Fettnäpfchenführer Schottland. Ulrike Köhler

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Fettnäpfchenführer Schottland - Ulrike Köhler Fettnäpfchenführer

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von Emily auf. Als sie dazu ansetzt, etwas zu sagen, betritt ein älterer Mann mit grauem Vollbart den Raum und kommt mit weit ausholenden Schritten auf sie zu.

      »Ist sie das?«, fragt er Emily und betrachtet Franziska wohlwollend. »Franziska?«

      »Ms Baumgartner, ja«, antwortet Franziska.

      Emily und der Mann, der wohl der Professor sein muss, tauschen einen irritierten Blick. »Ms Baumgartner«, sagt er dann und macht eine kleine Pause. »Willkommen bei uns im Raigmore Hospital. Ich bin mir sicher, wir werden eine gute Zeit zusammen haben.« Er klopft Emily auf die Schulter und verlässt dann den Raum so schwungvoll, wie er gekommen ist.

      »Ms Baumgartner? Ist das dein Ernst?«, fragt Emily, offensichtlich noch immer irritiert.

      »Ja, bei uns ist das so üblich.«

      »Hier nicht«, lacht Emily herzlich und zeigt auf ihr Namensschild auf dem Kittel, auf dem tatsächlich nur »Emily« steht, wie Franziska erst jetzt bemerkt. Wenige Minuten später trägt sie selbst einen Kittel mit einem Namensschild, auf das Emily einfach nur »Franziska« geschrieben hat.

       Entspannt zum Vornamen übergehen

      Die meisten Schotten werden sich Ihnen mit ihrem Vornamen vorstellen und erwarten das Gleiche auch von Ihnen – für das deutsche Empfinden ist das jedoch oft ein kleines bisschen zu schnell. Das liegt vor allem daran, dass wir hierzulande den Vornamen nur dann verwenden, wenn wir unser Gegenüber auch duzen. Es ist einfach nicht üblich, dass man entfernt Bekannte mit »Torsten, könnten Sie ...« anspricht. Anders im angelsächsischen Raum: Nur weil man jemanden beim Vornamen nennt, heißt das noch lange nicht, dass man sich bereits auf einer Ebene begegnet, die auch ein »Du« erlauben würde (wenn es denn im Englischen eines gäbe). Im Gegenteil: Oft dauert es in Schottland länger, bis Sie die Ebene des oberflächlich freundlichen Small Talks verlassen und tatsächlich auf eine persönliche Ebene vordringen können. Das gilt vor allem im beruflichen Kontext, wird Ihnen aber auch in anderen Lebensbereichen begegnen. Ihre private Komfortzone schützen Briten nämlich mit einer liebenswerten Penibilität, die sie das Gespräch ganz schnell wieder in seichte Gewässer lenken lässt – etwa über das Wetter –, sobald es ihnen zu persönlich wird.

      Die Ebene des Vornamens ist hingegen sowohl in Schottland als auch in England in der Regel spätestens beim ersten persönlichen Treffen erreicht. Und ab diesem Zeitpunkt wäre es äußerst unhöflich – und für die Schotten nicht nachvollziehbar –, wenn Sie weiterhin auf Ihren Nachnamen und die höfliche Ansprache mit »Mr« oder »Ms« bestehen würden. Je nachdem, in welchem Bereich oder in welcher Branche Sie sich bewegen, kann die Vornamenebene aber auch schon erreicht sein, bevor man überhaupt ein einziges Wort miteinander gewechselt hat. Das gilt vor allem im Tourismus und ist für die Schotten einfach eine weitere Möglichkeit, ihre Gastfreundschaft zum Ausdruck zu bringen. Während Sie sich noch beim Verfassen einer Buchungsmail für ein B&B mit »Dear Mr and Ms« herumquälen, sind die Schotten in der Regel bereits auf ihrer Website zum Vornamen übergegangen und werden Ihre Mail mit einem fröhlichen »Dear Franziska« beginnen und mit einem »Best regards, Mary and John« beenden. Hier heißt es: einsteigen und Mary und John ab sofort ebenfalls mit dem Vornamen anreden. Positiver Nebeneffekt: Sie freuen sich gleich noch mehr auf den Besuch, weil Sie bereits das Gefühl haben, zu guten Freunden zu kommen.

      Überhaupt entkrampft die Anrede mit dem Vornamen den Umgang miteinander ungemein und macht es leichter, in den von den Briten so geliebten Small Talk einzusteigen. Es gibt sofort eine gewisse Vertrauensbasis, auf der man unter Umständen eine gute Beziehung aufbauen kann. Wenn Sie dann auf die höfliche Anrede mit dem Nachnamen beharren, reißen Sie diese Brücke sofort wieder ein und vergeben im schlimmsten Falle die Chance, faszinierende Menschen näher kennenzulernen.

