Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof. Michael Möseneder

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Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof - Michael Möseneder

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bei QVC, einem international tätigen Konzern, der laut Eigenangaben mit 17.700 Mitarbeitern weltweit rund 7,63 Milliarden Euro Umsatz macht, stehen höchst unterschiedliche Dinge: ein Laptop, vier Garnituren Bettwäsche, ein Kinderspielzeug, drei Kleidungsstücke, vier Kosmetikprodukte und ein ziemlich hässliches weihnachtliches, leuchtendes Fensterbild. Insgesamt machte die Rechnung fast 900 Euro aus.

      Die kriminelle Intelligenz von Frau S. war aber enden wollend. Bestellbetrug basiert naturgemäß darauf, den wahren Empfänger zu verschleiern. Die Angeklagte gab zwar für die Rechnung Name und Adresse ihrer Bekannten an, als Lieferadresse aber einfach ihre eigene. Die Zeugin war verständlicherweise recht überrascht, als sie plötzlich die Zahlungsaufforderung bekam, die wahre Täterin konnte dagegen wenig überraschend rasch ausgeforscht werden.

      Richter Nachtlberger schafft es, der Pensionistin das Wesen einer Diversion in leicht verständlichen Worten zu erklären. „Es gibt da ein Zuckerl. Also eh alles im Rahmen des Gesetzes. Wenn Sie geständig sind und den Schaden wiedergutmachen, kann das heute auch ohne eine Verurteilung enden. Das nennt man dann Diversion, da dürfen Sie einfach ein paar Jahre nichts mehr machen.“ Frau S. nimmt das Angebot freudig und dankend an, Staatsanwältin Kristina Jahn hat ebenso wenig Einwände, damit ist die Entscheidung rechtskräftig.

      Friedrich M. ist einigermaßen erbost, als er vor Richterin Beatrix Hornich sitzt. Dass er sich am Abend des 21. November bei seinem Besuch bei Herrn R. fälschlicherweise als Polizist ausgegeben habe, gibt der 67-Jährige zwar zu. Ebenso, dass er einen Schlagring gezogen und R. körperliches Unbill angedroht habe. „Aber verletzt habe ich ihn sicher nicht!“, beteuert der Angeklagte.

      Im Hintergrund steht ein Konflikt: M. scheint überzeugt, dass R. eine Frau belästigt, und wollte sich als Rächer betätigen. Mit einem Freund fuhr der Pensionist zu der Wohnhausanlage in Wien-Simmering. An der Gegensprechanlage sagte er zu R., er sei von der Kriminalpolizei, worauf er eingelassen wurde.

      „Er ist mir im Stiegenhaus entgegengekommen, wir waren uns nie näher als vier oder fünf Meter“, sagt der Angeklagte. Ja, er habe einen Schlagring gezeigt, den er sich sicherheitshalber mitgenommen hatte. Und er stellte lautstark fest: „Pass auf, wenn du die Nicole ned in Rua losst, hau i da den Schädl ei!“

      „Woher haben Sie denn den Schlagring?“, will die Richterin wissen. Aus der Wohnung seines 1999 verstorbenen Bruders, erklärt der Angeklagte. „Haben Sie gewusst, dass das eine verbotene Waffe ist? Haben Sie sich da nie erkundigt?“, fragt Hornich. „Nein, ich habe ihn ja nie gebraucht.“

      Dass er, wie Herr R. bei der Polizei behauptete, mehrmals mit dem Schlagring in R.s Richtung geschlagen und ihn einmal am Handgelenk erwischt habe, stimme definitiv nicht. Es habe ein Wortgefecht gegeben; nachdem R. von einer Verwandten ein Baseballschläger gereicht wurde, seien der Angeklagte und sein unten wartender Bekannter gegangen.

      M. hat eine ganz andere Theorie, wie es zu einer Verletzung gekommen sein könnte: R. sei unmittelbar danach noch in einen Raufhandel verwickelt gewesen, habe er erfahren. Von diesem müsse die leichte Prellung am Handgelenk stammen, die im Spital diagnostiziert worden sei.

      Der 47-jährige R., der als Zeuge von einer Mitarbeiterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in den Saal begleitet wird, stellt das definitiv in Abrede. Er sei gleich nach dem Vorfall mit Herrn M. zunächst zur Polizei und dann ins Spital gefahren. „Es gab sonst keine Rauferei“, erklärt er im Brustton der Überzeugung. Lediglich an einem Rosenbusch habe er sich gekratzt, als er die Wohnanlage verließ, verrät er noch.

      Die Auseinandersetzung im Stiegenhaus schildert er dagegen deutlich dramatischer. M. habe zwei oder drei Mal in Richtung seines Gesichts geschlagen und ihn einmal am Gelenk getroffen, als er einen Schlag abwehren wollte. Richterin Hornich fragt über die genauen Platzverhältnisse nach und wird zusehends skeptisch. Der 1,72 Meter große Angeklagte sei demnach tiefer als der 1,80 Meter große R. gestanden, zusätzlich sei noch das Stiegengeländer zwischen den Männern gelegen.

