Der Stempelmörder. Torsten Schönberg
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Читать онлайн книгу Der Stempelmörder - Torsten Schönberg страница 6
Unser Freund schaute uns ganz verstört an. »Oberinspektor Kleindienst in Frohsinn …« Wieder ein Rülpser.
Als ich diesen Namen hörte, klingelten bei mir die Alarmglocken, denn ich kannte den Oberinspektor nur zu gut.
»Da ist ein Kleingarten …«
Georg und ich wechselten skeptische Blicke. Meine Geduld hatte ebenfalls seine Grenzen. »Kovac, du stehst unter Drogen und redest wirres Zeug. Lass die Finger davon. Wenn Kleindienst erfährt, dass du in seinen Sachen herumwühlst, dann wird er nicht sehr glücklich sein.«
Georg nickte. »Das hört sich nach unnötigen Problemen an. Hör endlich mit dem Saufen und Kiffen auf.«
»Juri, wir müssen da was machen. Das geht so nicht.« Er stolperte. Wir konnten ihn gerade noch auffangen und setzten ihn auf eine Bank.
»Kovac wir müssen gehen. Pass auf dich auf. Wir sehen uns am Montag in Frohsinn.«
Er lachte bitter.
*
Gleich hinter der Station Kettenbrückengasse begann der Naschmarkt. Jeder Wienbesucher quetschte sich dort mindestens einmal quer durch. Lauter Marktstände mit Obst und Gemüse. Manchmal schienen mir die Früchte ein wenig zu groß, irgendwie mutiert. Die Touristen liebten die Standverkäufer, die ihnen alles Mögliche andrehten. Sie kreischten alle durcheinander. »Kebab, Kebab!« oder »Probieren Sie Äpfel, Paradeiser, Feigen …« oder was auch immer. Der Naschmarkt bestand aus zwei Reihen. Eine war für die Stände und die andere für Restaurants, ganz multikulti natürlich.
Georg hatte die nervige Angewohnheit, mit jedem Verkäufer quatschen zu müssen. Dadurch kannte er die meisten und wir brauchten immer ewig, um den Markt zu durchqueren. Allerdings wurden wir auf diese Weise auch unsere Zeitungen los. Man mag es nicht glauben, aber es gab sogar Kunden, die den »Penner« freiwillig kauften.
Kaum hatten wir uns von Kovac verabschiedet, rannten wir fast Paradeiser und Stippschitz in die Arme. Die beiden quetschten sich durch den schmalen Gang an den Touristen vorbei. Schnurstracks gingen sie auf die Methadon-Gruppe zu. Paradeiser streifte mit dem Ellenbogen meinen Arm. In der Meldemannstraße waren wir den Verhören entgangen, und auch jetzt verschwanden wir gekonnt zwischen Obst und Gemüse.
Auf halber Strecke lag der Gemüsestand unseres Lieblings Seldschuk. Er war vor 30 Jahren aus Ostanatolien nach Köln ausgewandert, wo er für Ford Autos zusammengeschraubt hatte. Als der Autoboom nachließ, versuchte er sein Glück in Wien und kaufte einen maroden Stand, der sich in einen Außenbereich für Obst und Gemüse und in ein dahinterliegendes Büro gliederte. Seine Melanzani und Paradeiser gehörten zu den größten, die man weit und breit finden konnte.
Seldschuk wurde auch »das Orakel vom Naschmarkt« genannt. Er galt als eine nie versiegende Nachrichtenquelle. Bis vor einem Jahr war er Teilnehmer des Atatürk-hab-8-Programms. Letztes Jahr bescheinigte man ihm und seiner gesamten Familie, nach fast zehn Jahren, gute Österreicher zu sein. Es hatte so lang gedauert, weil er neben dem türkischen auch den deutschen Pass besaß.
Sein mit Obst- und Gemüsekisten vollgestopftes Büro war samstags regelmäßig unser Treffpunkt. Seldschuk machte den besten türkischen Kaffee und trug immer frisch gebügelte blütenweiße Hemden.
»Ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr. Der Mord im Männerwohnheim ist Thema Nummer eins auf dem Markt. Weiß die Polizei schon, wer dahintersteckt?«
Georg krallte sich einen Apfel der Sorte Cox Orange und biss hinein. »Wir haben Paradeiser gerade bei Kovac gesehen. In seinem Rausch hat er dummes Zeug gefaselt. Ich mach mir Sorgen.«
»Seit wann verkauft Kovac Gemüse?«, wollte Seldschuk wissen.
Ich schüttelte den Kopf. »Chefinspektor Paradeiser. Er leitet die Untersuchungen. Anscheinend ein harter Hund.«
»Juri, komm endlich zum Punkt«, warf Georg in die Runde.
»Okay. Seldschuk. Wir brauchen einen Job, der uns Geld bringt.«
Georg und ich warteten gespannt auf seinen Rat. Die Stirn des Orakels schlug Falten. Er saß da und strengte sich an wie ein Huhn beim Eierlegen. Seine Tipps waren meistens Gold wert.
»Ihr braucht Kohle? Warum sagt ihr das nicht gleich?«
Georg nickte. »Na ja, wir sind gerade ein wenig knapp bei Kasse und Piefke 5 macht auch nicht reich. Wir brauchen einen schnellen Job.«
Seldschuk kratzte sich am Kopf. »Ich hätte da was. Aber es könnte sein, dass ihr euch die Hände dreckig macht.«
»Kein Problem«, kam es aus zwei hungrigen Mündern.
»Ich hätte da ein kleines Päckchen. Ihr seid doch morgen bei Pater Ambrosius in Dornbach?«
Georg schaute mich fragend an. »Klar. Was ist in dem Päckchen?«
Nicht zu fassen. »Hey, Georg, bist du schwer von Begriff? Das ist geheim. Sonst könnte er es ja auch per Einschreiben schicken.«
Ich wollte mehr wissen. »Wem sollen wir es übergeben?«
Seldschuk schob zwei Obstkisten zur Seite. Dahinter befand sich ein Tresor. Flink stellte er die Kombination ein und öffnete die schwere Tür. Es kam ein Päckchen zum Vorschein. Er reichte es Georg. »Um Punkt zwölf Uhr mittags geht einer von euch beiden in den Beichtstuhl der Dornbacher Pfarrkirche. Dort erwartet euch eine Frau mit dem Decknamen ›Jungfrau Maria‹. Ihr nehmt einen Koffer entgegen und wartet, bis sie die Kirche verlassen hat. Den Koffer bringt ihr am Abend um sieben zum Steg 33 am Donaukanal direkt gegenüber vom Schwedenplatz. Dort werdet ihr mir den Koffer übergeben. Und stellt keine Fragen.«
»Ist ja einfach.« Georg klang euphorisch. »Kein Problem für uns. Was springt dabei raus?«
»Wenn alles klappt, könnt ihr mit einigen Scheinchen rechnen. Je nachdem, wie ihr euch anstellt, gibt’s noch weitere Übergaben.«
Seldschuks Cousin Akgün kam dazu. »Hier ist ein Paradeiser und noch ein Kerl. Die wollen dich sprechen.«
Wir schauten uns fragend an. Georg steckte das Päckchen in seinen Rucksack. Seldschuk gab uns ein Zeichen. »Geht hinter die Tür. Ich werde sie abwimmeln.«
Durch den Türschlitz konnten wir beobachten, wie Paradeiser versuchte, Seldschuk durch die Mangel zu nehmen. »Ich habe gehört, man nennt dich jetzt das ›Orakel vom Naschmarkt‹? Es gibt da ein kleines Problem im Männerwohnheim in der Meldemannstraße. Wir beide hatten schon einmal das Vergnügen. Erinnerst du dich? Damals bei deiner Einbürgerung? Ich war bei der Fremdenpolizei. Na, klingelt’s, Türke?«
»Klar, Herr Inspektor.«
»Chefinspektor, wenn ich bitten darf.«
»Ihr habt mir das Leben ganz schön schwer gemacht. Das vergess ich nicht. Herr Chefinspektor.«
Stippschitz legte nach. »Wir brauchen ein paar Informationen. Wer könnte hinter dem Mord stecken? Hast du Namen? Irgendetwas Brauchbares?«
»Schauen Sie, Herr Chefinspektor –«
»Herr Inspektor Stippschitz für dich.«
»Herr