       MRS, MISS ODER MS?

      Sollte es in der schriftlichen Kommunikation doch notwendig sein, Ihr Gegenüber förmlich anzusprechen, geben Sie auf ein großes Fettnäpfchen acht: Unterschied man früher in der Ansprache verheiratete Frauen (Mrs) und unverheiratete Frauen (Miss), so ist es heute, im Zuge der Gleichberechtigung, nicht mehr üblich, die Anrede dem Familienstand anzupassen. Stattdessen schreibt man »Ms«, ganz egal, ob sie verheiratet ist und nicht. Bei »Ms« handelt es sich jedoch nicht um eine Abkürzung für »Miss«, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern um die Kurzform von »Mistress«. So sprach man früher respektvoll die Dame des Hauses an, ledige ebenso wie verheiratete. Im »Ms« schwingt also eine Respektsbekundung mit, die bei »Miss« vollends fehlt.

      Auch in der mündlichen Kommunikation hat die Anrede »Miss« nichts mehr zu suchen. Sie ist das englische Äquiva-lent zu »Fräulein« und könnte in vielen Situationen (etwa im Tourismus oder im Service) als abwertend oder sogar diskriminierend empfunden werden. Achten Sie deshalb darauf, auch in der Aussprache einen deutlichen Unterschied zu machen: »Ms« wird mit einem stimmhaften s am Ende gesprochen, das wie das Summen einer Biene klingt.

      Alleinstehend, also etwa »Ms, could you please ...«, wird die Anrede nicht verwendet – immer nur im Zusammenhang mit dem Nachnamen. Benötigen Sie eine Formulierung, um die Aufmerksamkeit von jemandem zu erregen, sagen Sie einfach: »Excuse me, could you please ...«

      6

       I AM VERY GOOD, THANK YOU, BUT ...

      »Franziska, so pleased to meet you. How are you doing?« Fröhlich nimmt Sophie, die Sekretärin des Fachbereichs, Franziska in Empfang und führt sie in ihr Büro, wo sie den Papierkram für die Anstellung in Inverness vorbereitet hat. »Danke, es geht mir gut. Ich bin jetzt schon eine ganze Woche hier und es gefällt mir wahnsinnig gut. Ich habe wirklich nette Mitbewohner, und die Kollegen hier haben mich alle so lieb aufgenommen. In manchen Punkten fällt mir die Umstellung noch schwer, aber das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen sicherlich alles einspielen. Nur das Wetter macht mir noch ein bisschen zu schaffen. In München haben wir immer sehr viel Sonne und ein recht mildes Klima. Das ist hier oben schon ganz anders ...« Sophie nickt geistesabwesend, während sie mit konzentrierter Miene durch einen Stapel Formulare blättert. Hin und wieder huscht ein routiniertes Lächeln über ihre Lippen, und schließlich setzt sie Franziskas Redefluss mit einem resoluten »Sure. You’ll be fine!« ein Ende.

      Franziska beißt sich auf die Unterlippe und nimmt den Papierstapel in Empfang. »Das kannst du gleich ausfüllen, nachdem wir in der Personalabteilung waren. Ich brauche das bis heute Abend zurück. Komm am besten gleich mit!« Schon ist Sophie wieder auf den Beinen und dirigiert Franziska zur Tür hinaus. Ein Stockwerk höher bleibt sie schließlich vor einer Tür stehen und klopft kurz an, bevor sie sie öffnet. »Rose, das ist Franziska aus Deutschland. Sie ist in Berts Team. Hast du schon den Hausausweis fertig?« Rose steht schwerfällig von ihrem Schreibtisch auf und kommt mit einem strahlenden Lächeln auf Franziska zu. »Franziska, how are you?« Franziska ergreift die ausgestreckte Hand und freut sich über die Herzlichkeit, die ihr hier überall entgegenschlägt. »Sehr gut, vielen Dank. Ich habe mich schon ganz gut eingelebt und finde Inverness wirklich wunderschön. Alle Menschen sind so nett und hilfsbereit. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben. Allerdings muss ich mich erst noch an das Wetter gewöhnen ...« Ein leises Hüsteln von Sophie unterbricht Franziska einmal mehr, und sie blickt irritiert zur Tür, wo die zierliche Frau an den Türrahmen gelehnt steht. »Schön, das freut mich zu

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