Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof. Michael Möseneder
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Die Folgen des Vorfalls waren verheerend: K. erlitt einen Schädelbasisbruch, war eine Woche stationär im Krankenhaus und leidet auch Monate später noch unter Wortfindungsstörungen und Druckgefühlen im Kopf, wie er schildert. 500 Euro Schmerzensgeld hätte der Pensionist gerne.
Davor erzählt K. jedoch eine völlig andere Version der Geschehnisse. „Ich bin aus dem Kino gekommen, es waren ungefähr 30 Leute auf dem Gehsteig.“ Plötzlich sei er leicht von einem Roller gestreift worden. Es sei nicht dramatisch gewesen, er wollte allerdings seine Auslegung der Straßenverkehrsordnung klar machen. „Was macht ihr da, ihr gehört ja auf die Straße!“, habe er sinngemäß geschrien. „Es tun ja alle“, echauffiert er sich auch vor Gericht.
Vom Scooter habe er aber niemanden gestoßen, stellt der Pensionist klar. Da auf der anderen Straßenseite die zweite Frau – die Mutter des Kindes – wartete, habe er auch ihr nochmals seinen Standpunkt dargelegt. Aber sicher nicht drohend, geschweige denn mit erhobener Faust.
Warum genau das aber sowohl die beiden Scooterfahrerinnen als auch unbeteiligte Zeuginnen und Zeugen aus den umliegenden Gastgärten so wahrgenommen haben, kann er sich nicht erklären. „Da waren sicher 30, 40 Leute herum. Wenn ich so drohend gewesen wäre, warum ist dann nicht von denen wer eingeschritten?“, wundert K. sich.
Die bedrohte Frau liefert dafür in ihrer Aussage eine mögliche Erklärung: „Die anderen haben nichts gemacht, der Herr Angeklagte hat Zivilcourage gezeigt“, lobt sie. Denn der Pensionist habe zu ihrer kopftuchtragenden Schwester auch „Schleicht’s eich in eier Land!“ gesagt, was K. wiederum bestreitet.
Der Verletzte hat das jedenfalls völlig anders wahrgenommen, wie er schildert. „Plötzlich kam der Herr dazu und sagte, ich soll die Frau in Ruhe lassen“, rekapituliert er vor Gericht. „Er hat sich auf die Seite der –“, K. stockt kurz, „– Leute geschlagen, anstatt ihnen zu sagen, dass sie nicht auf dem Gehsteig fahren dürfen.“ Daher habe er P. möglicherweise noch „Wos woin Se von mir?“ gefragt, ehe dieser ihn wuchtig weggestoßen habe. „In der Früh bin ich um neun Uhr dann im SMZ Ost aufgewacht, ohne zu wissen, wie ich da hingekommen bin.“
Die beiden Frauen und die unbeteiligten Zeugen schildern zwar alle einen lautstarken Streit und eine bedrohliche Situation, widersprechen sich aber in der Frage, ob P. den Pensionisten nun aktiv weggestoßen habe oder der auf andere Weise zu Sturz gekommen ist.
P.s Verteidiger Andreas Duensing führt im Schlussplädoyer noch aus, dass sogar ein Wegstoßen rechtlich gedeckt sei: „Mein Mandant hat Nothilfe geleistet und dazu muss er den Angriff zuverlässig vereiteln. Wenn er sich nur dazwischengestellt hätte, wäre er geschlagen worden, das kann man ja von niemandem verlangen!“
Richterin Pasching schließt sich dieser Sicht an und spricht den Angeklagten rechtskräftig frei. „Es hat für alle so ausgesehen, als ob Herr K. die Frau gleich schlagen würde“, begründet sie ihr Urteil. Dass P. sich lediglich dazwischendrängen wollte, glaubt sie ihm zwar nicht, aber auch ein Stoß ist für sie zulässig, da er das gelindeste Mittel sei, um die Situation zu klären. Es habe in weiterer Folge einen unglücklichen Verlauf genommen, aber für eine strafrechtliche Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung sei es zu wenig, meint die Richterin.
