Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof. Michael Möseneder

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Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof - Michael Möseneder

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ergaunert haben. Er sagt, er habe den ihm bekannten Opfern 50 Prozent als Wiedergutmachung angeboten. Ein im Saal anwesendes Opfer widerspricht. Es habe ein Mail gegeben, danach nichts mehr. Obwohl er nicht muss, erzählt der Mann, wie es zum Kontakt mit der „18-Jährigen“ kam: schmutzige Scheidung, Burnout, Skype-Konversation mit der Internetbekanntschaft. „Da war das Gefühl, dass hier mehr dahintersteckt.“ Steckte doch nicht – zum vereinbarten Treffen kam niemand.

      Der Senat berät nur kurz und verurteilt S. rechtskräftig zu zwei Jahren bedingt. Mittlerweile studiert der Angeklagte übrigens Jus, daher hat die Vorsitzende noch einen Rat: „Ich hoffe, Sie haben etwas gelernt. Nicht nur für Ihr Studium, sondern auch für Ihr Leben. Machen Sie so einen Blödsinn nie wieder.“

      „Ein Mutterherz kann viel verzeihen“, trällerte Rudolf Schock einst. Er kannte offensichtlich Vesna J. nicht, die sich in Korneuburg vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Monika Zbiral verantworten muss. Die 59-jährige J. griff in einem jahrelangen Familienstreit nämlich zu kriminellen Mitteln: Sie zündete das Haus ihres Sohnes an, wie sie zugibt.

      „Bekennen Sie sich schuldig?“, will die Vorsitzende von der Unbescholtenen zunächst wissen. „Ja. Aber fragen Sie mich, wie es dazu gekommen ist!“, lässt die resolute Österreicherin übersetzen. „Das mach ich gleich, aber erst belehre ich Sie über Ihre Rechte“, versucht Zbiral zu bremsen.

      Das gelingt ihr im Verfahrensverlauf nur bedingt, immer wieder echauffiert sich J. lautstark über die angeblichen Ungerechtigkeiten, unter denen sie zu leiden habe. Vor fünf Jahren sei ihr Mann verstorben, das Haus und dazugehörende Grundstück im Bezirk Korneuburg überschrieb sie daraufhin auf ihren Sohn. Mit diesem und der Schwiegertochter habe es aber ständig Streit gegeben.

      Besonders wütend machte J. offenbar, dass der Sohn ein zweites, größeres Haus auf dem Grundstück baute, dieses aber vermietete. „Wir mussten weiter im kleinen Haus wohnen!“, empört sich die Angeklagte auch vor Gericht. Dazu habe ihr der Sprössling samt Gattin vorgeworfen, dass sie nicht arbeiten würde.

      „Was soll das jetzt für einen Zusammenhang mit der Brandstiftung haben?“, will die Vorsitzende wissen. „Ich war damals nervös. Und befand mich in einer tiefen Depression!“, behauptet J., der ein psychiatrischer Sachverständiger Zurechnungsfähigkeit beschieden hat. „Zur Krankheit Depression gehören traurige Gedanken und Antriebslosigkeit. Aber nicht Aggressivität“, belehrt Zbiral die Angeklagte.

      Irgendwann zog die Familie dann doch in das große Haus, zufrieden war J. damit aber auch nicht. „Ich durfte dort nicht kochen und rauchen“, beschwert sie sich. Das kleine Haus wurde mit einer Alarmanlage versehen, die aber offensichtlich Fehlalarme produzierte, was ebenso zu Streitereien mit dem Sohn führte. „Ich wollte mir einen Kaffee kochen. Mein Sohn hat gesagt: ‚Warum trinkst du ständig Kaffee? Es ist besser, du lutschst meinen Schwanz‘“, übersetzt der Dolmetscher.

      Der Sohn habe sie auch aufgefordert, sich umzubringen, behauptet die Angeklagte. „Die Frage, die ich an Sie habe, ist, warum Sie Feuer gelegt haben“, versucht die Vorsitzende wieder zum Kern des Problems zu kommen. „Hätte ich mich aufhängen sollen?“, empört J. sich mit einer Gegenfrage.

      Am 1. Oktober ging sie jedenfalls gegen vier Uhr in das kleine Haus, tränkte an drei Stellen Polster und Matratzen mit Speiseöl und deponierte brennende Küchenrollen. Anschließend packte sie Koffer und Tasche und stellte sich bei der Polizei, während die Feuerwehr noch mit den Löscharbeiten beschäftigt war.

      Sie wurde allerdings nicht festgenommen, sondern zunächst wegen Fremdgefährdung in ein Spital gebracht. Die Ärzte konnten dort keine Geisteskrankheit feststellen, am 3. Oktober folgte daher die Untersuchungshaft. Die Zeit im Krankenhaus nutzte J. allerdings dazu, ihren Enkel anzurufen und zu drohen, sie werde sich und die gesamte Familie anzünden, weshalb nicht nur Brandstiftung, sondern auch gefährliche Drohung angeklagt ist.

