Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof. Michael Möseneder

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Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof - Michael Möseneder

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Jänner sei er eines Morgens schweißgebadet und mit schlechtem Gewissen aufgewacht, erzählt K. weiter. Um den Missbrauch zu beenden, versuchte er, die Route abzugeben, oder bat seine Chefin S., ihn zu begleiten. 2017 fand er auf seinem Auto einen USB-Stick mit den Missbrauchsbildern, seine Arbeitgeberin erzählte ihm, dass sie von Unbekannten mit den Fotos erpresst werde. Sogar bei der Polizei zeigte die 54 Jahre alte Frau an, dass sie von einem BMW verfolgt werde, dessen Kennzeichen sich als gestohlen herausstellten.

      Schließlich erschien S. bei der Lebensgefährtin von K., zeigte ihr die Bilder und erzählte von der Erpressung. Die Lebensgefährtin schmiss K. hinaus und forderte ihn auf, sich der Polizei zu stellen. Der machte das nicht, daher zeigte ihn am Ende sein eigener Sohn an.

      Die Polizei begann zu ermitteln und kam zu einer überraschenden Erkenntnis. Denn im Zuge der Erhebungen wurde die Identität von „Gipsy dewo“ offenbart: Frau S. hatte das Fakeprofil angelegt, sich die Erpresserbriefe selbst geschrieben, Drohanrufe aus Telefonzellen fingiert und die Nummerntafeln des geheimnisvollen BMW gestohlen und in ihrem Hochbeet vergraben.

      Ihr Motiv bleibt im Dunkeln. Die vierfach Vorbestrafte erzählt, sie habe K., mit dem sie selbst eine Affäre hatte, des Kindesmissbrauchs verdächtigt und wollte ihn überführen. „Da hätte aber schon ein Foto gereicht!“, wirft der Vorsitzende ein. Dann sagt sie, ihr Ziel sei gewesen, dass K. sich selbst stelle. „Warum sind Sie dann zu seiner Partnerin gegangen und haben ihr die Fotos gezeigt und von der angeblichen Erpressung erzählt?“, hält ihr die Staatsanwältin vor. Antwort bekommt sie keine.

      Bei einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren wird K. zu sechs und S. zu vier Jahren Haft verurteilt. Sowohl Angeklagte als auch Anklägerin berufen gegen die Strafhöhe, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

      „Es gibt Sachen, die glaubt man nicht. Sie haben nur für Teddybären für Ihren Sohn wahrscheinlich ein Kulturgut Österreichs zerstört“, ist Nicole Baczak, Vorsitzende des Schöffensenats, am Ende des Prozesses gegen Marie-Theres E. (Name geändert, Anm.) noch immer fassungslos. Staatsanwältin Leila Ivo geht es in ihrem Schlussplädoyer ähnlich: „Das Ganze zeugt von einer Dreistigkeit, die ich kaum mehr in Worte fassen kann“, fordert sie eine Verurteilung der 31-jährigen E. wegen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls. Das Opfer der Unbescholtenen: das Volkskundemuseum Wien. Der Schaden: mindestens 100.000 Euro.

      Die Akademikerin war dort als „Kulturvermittlerin“ tätig, wie heute Museumsführer genannt werden. Da E. manchmal auch Gruppen außerhalb der Öffnungszeiten das Museum zeigte, konnte sie auf einen Zentralschlüssel zugreifen. Anfang November 2017 sei die Tür zu einer Werkstatt offen gestanden, berichtet die Angeklagte, die sich schuldig bekennt.

      „Ich bin aus Neugier hineingegangen“, erinnert sie sich. „Ich habe zwei Engel gesehen. Die haben mir so gut gefallen. Ich habe so was nie besessen. Aus irgendeinem Grund habe ich sie genommen“, erzählt sie dem Senat. Die Himmelswesen waren Teil der barocken „Jaufenthaler Krippe“, eines der Prunkstücke des Hauses.

      Aufgestellt ist die Krippe rund 30 Quadratmeter groß und besteht aus 898 einzelnen Objekten. Es blieb nicht bei einem Diebstahl. Mindestens sechs weitere Male drang die Angeklagte mittels Zentralschlüssel in die Werkstatt ein und stahl 90 Krippenobjekte und 200 Wallfahrtsmedaillons. En passant ging das nicht, wie Anklägerin Ivo herausarbeitet. Denn manche Objekte waren 20 bis 30 Zentimeter groß, sie einfach in die Hosentasche zu stecken war nicht möglich.

      Ihre Beute verkaufte E. im Internet in ganz Europa, eine Liste von sieben Käufern gab sie der Polizei. Das waren aber teilweise Großabnehmer, die die begehrten Stücke wieder veräußerten. Der Spur jedes einzelnen Stückes zu folgen ist schwierig.