      „Hätten Sie nicht einfach einen Schritt zurück machen können? Dann wären Sie ja sicher außer Reichweite des Angeklagten gewesen.“ – „Nein, da stand meine Stieftochter“, behauptet der Zeuge, der auch sagt, er habe aus Angst Tage nach dem Vorfall nicht mehr schlafen können. Dass ihm ein Baseballschläger gebracht worden sei, bestreitet der Zeuge – der Gegenstand, den ihm seine Stieftochter aus der Wohnung geholt habe, sei ein schwarzer Besenstiel gewesen.

      Seine Gattin kann als Zeugin wenig beitragen, da sie den Streit im Stiegenhaus nicht verfolgt hat. Umso interessanter ist dafür die Befragung der Stieftochter. Die erklärt, sie sei auf der Treppe schräg über R. gestanden und nicht direkt hinter ihm. Außerdem habe sie nur einen Schlag wahrgenommen. Auf die Frage von Staatsanwalt Bernhard Mascha, ob sie ihrem Stiefvater etwas gebracht habe, schüttelt sie energisch den Kopf und verneint das auch verbal.

      Der Staatsanwalt beantragt also eine Protokollabschrift, da sich die Aussagen von R. und der Zeugin eklatant widersprechen und der Verdacht der falschen Zeugenaussage im Raum steht. Doch es kommt noch besser. „Gab es noch eine andere Auseinandersetzung?“, fragt die Richterin. „Ja, gab es“, gibt die Zeugin zu. Ihr Stiefvater und ihr Ex-Freund hätten sich um einen Schlüsselbund gestritten, den der Ex nicht hergeben wollte. Ihr Stiefvater habe diesen Streit aber nicht weiter verfolgen wollen, gibt die Zeugin zu. „Er hat gesagt: ‚Es war ein Ausrutscher, er war auf Alkohol.‘“ – „Hat auch ein Rosenbusch eine Rolle gespielt?“ – Die Zeugin kichert und will dazu nichts sagen.

      Wegen der Nötigung und des Besitzes einer verbotenen Waffe entscheidet Hornich sich für eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen die Bezahlung von 150 Euro Pauschalkosten. Vom Vorwurf der Körperverletzung spricht sie M. dagegen frei – zu widersprüchlich seien die Aussagen der Gegenseite gewesen.

      „Die ganze Causa ist abstoßend und pervers“, fasst Helmut Neumar, Vorsitzender des Schöffengerichtes in Korneuburg, die Geschichte von Walter K. und Brigitta S. zusammen. Im Laufe des Verfahrens um schweren sexuellen Missbrauch einer Unmündigen fallen auch andere Beschreibungen: „bizarr“, „unglaublich“, „abscheulich“. Jeder der Begriffe passt.

      Der 59 Jahre alte K. verdiente sein Geld damit, in der Firma von S. behinderte Kinder mit dem Bus in die Schule zu fahren. Eine 13-Jährige, körperlich beeinträchtigt und geistig auf dem Niveau einer Zwei- bis Dreijährigen, soll er von September 2016 bis Jänner 2017 mindestens 20-mal missbraucht haben, wirft ihm die Staatsanwältin vor.

      „Ich bin schuldig“, bekennt K., dreifacher Vater. Mit seiner Lebensgefährtin war er 14 Jahre zusammen, gleichzeitig hatte er zahlreiche Affären, die er im Internet kennenlernte. „Sie waren ja praktisch permanent on. Da ging es in den Chats ja immer gleich ums Blasen und Ficken“, spricht es der Vorsitzende unverblümt aus. „Sie waren ja immer auf der Suche?“ – „Als Bestätigung“, argumentiert der Angeklagte.

      Die bekam er beispielsweise von „Gipsy dewo“, die er 2016 auf Facebook kennen lernte. Man schrieb sich viel, der sonst dominante K. sagt, er sei in der schriftlichen Beziehung mit der Unbekannten der Unterwürfige und süchtig nach „Gipsy“ gewesen: „Ich wollte nur mit ihr schreiben. Mit ihr in Verbindung sein.“

      Auch während seiner Fahrten kommunizierte er fernschriftlich mit der Person. Und schrieb ihr einmal, dass sein Opfer, wie schon öfter, seine Nähe gesucht und ihren Kopf in seinen Schoß gelegt habe. „Mach mal dein Hosentürl auf und schauen wir, was passiert“, forderte ihn „Gipsy dewo“ auf. „Und Sie haben das gemacht?“, ist Neumar fassungslos. „Ich habe nicht nachgedacht

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