Magische Verbindung. Egon Krause

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Magische Verbindung - Egon Krause

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verführerisch wie die der Loreley, aber alles zu seiner Zeit!

      N. : Es ist noch lange hin, so willst du nur zum Weiterlesen deines Gefasels ermuntern.

      E.: Schubert-Jahr, 31.1.1797–19.11.–1828, zweihundert Jahre, ich fand sein Zitat so resignierend: »Nur da, wo du nicht bist, dort ist das Glück.«

      N.: Nun mal keine Melancholie, du kannst es nicht auf dich beziehen.

      E.: Dem Glück hinterherlaufen und blind sein, wenn man es eingeholt hat?

      Alfred Brendel interpretiert Schuberts Klavierstücke manchmal ein wenig zu piano.

      Hin und her in der Zeit, 1928 war ein Jahr ohne Bedeutung, abgesehen von dem Ereignis, dass ich das Licht der Welt erblickte. Ich kann mich an den ersten Lichtschein nicht erinnern, die Augen gehen einem wohlweislich nicht gleich auf. Die Geburt eines strammen Jungen, angezeigt in der Zeitung – wen das interessierte, mit Datum vom 18.3.28., ein Fische-Kind, an einem Sonntag, Sonntagskinder haben die Sonne des Lebens gepachtet, so dachte wohl auch meine Mutter, gegen 12 Uhr mittags, »High noon«, war auch keine barbarische, nachtschlafende Zeit.

      N.: Das brauchte ich nicht zu berichten, aber es ist vielleicht interessant zu erfahren, was vor meiner Zeit war.

      E.: Jetzt merke ich, dass ein Teil meiner Erzählung offensichtlich dem Computer zum Opfer gefallen ist, natürlich mit meinem Zutun. Ein tückischer Druck mit dem Ballen aufs Keyboard und wie bei einem Zauberer ist alles verschwunden, nur der Kenner zaubert es wieder hervor, weil es gar nicht weg ist, mir gelingt es nicht.

      N.: Das geschieht dir ganz recht, alter Dummkopf, ehe man einen Knopf oder eine Taste drückt, überlegen!

      E.: Nun muss ich all das, was ich so schön (meiner Meinung nach) …

      N.: Die Einschränkung ist nötig.

      E.: … verfasst habe, aus dem Gedächtnis graben, schade. Es war ein Jahr ohne Bedeutung. Ich ärgere mich doch über den Verlust meiner Schreiberei, zum Teufel! Während ich darüber grübele, fällt mir immer mehr ein, es war ein ganz schön langer Bericht.

      N.: Du tust mir richtig leid.

      E.: Ob ich ihn so gut …

      N.: Gut ist wirklich naiv.

      E.: … wieder hinkriege? Was nützt der Ärger?

      N.: Natürlich nichts.

      E.: Dieser blöde Kerl regt mich auf mit seinen ständigen Kommentaren, statt selber einmal etwas von sich zu erzählen. Ich muss den Anschluss finden, aber dann werde ich mich rächen.

      Mein frühes Dasein muss kaum Dramatik enthalten haben, denn ich kann mich nur an Weniges erinnern, Bemerkungen meiner Mutter und Bilder könnten es ergänzen. Ein Bild: Ich ohne Haar.

      N. : Das habe ich mir erspart.

      E.: Im Kinderwagen mit meinem Kindermädchen und Bob, einem Boxer, der auf einem anderen Bild mit dem Hut meines Onkels Männchen macht. Ein Bild meiner Mutter mit meinem Vater im »New Look« (schönes deutsches Wort) der Zwanzigerjahre vor ihrem Auto. Mein Vater kam erst in mein Bewusstsein, als ich sechs Jahre alt war, denn meine Eltern wurden früh geschieden. Woran aber erinnerte ich mich, jedenfalls noch nicht an Ereignisse, die mir meine Mutter berichtete. Mein Großvater nahm mich öfters mit auf Spaziergänge und als er einmal eine Humme fertigte, spielte ich an einem Mühlbach und muss wohl hineingefallen sein, ein Junge zog mich zu meinem Glück oder Unglück heraus, meine Mutter hat es ihm nie vergessen, ich war nass, mein Großvater bleich, seit dieser Zeit war Wasser nicht mehr mein Element, dem Tierkreiszeichen zum Trotz.

      N.: Das war ein Glück, sonst könnte ich dich nicht korrigieren.

      E.: Wie macht man eine Humme.

