladen lugte, saß die Dienstmontur perfekt. Seine Abenteuerlust hingegen war am Boden.

      Statt ein erfolgreicher Racheengel, war er wieder der Blödmann. Es ging jetzt nur noch darum, ohne weiteren Gesichtsverlust aus der Sache rauszukommen. Einer seiner brillanten Einfälle würde ihn retten. Es kam aber kein Einfall – zumindest nicht von ihm.

      »Herr Trachsel, wenn Sie mir jetzt gleich die Bewilligung für die Rechtsmedizin ausstellen, bin ich in zwei Minuten weg und habe alles Geschehene für immer vergessen. Ich werde Thomas Zigerli bitten, mich in den Notfall eines der Berner Spitäler zu fahren.«

      »Und wenn Sie es sich morgen doch anders überlegen?«, entgegnete der zweifelnde Trachsel.

      »Bewilligung mit Unterschrift oder Anzeige wegen … Sie wissen was ich meine. Das ist mein Deal. Unverhandelbar.«

      Keine zehn Minuten später tauchte Lisa, frisch umgezogen, in Zigerlis Büro mit Sporttasche und unterschriebener Bewilligung für die Rechtsmedizin auf.

      »Thomas, kannst du mich sofort zur Rechtsmedizin fahren? In etwas mehr als einer Stunde machen die den Laden dicht. Ich muss um alles in der Welt vorher die Leiche meiner Schwester noch einmal sehen.«

      »Die

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