Odenwaldjagd. H. K. Anger
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Читать онлайн книгу Odenwaldjagd - H. K. Anger страница 4
Nun waren es Emelies Wangen, die sich mit feiner Röte überzogen. »Ich habe halt im Moment nicht viel Zeit für so was.«
»Dann kümmere dich ein bisschen weniger um deine Tierschutzprojekte und dein Fridays-for-Future-Gedöns, und schon klappt das mit dem Aufräumen!« Reiner war unerbittlich.
»Ich find es gut, dass sich die junge Generation zu Wort meldet. Einer muss es ja tun. Bevor unsere schöne Welt vor die Hunde geht«, kam Theo Emelie zu Hilfe.
»Ich finde es nicht gut«, konterte Reiner, »dass meine Tochter dafür die Schule schwänzt.«
Gunter Haase legte sein Messer auf dem Teller ab. »Ich helfe dir gleich mit den Stiggel. Ein bisschen frische Odenwälder Landluft wird mir guttun. Bist du auch dabei, Bobbelsche?« Er wandte sich an Charlie.
»Also ich …« Charlie kam prompt ins Stocken. »Ich habe mir gedacht, dass ich bei dem schönen Wetter wandern gehe.«
»Du willst was?« Reiner stand die Verblüffung ins Gesicht geschrieben. In dem Jahr, in dem Charlie jetzt auf dem Atzeldoalhof lebte, hatte sie nicht einmal das Bedürfnis nach körperlicher Ertüchtigung gezeigt. Obwohl der Wanderweg zur Trommer Höhe direkt am Hof vorbeiführte.
»Ich werde meinen Rucksack schultern und ein paar Kilometer laufen«, verkündete Charlie großspurig. Dabei fragte sie sich im Stillen, ob ihre alten Wanderschuhe nicht vor ihrem Umzug im Müll gelandet waren.
»Das Wandern ist des Müllers Lust …«, trällerte Theo.
Gertie sammelte das Geschirr ein, um es in die Spülmaschine zu stellen. »Soll isch der en Broud med Kochkaas orre Worschd zureschd mache? Fer de Wäg doisch de Woald?«
Charlie verneinte durch Kopfschütteln. »Das ist lieb von dir«, erwiderte sie. »Aber ich habe ja gerade gefrühstückt.« Die nur halb aufgegessene Laugenbrezel hatte sie in der rechten Gesäßtasche ihrer Jeans verschwinden lassen.
»Gehst du allein?«, wollte Reiner wissen.
»Pass auf, dass du nicht dem bösen, bösen Wolf mitten im tiefen Tann begegnest!«, witzelte Gunter.
»Keine Sorge. Ich bin verabredet«, schwindelte Charlie. »Mit Tina. Wir wollen zusammen die Frühlingsluft genießen.«
Reiner kam auf die Beine und reckte sich. »Dann mal los!«, sagte er in Richtung seines Bruders.
Charlie stellte ihre Kaffeetasse in die Spülmaschine und polterte die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Als die Tür ins Schloss gefallen war, wählte sie die Nummer ihrer Freundin.
»Du musst mir unbedingt aus der Patsche helfen!«
3. Kapitel
Peter Steinmann schloss den Räucherofen, den er mit feinem Räuchermehl und frisch geschlachteten Regenbogenforellen bestückt hatte. Am Abend würde er den Räucherfisch mit einer Auswahl an Salaten zu einer Familienfeier nach Michelstadt bringen. Die Salate standen schon fertig im Kühlschrank, sie mussten vor der Auslieferung nur noch mit frischen Kräutern dekoriert werden. Als er sich die Hände im Außenwaschbecken wusch, trat seine Frau Tina an seine Seite. Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe.
»Ist was?«, wandte sich Peter Steinmann ihr zu.
»Spricht was dagegen, wenn ich bis drei, vier Uhr heute Nachmittag nicht hier bin?«
Peter trocknete sich die Hände an einem karierten Handtuch ab, das an einem Metallhaken neben dem Waschbecken hing. Er ließ seinen Blick über die Fischteiche schweifen, deren Oberflächen in der Frühlingssonne silbern glänzten. In den vom munter plätschernden Finkenbach gespeisten Wasserbecken tummelten sich Forellen, Saiblinge und Karpfen. Ein paar Teichhühner, die in den hinteren, für die Angelgäste nicht zugänglichen Uferbereichen ihre Nester angelegt hatten, zogen ihre Runden auf dem Wasser. In ein paar Wochen würden die ersten Küken schlüpfen. Eine Amsel machte mit dem typischen Reviergesang auf sich aufmerksam. Ansonsten war alles ruhig.
