Fettnäpfchenführer Schottland. Ulrike Köhler
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»Ja, es gibt noch viel, was du über uns Schotten lernen musst«, antwortet Paul mit einem leichten Anflug von Triumph in der Stimme.
Das Vorurteil gegen die geizigen Schotten
Das ist wohl das Klischee, mit dem die Schotten weltweit am meisten zu kämpfen haben – nicht umsonst trägt eine Billigkette für Haushaltsgegenstände den schottisch angehauchten Namen Mäc-Geiz. Dabei kann man sich kaum ein Volk vorstellen, das es weniger verdient hat, als geizig bezeichnet zu werden. Das kann jeder bestätigen, der schon einmal in den Genuss schottischer Gastfreundschaft gekommen ist. Was der Schotte hat, das teilt er nur allzu gerne mit seinen Gästen, und zwar ganz unabhängig davon, wie lange oder gut er sie schon kennt. Da es aber genügend Zeiten in der schottischen Geschichte gab, in denen er eben nicht so viel besaß, lernte er, diese wenigen Besitztümer zusammenzuhalten und nichts gedankenlos zu verschwenden.
In Anbetracht von Armut und Hungersnöten, die das Land über die Jahrhunderte immer wieder heimsuchten, ein durchaus verständlicher Ansatz, aber leider etwas, das den Schotten bis heute als Geiz ausgelegt wird – und zum Teil Anlass zu bösartigen Scherzen gibt. So heißt es etwa, der Schotte sei so geizig, dass er sich nicht einmal anständige Hosen leisten wolle und stattdessen die Röcke seiner Frau auftrage. Die Unterhose spare er sich dabei auch gleich noch. Oder man sagt über ihn, er spiele nur deshalb den quäkenden Dudelsack, weil er sich das Geld für ein besseres Instrument sparen wolle. Alles üble Verleumdung!
Denn auch wenn Ausnahmen sicherlich die Regel bestätigen, sind die Schotten mit dem, was sie haben, mehr als großzügig. Gastfreundschaft ist in Schottland eine Frage der Ehre und des persönlichen Stolzes. Nichts wäre demütigender für einen schottischen Gastgeber als das Gefühl, er könne es sich nicht leisten, seinem Gast jeden Wunsch zu erfüllen. Für diese Momente hält er sein Hab und Gut seit jeher zusammen und dreht dann eben doch den einen oder anderen Penny mehrmals um, bevor er ihn ausgibt. Für ihn gilt der Spruch: Spare in der Zeit, so hast du in der Not. In Zeiten von Finanzkrisen, Brexit und allgemeiner Unsicherheit eigentlich gar keine schlechte Eigenschaft, oder?
WEITERE VORURTEILE IM FAKTENCHECK
Alle Schotten haben rote Haare: Stimmt nicht! Ein Blick auf die Passanten in den Straßen von Edinburgh, Glasgow und Inverness genügt, um das zu erkennen. Viele Schotten sind stattdessen dunkelhaarig. Das ist Teil ihres keltischen Erbes aus südlicheren Teilen Europas, während die roten Haare auf ihre Wikingervorfahren zurückgehen. Dennoch stimmt es, dass Schottland – nach Irland – die zweithöchste Dichte an rothaarigen Bewohnern aufweist: Wie Maciamo Hay auf eupedia.com schreibt, haben – je nach Studie – zehn bis 25 Prozent der Bevölkerung rote Haare, während es auf der restlichen Welt nur etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung sind.
Alle Schotten haben schlechte Zähne: Stimmt nicht (mehr)! Es ist wahr, dass Armut und schlechte, sehr zuckerreiche Ernährung über eine lange Zeit hinweg schuld daran waren, dass viele Schotten schlechte Zähne hatten. Man denke nur an den schottischen Energydrink Irn-Bru und frittierte Marsriegel! Doch inzwischen hat es ein Umdenken gegeben: Viele Menschen ernähren sich bewusster und gesünder, und auch in der Gesundheitsvorsorge hat sich einiges getan.
Alle Schotten sind ständig betrunken: Stimmt nicht (ganz)! Alkohol ist ein fester Bestandteil der schottischen Kultur, in guter wie in schlechter Hinsicht. Während Whisky- und Gin-Kenner die edlen Tropfen aus Schottland preisen, gibt es gerade in ärmeren Regionen noch immer viele Probleme durch Alkoholmissbrauch und Alkoholismus. Betrunken zu sein und das auch zu zeigen gehört für viele junge Menschen zu einem klassischen Freitag- und Samstagabend dazu. Dann lassen sie es richtig krachen!