Der Steirer und die „grüne Muschi“
Einblicke in ländliches Brauchtum kann man beim von der ehemaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig angestrengten Prozess gegen Richard H. erhalten. Der 44-jährige Steirer muss sich wegen Beleidigung vor Richter Hartwig Handsur verantworten. Im März 2017 soll H. in der Facebook-Gruppe „Unsere blaue Seite“ aktiv geworden sein. Er postete einen Kommentar unter einem Artikel der „Salzburger Nachrichten“ mit dem Titel: „Grüne pochen auf eigenes Frauenministerium“. H.s Reaktion auf diese Meldung: „Diese grüne Muschi, soll sie doch mal die Moslems fragen, das würde sie wohl nicht überleben.“
Der unbescholtene Angeklagte gibt sich jovial: „Ehrlich, Herr Rat, ich weiß nicht mehr, ob ich das geschrieben habe. Es war eine lustige Männerrunde, wir haben das Facebook durchgeschaut und das Handy weitergegeben. Ich weiß nicht mehr, wer es geschrieben hat, und ich werde die Kollegen jetzt nicht fragen.“
Handsur ist etwas konsterniert. „Als das steirische Landesamt für Verfassungsschutz bei Ihnen angerufen hat, haben Sie noch gesagt, Sie hätten es geschrieben und wollen nicht mit dem Verfassungsschutz reden.“ – „Ich habe geglaubt, ich werde gefoppt. Da ruft irgendwer an und sagt, er ist der Verfassungsschutz. Das hätte ja auch Radio Steiermark sein können!“, entschuldigt sich der Angeklagte, der schließlich doch die Verantwortung für den Beitrag übernimmt.
„Gut“, meint der Richter, „wenn Sie es also geschrieben haben, wie haben Sie es gemeint?“ – „Es ist unglücklich formuliert.“ – „Was könnte damit gemeint sein?“ – „Was Grünes kann alles Mögliche sein. Die Steiermark …“ – „Es geht mir jetzt weniger um die Farbe“, unterbricht Handsur den Angeklagten. „Und sagen Sie jetzt nicht, Sie haben mit ‚Muschi‘ eine Katze gemeint.“
H. konzediert schließlich, dass sich eine Frau durch die Bezeichnung „Muschi“ durchaus beleidigt fühlen könnte. „Und steht es da, weil Sie die politische Idee eines Frauenministeriums für blöd halten oder weil Frau Glawischnig eine Frau ist?“, bohrt der Richter nach. Klare Antwort bekommt er keine.
Auch die Anklägerin nicht, als sie wissen will, wer die Mitglieder der „lustigen Männerrunde“ gewesen seien. Es entspinnt sich folgender Dialog: „Da gibt es den Walter, da gibt es den Rudolf …“ – „Nachnamen?“ – „Die weiß ich nicht.“ – „Sie kennen die Nachnamen Ihrer Freunde nicht?“ – „Herr Staatsanwalt …“ – „Ich bin eine Frau und kein Herr!“ – „Entschuldigen Sie, Frau Staatsanwältin.“ – „Und Sie geben einfach Ihr Handy weiter, damit jeder in Ihrem Namen posten kann?“ – „Bei uns am Land ist das üblich.“ – „Ich komme auch vom Land.“ – „Von woher genau?“ – „Das erörtere ich jetzt nicht. Also gibt jeder sein Handy her?“ – „Bei uns herrscht Vertrauen.“
Nebenanklägerin und Privatbeteiligtenvertreterin Elsa Wessely ist durchaus zu einem Vergleich bereit. 604,27 Euro sind bisher an Anwaltskosten aufgelaufen, 250 Euro Schadenersatz will Glawischnig. „Mhhmm, das ist ein gewaltiger Betrag für mich“, sieht sich der Alleinerziehende überfordert. Es beginnen Vergleichsgespräche, die schließlich damit enden, dass H. innerhalb von sechs Wochen 700 Euro zahlen wird. Da daraufhin die Ermächtigung zur Verfolgung und damit auch die Anklage zurückgezogen werden, wird H. von Handsur nicht rechtskräftig freigesprochen.
Der Pizzabäcker und seine Peniskrümmung
Herr S. ist 32 Jahre alt, Italiener und arbeitet seit zwei Jahren in einer Wiener Pizzeria, wo er die knusprigen Fladen herstellt. Im August 2017 soll er laut Anklage, über die ein Schöffensenat unter Vorsitz von Christoph Bauer zu verhandeln hat, versucht haben, eine Kollegin geschlechtlich zu nötigen. Er soll Frau W., 23 Jahre alt, gegen 20 Uhr zur Hauptgeschäftszeit in den Keller des Restaurants gelockt, sie dort in den Duschraum gezerrt und sein erigiertes Glied entblößt haben. Als er versuchte, ihre Hand auf seinen Penis zu ziehen, habe W. sich losreißen können, skizziert die Staatsanwältin in ihrem Anklagevortrag.
Wie so oft in Sexualprozessen steht Aussage gegen Aussage. Denn der unbescholtene Angeklagte beteuert, unschuldig zu sein. „Haben Sie eine Erklärung, warum Frau W. das erfinden sollte?“, will der Vorsitzende von S. wissen. „Ich kann es mir nicht erklären. Tatsache ist, dass ich nichts gemacht habe“, lässt er übersetzen.
Er kann sich allerdings detailreich erinnern, was an diesem Tag vor über