Peter Steinmann musterte seine Frau. Sie sah in den letzten Wochen blass und abgekämpft aus. Ihre braunen Mandelaugen, in die er sich als Erstes verliebt hatte, hatten ihren Glanz und ihren Optimismus verloren. Oft wirkte sie fahrig, war nicht wie früher hundertprozentig bei der Sache. Dabei ging die Saison für ihr Bistro und den erst im vergangenen Jahr eröffneten Wohnmobilstellplatz erst zu Ostern richtig los.
»Nein, kein Problem, wenn du dir ein paar Stunden freinimmst«, sagte er mit einem ermunternden Lächeln. »Ich komme schon allein klar.«
»Gut.« Tina Steinmann fischte ein Gummiband aus der Hosentasche hervor und fasste ihr schulterlanges dunkelblondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Ich bin mit Charlie verabredet.«
»Geht ihr shoppen?«
»Nein, wandern.«
Peter Steinmann stutzte. »Ihr beide?«
»Charlie hat mich gerade angerufen. Sie will unbedingt was für ihre Fitness tun. Und mir …«, Tina blickte auf ihre stämmigen Beine, »tut ein bisschen Bewegung auch gut.«
Peter schloss seine Frau in die Arme und gab ihr einen langen Kuss. »Zieh du mit Charlie los, und ich kümmere mich um die Fische. Und nach der Auslieferung des Fischbuffets machen wir uns einen gemütlichen Abend. Ich stell schon mal eine Flasche Sekt in den Kühlschrank.«
Tina verzog den Mund zu einem Lächeln, doch ihre Augen blieben ernst. »Ich freu mich darauf!«, behauptete sie. Sie schnappte sich ihre Jacke und ließ den Motor des Geländewagens an.
Von der 30-minütigen Fahrt über die Raubacher Höhe hinunter bis nach Wald-Michelbach und vom Kreisverkehr auf der Kreidacher Höhe bis nach Siedelsbrunn bekam Tina Steinmann kaum etwas mit. Sie war tief in Gedanken versunken. Das anonyme Schreiben, das vor drei Wochen im Bistro gelandet war, hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Sie hatte gehofft, dass sie mit ihrem fünfjährigen Aufenthalt in Australien, wo sie auf verschiedenen Ranches als Köchin gearbeitet hatte, alles hinter sich gelassen hätte. Mit der Vergangenheit abgeschlossen hätte. Der Brief bewies, dass dies nicht so war.
Tina, die wieder auf ihrer Unterlippe kaute, schmeckte Blut. Diejenigen, die sie damals mit dem Stoff versorgt hatten, hatten nichts vergessen. Oder vergeben. Sie würde für das, was sie getan hatte, bezahlen müssen. Tinas größte Sorge war, dass Peter davon erfahren würde. Er wusste nichts von diesem Lebensabschnitt, der so anders verlaufen war, als Tina es sich nach dem Abitur vorgestellt hatte.
Die kaufmännische Ausbildung, die sie auf Drängen ihrer Eltern absolviert hatte, war für sie ein Desaster gewesen. Tina war kein Zahlenmensch, hatte sich durch Mathe und Physik in der Schule stets durchgemogelt. In der Ausbildung war ihre Dyskalkulie mit aller Macht zutage gekommen. Ständig hatten ihre Vorgesetzten auf ihr herumgehackt, während sich ihre Kollegen über sie lustig machten. Um dem Druck standzuhalten, hatte Tina eine dumme wie gefährliche Entscheidung getroffen. Die letztendlich dazu geführt hatte, dass sie quasi über Nacht ihre Zelte im Odenwald abbrechen musste und auf den Kontinent geflüchtet war, der ihr damals am weitesten von ihrer Heimat entfernt vorkam. Bei ihrer Rückkehr hatte Tina nicht im Traum daran gedacht, dass die alten Geschichten bis in