      Auch zu diesem Faktum ist die Angeklagte geständig, der Staatsanwalt regt daher an, auf die Einvernahme von Sohn und Enkel zu verzichten, um den Familienstreit nicht weiter anzuheizen. Der Konflikt scheint aber bereinigt zu sein. Der Sohn verzichtet auf Schadenersatz und stellt klar: „Ich möchte keine Anklage, sie ist ja meine Mutter!“

      Da die Herbeiführung einer Feuersbrunst, wie Brandstiftung juristisch definiert ist, ein Offizialdelikt ist, kann dem Sohn dieser Wunsch nicht erfüllt werden. Stattdessen wird J. zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt.

      Während sich die Angeklagte mit ihrem Verteidiger im Nebenraum berät, ergreift ihr Sohn im Verhandlungssaal noch einmal das Wort. „Drei Jahre sind schon viel. Kann man nicht eine längere Strafe, aber auf Bewährung, geben? Es ist ja eigentlich ein Familienstreit“, bittet er die Vorsitzende, die ihm mit Engelsgeduld den Instanzenzug der heimischen Strafjustiz erklärt. „Aber meine Mutter ist eine alte Frau, die überlebt drei Jahre nicht“, ist der Sohn überzeugt. „Ich bin auch 59“, merkt Zbiral daraufhin an.

      Der Staatsanwalt ist mit der Strafe einverstanden, J. kündigt schließlich Berufung gegen die Strafhöhe an. Mit Tränen und Küssen verabschiedet sie sich von ihren Angehörigen, ehe sie zurück in die Haftanstalt gebracht wird.

      Zur Ehrenrettung von Transdanubien muss gesagt werden, dass es auch in sogenannten nobleren Bezirken und besseren Kreisen der Bundeshauptstadt mitunter zu Auseinandersetzungen kommt, die vor Gericht enden. Wie Boris S., ein 38-jähriger Selbstständiger, der sich vor Richter Thomas Kreuter wegen gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung verantworten muss. Er soll am 9. Februar dem über ihm wohnenden Nachbarn einen schmerzhaften Kontakt mit einem Messer in Aussicht gestellt und dessen Wohnungstür beschädigt haben.

      Vor sechs Jahren sei er in die Eigentumswohnung in Wien-Währing gezogen, sagt der Angeklagte, nie habe es Probleme gegeben. Bis im vergangenen Herbst Marco W. die 90-Quadratmeter-Wohnung im Stockwerk über ihm besiedelt hat. Plötzlich habe regelmäßig die Polizei geläutet und ihm zumindest einige Strafmandate wegen Lärmerregung ausgestellt. Der Anzeiger: Herr W., wie der Angeklagte erfuhr.

      „Herr W. ist ein extrem hochsensibler Typ, der möglicherweise pathologisch ist“, beschreibt der unbescholtene S. seinen Nachbarn. „Er nimmt mich als Zielscheibe.“ Oder seine Besucher, denn am 8. Februar habe ein Gast bei ihm zur Mittagszeit geduscht und Musik gehört, und auch da sei die Exekutive vor der Tür gestanden. „Ein Gast kann sich nicht einmal duschen, aber wenn im Winter die Straßenbahn vor dem Fenster über den Rollsplitt fährt, stört ihn das nicht!“, empört sich der Angeklagte.

      In der darauffolgenden Nacht kam S. gegen 0.30 Uhr mit einem Freund nach Hause. „Mich hat das dann so aufgeregt mit dem Polizeieinsatz am Nachmittag, dass wir nach oben gegangen sind. Ich wollte ihn zynisch fragen ‚Lieber Marco, bin ich dir eh leise genug nach Hause gekommen?‘“

      Man habe an der Fensterscheibe zum Gang und an der Eingangstüre geklopft und mit dem Fuß ein oder zwei Mal dagegengetreten, erinnert S. sich. Eine halbe Stunde später sei er alleine nochmals nach oben gegangen. „Ich wollte das freundschaftliche Gespräch suchen und habe mir gedacht, vielleicht hatte er vorher Angst, da wir zu zweit gewesen sind.“ Es sei aber weder eine Drohung gefallen, noch sei die Tür beschädigt worden, wie W. behauptet.

      Richter Kreuter interessiert sich für die Tonanlage in der Wohnung des Angeklagten. „Dem Akt habe ich entnommen, dass Sie Lautsprecher in der Decke haben? Stimmt das?“, will er wissen. Tut es, worauf der Richter dem Angeklagten den wohlmeinenden Rat gibt, sich Kopfhörer zuzulegen. „Habe ich auch schon überlegt. Ich habe auch der Polizei schon angekündigt, dass ich die

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