Alle Schotten sind kampfeslustig: Stimmt nicht! Man hat immer William Wallace in Braveheart vor Augen, der mit blutverschmiertem Gesicht testosterongeladen die Faust in die Höhe stößt und ein lautes Kriegsgeheul anstimmt. Mit dem schottischen Alltag hat das aber nicht viel zu tun: Im Allgemeinen sind die Schotten sehr friedfertig. Auch wenn der eine oder andere Abend im Pub schon mal in einer Schlägerei enden kann ...
3
ABER DAS KANN ICH DOCH NICHT ANNEHMEN!
DIE HÖFLICHKEIT DES NEHMENS
Möwengeschrei weckt Franziska am Morgen – ein wunderschönes Geräusch, das ihr sofort ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Als Münchnerin kennt sie es sonst nur aus dem Urlaub. Eine milchige Sonne scheint in das kleine Zimmer hinein, und es dauert einen Moment, bis Franziska wieder weiß, wo sie ist. Die Dusche ist gewöhnungsbedürftig, stellt sie wenig später entnervt fest, als sie zähneklappernd neben der Duschkabine steht und gleichzeitig versucht, sich nicht die Hände zu verbrennen: Statt einer Mischbatterie gibt es zwei antik aussehende Wasserhähne, einen für warmes Wasser, einen für kaltes Wasser. Aber so sehr sie sich auch bemüht, es gelingt Franziska nicht, damit eine auch nur einigermaßen erträgliche Wassertemperatur zu erzeugen, unter der es sich länger als ein paar Sekunden aushalten lässt.
Als sie zehn Minuten später mit nassen Haaren in der Küche sitzt, an einer Tasse Tee nippt und »Föhn« auf ihre lange Einkaufsliste setzt, kommt Fiona die Treppe herunter und lächelt wissend. »Na, hast du dich mit der Dusche geprügelt?«
»Ja, und sie hat gewonnen«, antwortet Franziska mit einem gespielten Augenrollen.
»Du kannst übrigens meinen Föhn benutzen. Er liegt unter dem Waschbecken.« Fiona deutet auf Franziskas tropfnasse Strähnen. »Ist nicht gesund, hier mit nassen Haaren herumzusitzen.«
Franziska lächelt und zeigt auf ihre Liste. »Danke, aber ich muss eh ein paar Dinge besorgen, dann kann ich mir auch gleich einen Föhn kaufen.«
Fiona, nun ebenfalls mit einer Tasse Tee in der Hand, fischt eine Scheibe Brot aus dem Toaster und schlendert zum Tisch. »Darf ich mal schauen?«
Franziska schiebt ihr die Liste zu und steht auf, um sich ebenfalls noch einen Toast zu machen. Gegen die Arbeitsplatte gelehnt beobachtet sie Fiona, deren frisch geföhntes dunkles Haar im Licht der einfallenden Sonne glänzt. Irgendwie hat sie etwas Geheimnisvolles an sich, denkt Franziska, kann es aber nicht richtig benennen.
Unterdessen angelt sich Fiona den Stift und streicht beherzt einige Zeilen durch. »Du brauchst dir keine zusätzliche Wolldecke zu kaufen. Du kannst eine von mir haben. In ein paar Wochen brauchst du sie ohnehin nicht mehr. Glaub mir, unter dem Dach wird im Sommer es ziemlich warm und stickig. Und wozu brauchst du Geschirr? Du kannst doch alles benutzen, was hier in der Küche steht. Spar dir dein Geld lieber für andere Dinge.« Mit zusammengezogenen Augenbrauen unterzieht sie die Liste einer weiteren Inspektion. »Ein Fahrrad? Im Ernst? Hast du den Berg gesehen, auf dem wir wohnen?« Sie lacht. »Mein Fahrrad steht seit sechs Monaten ungenutzt in der Garage. Du kannst es gerne nehmen, das tue ich mir nicht an.« Sie streicht auch das Fahrrad durch und streckt Franziska die Liste zufrieden entgegen. »So, damit kannst du losziehen.« Sie schiebt sich das letzte Stückchen Toast in den Mund, wirft ihre Haare zurück und schnappt sich ihre Tasche. »Heute Abend können wir mal in meinen Kleiderschrank schauen, wenn du willst. Dann sparst du dir die Sportsachen auch noch. Das meiste von meinen Klamotten müsste dir passen. Ich komme ohnehin kaum zum Sport.«
»Danke dir, Fiona, aber das kann ich nicht annehmen.«
»Warum nicht?«, fragt Fiona verwundert.