Der Stempelmörder. Torsten Schönberg
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Читать онлайн книгу Der Stempelmörder - Torsten Schönberg страница 5
Georg grinste. »Klar. Wenn die wüssten, was du alles auf dem Kerbholz hast, dann würden sie dich am Stephansdom aufhängen.«
»Erzähl doch keinen Schwachsinn. Lass uns lieber den ›Penner‹ loswerden. Ich hasse die Druckerschwärze an meinen Händen. Da kommt Luise. Die schnappen wir uns.«
Luise war Herberts Freundin und sie lief immer mit einer gehäkelten Klorolle auf dem Kopf herum. Es war ein Bild für die Götter, wenn die beiden Hand in Hand ihren Pudel ausführten. Herbert mit Helm, Luise mit Klorolle und der Köter mit einem pinkfarbenen Kleidchen. Luise arbeitete als Isabels Sprechstundenhilfe im Innsbrucker Hundesalon. Kennengelernt hatte sie Herbert an der Würstelbude am Schwedenplatz bei einer fettigen Käsekrainer mit süßem Senf.
Herbert gestand uns einmal, dass sein Helm sie tierisch anmachte. Ich glaubte eher, dass sie ein Auge auf Georg geworfen hatte. Da der Kärntner aber keine Tiroler mochte, machte sie sich gewiss an Herbert ran, um in Georgs Nähe bleiben zu können. Luise wohnte in einer dunklen Kellerwohnung auf der anderen Seite des Donaukanals in der Leopoldstadt.
Ich ging direkt auf sie zu und quatschte sie an, während Georg ein Foto von ihr und dem mitten in seinem Geschäft befindlichen Pudel machte. »Hey, Luise! Hast du schon gehört? Der Herbert ist jetzt Chef einer Soko im Männerwohnheim. Ein Irrer hat einen Frischling erstochen.«
»Juri, nicht schon wieder. Lasst mich doch in Ruhe. Herbert hat sich beschwert, weil er ständig für das Gackerl meines Hundes zahlen muss.«
»Dann pack das Gackerl doch ins Sackerl«, sagte Georg in seinem breitesten Kärntner Dialekt.
Luises Augen strahlten. Vermutlich wäre sie am liebsten mit ihm durchgebrannt. Währenddessen streichelte ich den Pudel.
Da zückte die Klorolle die Kohle und ich gab ihr zwei Ausgaben.
»Heute vier!«, sagte Georg.
»Warum vier? Kannst du mir sagen, was ich mit denen machen soll?«
Georg platzte der Kragen. »Lesen! Und richte Herbert aus, dass er sich nicht so anstellen soll, sonst darf er den kleinen Kerl im Knast besuchen. Du kannst ihm auch noch ausrichten, dass unser Zimmer für die Soko tabu ist. Sollte auch nur eine Schnüffelnase es betreten, dann werden wir das dem Hasil stecken. Und was der mit Pudeln macht, kannst du dir denken.«
Luises Augen strahlten nicht mehr.
Der Hasil war neben Wiens einzigem Pferdeschlachter, dem Dokupil, der am meisten gefürchtete Mann. Seine Spezialität waren Pudelmützen in allen möglichen Farben, Hauptpudelquelle die Hunde im Köterknast. Und da kam Isabel wieder ins Spiel. Sie scherte die Vierbeiner für Hasil, bis sie nackt waren.
Meine hübsche Tirolerin hatte früher als Hundefrisörin sogar internationale Preise gewonnen. Eines Tages hatte sie, angeblich ohne Absicht, dem Rauhaardackel des Innsbrucker Bürgermeisters die Kehle aufgeschlitzt und die Lizenz für ihren Hundepflegesalon »Fino« verloren. Dann der Absturz, die Flucht nach Wien, das Frauenwohnheim und schließlich das Männerwohnheim. Jetzt schnitt und pflegte sie die Köter im Hundeknast und belieferte den Strizzi-Hasil illegal mit Hundehaaren. Am absoluten Tiefpunkt angelangt, hatte sie mich kennengelernt.
Luise zahlte und steckte die vier Blättchen ein. »Ich muss jetzt weiter.« Sie warf Georg noch einen sehnsuchtsvollen Blick zu.
»Denk an den Hasil«, rief Georg ihr hinterher.
