Fettnäpfchenführer Schottland. Ulrike Köhler
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»Für mich nicht, danke. Ich hätte lieber einen Kaffee oder Cappuccino, wenn das möglich ist.«
Vier Augenbrauenpaare schnellen schlagartig in die Höhe. Franziska beißt sich auf die Lippe und will schon zurückrudern, als Jenny – ganz die perfekte Gastgeberin – fröhlich auflacht und schwungvollen Schrittes in der Küche verschwindet. »Natürlich, ich hätte vorher fragen sollen!«
Kein Schottlandbesuch ohne schwarzen Tee!
Selbstverständlich gibt es kein Gesetz, das besagt, dass man in Schottland Tee trinken muss. Schwarzer Tee – mit oder ohne Milch und/oder Zucker – ist schließlich nicht jedermanns Geschmack. Und dafür haben die Schotten natürlich vollstes Verständnis. Trotzdem sollte man nicht unterschätzen, welche Bedeutung das Teetrinken für die Schotten hat. Denn tatsächlich gehören sie zu den wohl größten Teeliebhabern der Welt. Und das will, vor allem in Anbetracht der englischen Nachbarn, schon einiges heißen! Die Liebe der Schotten zu ihrem schwarzen Tee begann bereits im frühen 17. Jahrhundert, als die Herzogin von York, eine gewisse Mary of Modena, ihn in Schottland bekannt machte. Innerhalb kürzester Zeit führte die Begeisterung für das Heißgetränk dazu, dass sich abenteuerlustige Schotten aufmachten, mehrere Ozeane zu überqueren, um in Indien und Sri Lanka selbst Tee anzubauen. James Taylor, der »Vater des Ceylontees«, etwa stammte aus Kincardinshire in Schottland und wanderte Mitte des 19. Jahrhunderts nach British Ceylon (in das heutige Sri Lanka) aus, um dort mit den aromatischen Blättern ein Vermögen zu machen.
Spätestens seit dieser Zeit ist das Teetrinken in Schottland so etwas wie eine Volksbeschäftigung geworden – wenn auch zunächst nur für diejenigen Teile der Bevölkerung, die sich das Luxusgut leisten konnten. Heute ist Tee in Form von PG-Tips- und Tetley-Großpackungen überall in Schottland günstig erhältlich – und damit ständiger Begleiter im schottischen Alltag. James Lipton sei Dank! Der Unternehmer aus Glasgow war der Erste, der Tee zu erschwinglichen Preisen verkaufte und ihn so zum Musthave in jedem schottischen Haushalt machte. Und so ist es bis heute geblieben. Kein Wunder: Tee bietet Gesprächsstoff, gibt den Schotten etwas zu tun, wenn sie Besuch empfangen, und ist überhaupt eine bezaubernde Einleitung für jegliche Form sozialer Interaktion. Die Frage, ob man eine Tasse Tee wünsche, ist also so unvermeidlich wie das kurze Plaudern über das Wetter – ebenfalls ein fester Bestandteil schottischer Kultur. Bedenken Sie dabei: Während fast alle Schotten Tee zu Hause haben, dürfte die Bitte nach einem Kaffee den einen oder anderen von ihnen in Verlegenheit bringen. Schon allein deshalb lohnt es sich, dem Getränk aus dem Fernen Osten eine Chance zu geben.
Schnell merkt man dann, dass schwarzer Tee seinen Reiz hat – vor allem dann, wenn man nach einem langen Tag an der frischen Luft in die Unterkunft kommt, sich an der tea & coffee making facility des Zimmers bedienen kann und schon der erste Schluck die Lebensgeister wieder aufleben lässt. Das kann im Laufe eines Schottlandurlaubs schnell zu einem liebgewonnenen Ritual werden. Und plötzlich weiß man gar nicht mehr, was man ursprünglich mal gegen a cup of tea einzuwenden hatte.
Doch keine Sorge: Jedes Hotel oder B&B sorgt dafür, dass auch Kaffeetrinker auf ihre Kosten kommen. Kaffeemaschinen oder wenigstens Instantkaffee gehören zur Standardausstattung einer jeden schottischen Herberge.
DEN AFTERNOON TEA IN SCHOTTLAND GENIESSEN
Gönnen Sie sich in Ihrem Urlaub einen klassischen afternoon tea und verwöhnen Sie sich so richtig. Das ist dann wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um auf Kalorien zu achten!