      Humme, Humme, Wiedchen, Saft, Saft siedchen …

      Man klopft leicht rund um ein Stück einer jungen Weidenrute auf die Rinde, sie lässt sich dann vom Holz abziehen. Der gebildete Saft zwischen Holz und Rinde macht es möglich. Jetzt hat man ein mehr oder weniger dickes Rohr der Rinde. Auf einem Zentimeter befreit man es von der äußeren Schicht und wenn man diese Lippen ein wenig aufeinanderdrückt, vibrieren sie wie die Lippen eines Fagotts, wenn man hineinbläst. Die Dünnen erzeugen hohe, die Dicken tiefe Töne. Das ist eine Humme.

      Ein andermal war ich mit meiner Großmutter im Garten, als mein Onkel väterlicherseits kam und mich, wie man fachmännisch sagt, kidnappte, er hatte ein Faible für englische Autos und ich fuhr wohl mit ihm stolz in seinem 6-Zylinder zu meinem Vater nach H. Meine Mutter hatte alle Mühe, mich unter Polizeischutz zurückzuholen, ich war wohl sehr wertvoll. Alles berührte mich überhaupt nicht. Berichten zufolge muss ich ein sehr artiges Kind gewesen sein, zur Strafe in eine Ecke gestellt, blieb ich so lange stehen, bis man mich wieder holte, vor begehrenswerten Dingen stehend, hatte mich mein Großvater, wie schon gesagt, gelehrt: »Ansehen und wundern, nicht anfassen«, ich richtete mich danach.

      N: Wie abscheulich eigenlobig!

      E.: Wann dachte der kleine Junge einmal etwas: Als ich in den Mühlbach fiel. Gar nichts, von dem Bewusstsein einer Lebensgefahr ist nichts in Erinnerung, es mussten erst einmal die Speicher gefüllt werden, die Vernetzung geschieht dann durch Erfahrung, durch das Verhalten anderer Menschen, deren Reaktionen, die Korrektur des eigenen Verhaltens durch andere, auch Angst wird erfahren und erst später kurzgeschlossen durch Abwehr der Gefahr ohne Beteiligung des Großhirnes.

      Zur Einschulung ein Brief meines Onkels O., dem Bruder meiner Mutter:

       Stuttgart, den 16.3.34

      Meine lieber E.,

      zu deinem Geburtstag und zum Schulanfang habe ich dir heute einen ersten Ranzen zugeschickt. Hoffentlich gefällt er dir. Was du an Büchern und Tafel benötigst, schreibst du, dann schicke ich dir das Geld, du kaufst es dort in A. Zu deinem Geburtstag wünsche ich dir vor allem Gesundheit und dass du in allem deiner Mama immer schön folgsam bist. Wenn du mal ein großer SA-Mann werden willst, dann musst du jetzt schon anfangen und nie ungezogen werden. Wer kommt denn alles zum Geburtstag? Schreib mal darüber. Ich selbst würde gern mitfeiern, doch da muss ich wohl bis Ostern oder Pfingsten warten, hier muss ich arbeiten, dass ich Geld verdiene und habe so wenig Zeit.

      Grüße Opa, Oma, Mama, Tante L., Orschi, Horst und alle, die zum Geburtstag kommen.

      Bleib schön gesund, es freut sich auf das Wiedersehn dein Onkel und Pate O.

      Er war weit herumgekommen, wie man so schön sagt, auch in Amerika, von wo er mir einen kleinen Totempfahl mitbrachte. Er starb am Hodgkin-Sarkom im Alter von achtunddreißig Jahren einen qualvollen Tod, heute könnte man die Erkrankung fast vollständig heilen. Die brennenden Kerzen am Kopfende seines Sarges sind mir noch deutlich in Erinnerung, sie ließen sein bleiches Gesicht noch weißer erscheinen und sie verbrannten auch die geschlossenen Tulpen, die dort standen. Ich mag Tulpen nur, wenn sie weit aufgeblüht sind.

      Wann hatte ich zum ersten Mal eine emotional gefärbte Meinung?

      N.: »Schööön definiert.«

      E.: Ich erinnere mich daran, mit sechs oder sieben Jahren. Wir, aber wer es war, weiß ich nicht mehr, gingen den holprigen, kopfsteingepflasterten Kirchrain hinunter, die Schule war gegenüber dem Kirchhof, der Lehrer S., er war ein massiger Mann mit einem gutmütigen Gesicht, hatte uns die Nibelungensage wohl recht dramatisch

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