      „Warum?“, will Baczak mehr über das Motiv wissen. „Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen wegen meinem kleinen Sohn“, antwortet E. unter Tränen. „Ich war länger im Krankenhaus und wollte das wiedergutmachen. Ich habe ihm sehr viele Spielsachen gekauft. Teddybären, ein Spielhaus. Und ich wollte, dass er von allem das Beste hat.“

      Verteidigerin Ingrid Herzog-Müller und die Angeklagte sagen, es seien nur 5.000 Euro durch die Verkäufe erlöst worden, es seien auch nicht so viele Objekte wie angeklagt gestohlen worden. E. habe im Internet auch selbstgemachte Objekte oder Flohmarktfunde weiterverkauft. Die Vorsitzende sieht das finanzielle Motiv nicht: „Ich habe nachgeschaut: Gegen Sie läuft keine Exekution oder Zivilklage. Wo genau ist das finanzielle Problem?“ – „Ich bin manchmal mit dem Geld nicht ausgekommen.“

      Direktor und Angestellte des Museums bestätigen die angeklagten Verluste. „Ist das quasi Ihre Saliera?“, will Baczak von einer Zeugin wissen. „Ja, es gehört sicher zu den wertvollsten Stücken.“ Der Marktwert kann nur geschätzt werden. Aber E. habe die Beute vor dem Verkauf teilweise auch verändert – aus einem Engel einen Teufel gemacht, beispielsweise. Alleine die Wiederherstellung der sichergestellten und wiederausgeforschten Figuren kostet mindestens 100.000 Euro.

      Kurios ist die Geschichte, wie E. enttarnt wurde. Die Diebstähle wurden zwar der Polizei gemeldet, zunächst aber nicht öffentlich gemacht. Als das Bundeskriminalamt nach einigen Monaten doch Bilder der Beute auf seine Homepage stellte, berichtete die „Kronen Zeitung“ darüber.

      Eine ehrenamtliche Helferin des Museums wurde von einer Freundin beim wöchentlichen Kaffeetreffen auf den Bericht aufmerksam gemacht. „Als ich die Bilder gesehen habe, wusste ich, dass ich die auf Ebay gespeichert habe“, schildert diese Zeugin. Denn: Sie ist selbst Sammlerin von Krippenfiguren – und hatte selbst bereits zweimal bei der Angeklagten gekauft.

      Die Zeugin rief die zuständige Museumsmitarbeiterin an und nannte den Namen ihrer Geschäftspartnerin. „Da war erst Stille. Und dann habe ich gehört: ‚Die arbeitet bei uns.‘“ Nicht nur das: Die von ihren Kolleginnen als unauffällig und freundlich beschriebene E. bot nach dem Verschwinden der ersten beiden Engel sogar an, bei der Suche nach ihnen zu helfen.

      Bei ihrer ersten Einvernahme durch die Polizei sagte die Angeklagte noch aus, sie habe die von ihr verkauften Figuren „bei Zigeunern am Naschmarkt gekauft“. Schließlich plagte sie das schlechte Gewissen, sie kam ein zweites Mal zu den ermittelnden Beamten, brachte ein gutes Dutzend Figuren mit und gestand.

      Das Urteil: zwei Jahre Haft für gewerbsmäßigen schweren Diebstahl, davon acht Monate unbedingt. Zusätzlich bekommt E. Bewährungshilfe und muss den Schaden ersetzen.

      Thomas P. hat zwei Vorstrafen, eine davon wegen versuchten Mordes. Nicht das beste Blatt also, wenn man wie er beschuldigt wird, seinem Kontrahenten bei einer Auseinandersetzung den Schädel gebrochen und ihn so schwer verletzt zu haben. Der 38-Jährige bekennt sich vor Richterin Erika Pasching dennoch nicht schuldig: Er habe in Nothilfe gehandelt, wobei sich der über 70 Jahre alte Gerhard K. verletzt habe.

      Die Geschichte spielt vor der Begegnungszone beim Einkaufszentrum Wien-Mitte im Bezirk Landstraße. Zwei Frauen und ein Kind probierten dort die fast allgegenwärtigen mietbaren E-Scooter aus. Mit zwei Gefährten waren sie unterwegs, auf einem fuhr der Bub mit seiner Tante.

      „Ich bin gerade über den Zebrastreifen gegangen, als ich gesehen habe, wie der Herr die Dame samt dem Kind vom Scooter gestoßen hat“, erinnert sich der Angeklagte. „Es ist dann ein Streit zwischen dem Herrn und einer Frau entstanden, der Herr hat die Faust gehoben. Ich dachte, er wird sie gleich schlagen.“

      Da P. sich zuvor einen Imbiss in einem Schnellrestaurant besorgt hatte, verwendete er das aufgemotzte Fleischlaberl als Wurfgeschoss. „Ich habe meinen Cheeseburger geworfen

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