Zum afternoon tea gehören meistens:
eine kleine Kanne schwarzer Tee,
ein Kännchen mit Sahne oder eine Schale mit clotted cream (sehr reichhaltige, festere Sahne),
scones mit noch mehr cream und Marmelade.
Wahlweise wird der afternoon tea durch kleine Sandwichhäppchen, shortbread, Früchtekuchen und köstliches Kleingebäck jeglicher Art ergänzt.
Übrigens: Verwechseln Sie den afternoon tea nicht mit dem traditionellen high tea, wie er in manchen altehrwürdigen Hotels und Restaurants noch angeboten wird! Unter Letzterem versteht man eine komplette Mahlzeit, zu der neben dem Tee zum Beispiel auch ein Gericht mit Fisch oder ein steak pie serviert werden. Typischerweise wird der high tea zwischen dem späten Nachmittag und dem frühen Abend serviert und ist damit so etwas wie ein zeitiges Abendessen. Deshalb heißt das Abendessen bei manchen Schotten auch tea.
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ES HEISST »MS BAUM-GARTNER«, BITTE SCHÖN!
SICH VORSTELLEN UND ANDERE RICHTIG ANSPRECHEN
An Franziskas erstem Arbeitstag bringt Paul seinen alten Mercedes vor dem hässlichen 60er-Jahre-Bau zum Stehen, in dem sich das Krankenhaus von Inverness befindet. Das helle Gebäude mit den vielen flachen Anbauten ist architektonisch gesehen ein Schandfleck in dem hübschen Städtchen, das Franziska bereits liebgewonnen hat. Doch ihre Bedenken gegen diesen Ort sind sofort wie weggewischt, als ihr Emily an der Tür entgegenkommt, eine robuste Frau, vielleicht fünf Jahre älter als sie, mit lauter Stimme und schallendem Lachen. Sie begrüßt Franziska mit einem kräftigen Händeschütteln, wirft über ihre Schulter einen interessierten Blick auf Paul, der in seinem klapprigen Mercedes davonfährt, und führt Franziska dann schwungvoll durch den Haupteingang in den Empfangsbereich des Krankenhauses. Obwohl ein paar Menschen auf schlichten Plastikstühlen sitzen und warten und in einer Ecke zwei Krankenschwestern mit einem Arzt zusammenstehen, ist es überraschend ruhig im Inneren. Emily führt Franziska zielstrebig zum Aufzug, zeigt in alle Richtungen, erklärt ohne Punkt und Komma, wo sich was befindet und wer wo zu finden ist, und vergisst nicht, ihr schon mal den Weg zur Kantine und zum allseits beliebten Snackautomaten zu zeigen. Franziska folgt den wilden Armbewegungen mit den Augen, gibt aber den Versuch, sich auch nur irgendetwas davon einzuprägen, recht schnell auf.
Im fünften Stock verlassen sie den Aufzug auf einem langen Gang, und Emily hält kurz inne. »Jetzt ist es so weit! Wir haben wirklich lange auf dich gewartet«, sagt sie freudestrahlend und stößt die Tür zum Gemeinschaftsraum auf. Der Duft von warmem Toast und Automatenkaffee schlägt ihnen entgegen, und sieben Augenpaare richten sich neugierig auf die Tür. »Hallo zusammen, das hier ist Franziska!« In dem darauffolgenden Begrüßungsdurcheinander bekommt Franziska nicht nur eine Tasse Tee in die Hand gedrückt, sie schüttelt auch sieben Hände und versucht verzweifelt, einzelne Namen aufzuschnappen. »Baumgartner, sehr erfreut«, antwortet sie jedes Mal mechanisch und lächelt, überwältigt von diesem Empfang. Ehe sie sichs versieht, sitzt sie mit der Tasse in der einen und dem obligatorischen Stück shortbread in der anderen Hand am Plastiktisch und versucht, die Fragen ihrer neuen Kollegen zu beantworten.
Zwanzig Minuten später kommt Aufbruchstimmung auf – die Kaffeepause ist vorbei, und die Gruppe verteilt sich auf die diversen Labore auf dem Gang. Emily und Franziska folgen den anderen in die einzelnen Räume, wo weitere Doktoranten, Studenten und Postdocs an Geräten und Computern sitzen und ihr ihre Namen nennen, die Franziska sofort wieder vergisst. »Das ist Peter, er ist erst seit letzter Woche bei uns und arbeitet mit dir zusammen. Und da drüben sitzt Eleanore, sie kannst du immer fragen, wenn du irgendwelche Scans brauchst.«