Der Morgen raste dahin. Wir konnten noch zwei weitere Hundebesitzerinnen erpressen. Eine im Bermudadreieck, dem Saufviertel von Wien, und dann noch eine, deren Hund ein Riesen-Gackerl vor die älteste Kirche Wiens legte, die Ruprechtskirche. Aber das Geld reichte hinten und vorne nicht. Wir brauchten dringend einen Job. Das Arbeitsmarktservice zahlte uns Piefke 5 viel zu wenig, um über die Runden zu kommen. Gegen Mittag fuhren wir mit der U 4 zur Kettenbrückengasse.
Die Station Kettenbrückengasse hat einen ganz besonderen Charme. Wenn du mal in Wien bist, dann musst du diesem schönen Fleckchen unbedingt einen Besuch abstatten. Es ist die Station der Drogensüchtigen und Obdachlosen, die hier ihre sozialen Kontakte pflegen und sich um den Verstand spritzen.
Die Süchtler waren gerade beim zweiten Frühstück. Ein Doppler Rotwein machte die Runde, Georg und ich nahmen einen kräftigen Schluck.
Unser Kollege Kovac lebte schon seit einem Jahr in diesem Umfeld. Als Teilnehmer an Tschuschen 6 stand er noch tiefer als wir in der Ausländer-Hierarchie. Er war Software-Entwickler und wurde täglich von Behörde zu Behörde geschickt, um alle Netzwerke in Ordnung zu bringen. Kovac wohnte im Favoritener Männerwohnheim ganz in der Nähe vom Reumannplatz. Er war ein lustiger und sympathischer Kerl, die Haare grau gelockt, ein großer Schnauzer über der Oberlippe und immer für einen Scherz zu haben. Leider hatte ihm ein Dealer vor ein paar Monaten Heroin schmackhaft gemacht. In letzter Zeit schluckte er Methadon.
Eine lästige Angewohnheit waren seine Schläge auf meine Schultern, so, als müsste er mit dieser Geste das Gesagte kräftig unterstreichen. »Juri, mein alter Freund. Was lese ich im ›Penner‹? Du hast wieder einen umgebracht? Wenn du so weitermachst, dann werden sie dich noch aufhängen. Alter Stempelmörder!« Im nächsten Moment schlug er zu und meine Schulter vibrierte.
Georg grinste. »Der Piefke hat den Skilehrer mit einem Küchenmesser kaltgemacht. Wie ein echter Profi.«
Wir mussten lachen. Der Doppler war schon halb leer.
Kovac sah mich an. »Juri, hast du ein paar Euro für einen alten Freund? Ich werd sie dir am Montag zurückgeben.« Am Montag war unser Tag bei der Favoritener Polizei.
»Kovac, alter Freund. Du weißt ganz genau, dass wir keine Kohle haben. Wenn ich die hätte, dann wärst du der Erste, dem ich was leihen würde.« Ich klopfte ihm auf die Schulter und lachte.
»Juri, mein einziger Piefkefreund, ich muss dich vor dem Paradeiser warnen. Bei dem ist was faul. Der stinkt. Ich habe im ›Penner‹ gelesen, dass er die Ermittlungen leitet. Letztes Jahr hatten wir einen ähnlichen Mordfall in unserem Männerwohnheim. Du weißt doch noch, als ihr für eine Nacht bei uns geschlafen habt. Der Typ hat jeden Einzelnen durch den Fleischwolf gedreht. Am Ende waren wir fix und fertig. Er hat eine ganz besondere Technik, Geständnisse zu erpressen, ihr werdet das noch merken. Also lass dich nicht von ihm erwischen.« Schon schlug er wieder zu und lachte.
Der Doppler war leer.
»Kovac, wir müssen weiter. Du weißt, das Käseblatt verkauft sich nicht von selbst. Georg ist heute hoch motiviert.« Wir wollten schon weiter, da zupfte unser Tschuschen-6-Kollege an meinem Hemd. »Kovac, ich habe keine Kohle. Wirklich!«
»Ist schon gut. Aber ich habe hier noch was für euch.« Er gab mir eine DVD.
»Was soll ich damit? Sind da Pornos drauf?«
Kovac nickte. »Ganz besondere, Juri.«
Georg schaute sich die runde Scheibe misstrauisch an. »Was ist das?«
Da endlich rückte Kovac mit der Sprache raus. »Ich hab was ganz Schreckliches …« Mitten im Satz entwich ihm ein lauter Rülpser. »… entdeckt. Das sind Mitschnitte eines Überwachungsvideos …« Er senkte den Kopf.
»Rede endlich, Kovac!«, fuhr ihn Georg an. Der Kärntner hatte keine Geduld.
»Das hab ich gestern in