Fettnäpfchenführer Finnland. Gudrun Söffker

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Fettnäpfchenführer Finnland - Gudrun Söffker Fettnäpfchenführer

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des mehrstöckigen Hauses. Völlig problemlos gibt er den Weg frei. Nur wohin?

      In ihre Wohnung. Dort passt der andere Schlüssel nämlich auch, unglaublich. Und nachdem sie die Tür geschlossen und sich mit einem tiefen Atemzug dagegengelehnt hat, öffnet sich sogleich eine weitere und ein fröhliches »Hei!« schallt ihr entgegen.

       »Hei!«

       »Minä olen Lauri.«

      »Wie bitte?«

      »Ah, entschuldige, ich wusste nicht, dass du kein Finnisch sprichst«, beeilt er sich auf Englisch zu ergänzen. »Ich bin Lauri. Willkommen!«

      Greta kann sich vorstellen, dass es hier ganz so verkehrt nicht sein wird, ob nun Skatuddsstranden oder Katajanokanranta. »Ich bin Greta, hallo. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber wie heißt die Adresse hier? Also unsere Adresse? Am Straßenschild standen zwei Namen. Und die Frau im Büro kannte die eine gar nicht.«

      »Alle Straßennamen sind zweisprachig beschriftet: finnisch und schwedisch, das ist natürlich verwirrend, kann ich mir vorstellen. Aber du hast’s ja gefunden.«

      »Und welcher ist jetzt der richtige Name?«

      »Das kommt drauf an, wen du fragst. Die Finnlandschweden verwenden den schwedischen Namen, die finnischen Finnen den finnischen.«

      »Und du?«

      »Ich mach’s mal so und mal so, je nachdem, mit wem ich rede. Meine Mutter ist Finnlandschwedin, sie kommt von einer kleinen Schäreninsel zwischen Turku und Stockholm. Aber ich bin in Jyväskylä aufgewachsen, also im Landesinneren, wo mein Vater herkommt und nur Finnisch gesprochen wird. Ich spreche beides.«

       EIN LAND, ZWEI SPRACHEN UND IHR SLANGI

      Dass man in Finnland Finnisch spricht, wird niemanden verwundern. Da Finnland aber bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zu Schweden gehörte, war das lange Zeit anders. Einwanderer aus den westlichen Ostseegebieten hatten ihre Sprache mitgebracht und sich in den wirtschaftlich interessanten Küstenregionen niedergelassen. Noch heute sind dies die Gegenden, wo am meisten Schwedisch gesprochen wird. Allerdings haben landesweit nur noch etwa fünf Prozent der Finnen Schwedisch als Muttersprache. Seit 1922 regelt das kielilaki, das Sprachgesetz, dass je nach Bevölkerungsmehrheit die eine, die andere oder beide Sprachen offiziell verwendet werden müssen. Wenn mindestens acht Prozent oder 3.000 Einwohner einer Kommune die Minderheitensprache sprechen, ist die Gemeinde zweisprachig. Dies betrifft zurzeit etwa jede zehnte.

      Der schwedische Begriff skatudden bedeutet ungefähr »spitze Landzunge«. Aus ihm ist spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts die finnische Form Katajanokka entstanden, wobei kataja zwar Wacholder bedeutet, aber wohl einfach eine lautliche Umformung des schwedischen skata ist, während nokka die Übersetzung von udde darstellt. Um die Verwirrung komplett zu machen, sei noch erwähnt, dass das schwedische skata außerdem Elster heißt, was wiederum mit der spitzen Form ihres Bürzels zu tun haben soll, aber ebenso wenig wie der Wacholder für Katajanokka namensgebend war.

      In der Praxis geht es auch viel einfacher: Einheimische nennen die Halbinsel kurz Skatta. Das bewahrt das Schwedische s und erleichtert die finnische Aussprache durch das tt. Der Helsinkier Stadt-Slang geht noch weit darüber hinaus und verwendet zahlreiche Mischformen aus dem Schwedischen und Finnischen, zum Beispiel die Bezeichnung für Helsinki selbst: Stadi.

      »Und Englisch natürlich.«

      »Klar, und du?«

      »Ich auch.«

      »Na, ich meine, wo kommst du eigentlich her? Bist du Italienerin?«

      »Nein.« Greta lacht. »Nur weil ich dunkle Haare habe? Ich komme aus Deutschland. Aber ich spreche auch ein bisschen Italienisch, wenn du möchtest.«

      »Va bene, aber gerne, ich glaube, wir werden die internationalste WG von Helsinki.«

       Sopii!

      Darauf kann sie sich verlassen: dass Internationalität geachtet wird. Wie international Finnland selbst ist, wird oft unterschätzt. Die Zweisprachigkeit ist ein Phänomen, das oft verwundert. Allerdings hat das mit Internationalität insofern nichts zu tun, als die Finnlandschweden im Allgemeinen nicht der staatlichen Zugehörigkeit zu Schweden nachweinen. Es ist eine Minderheit, die weder prinzipiell assimiliert noch unterdrückt wurde, im Gegenteil nahmen Finnlandschweden bis ins 20. Jahrhundert hinein überdurchschnittlich viele politisch und wirtschaftlich bedeutende Positionen ein.

      Zunächst einmal sind es auch die Finnisch sprechenden Finnen gewesen, deren Sprache und Kultur weniger geachtet war. Daraus resultiert noch manche reservierte Haltung gegenüber der finnlandschwedischen Kultur heute. Nicht alle Finnen sind so versessen darauf, Schwedisch zu lernen, schon gar nicht in küstenfernen Regionen, wo man die Sprache überhaupt nicht verwenden kann. Die wenigsten aber sind so biestig wie die Dame im Wohnheimbüro, die nicht einmal bereit war, das Missverständnis aufzuklären. Sie muss schließlich bemerkt haben, dass Greta sowohl unwissend als auch völlig neutral in dieser Frage war. Mit Lauri hat sie jemanden kennengelernt, der in beiden Sprach- und Kulturbereichen zu Hause ist, was häufig vorkommt.

      4

       WAS BEDEUTET PRESIDENTTI?

       WELTPOLITIK BEI EINER TASSE KAFFEE

      Greta steht grübelnd in der Küche und versucht sich zu erinnern, wo sie ihre Einkäufe verstauen darf, als sie hört, dass die Wohnungstür geöffnet wird.

      »Möchtest du auch einen Kaffee, Lauri?«, ruft sie in den Flur.

      »Joo, danke«, klingt es zurück. Greta angelt die Kaffeepackung aus dem Rucksack, den Rest platziert sie aufs Geratewohl im Hängeschrank neben der Spüle.

       »Moi.«

       »Moi?«

      »Ja, hallo.«

      »Ach so, ich dachte, das heißt hei?«

      »Joo. Aber auch moi.«

      »Aha. Sag mal, wo sind denn die Becher?«

      »Hier.« Lauri öffnet den Schrank direkt über der Spüle. Er quillt fast über vor Geschirr, das chaotisch auf Abtropfgestelle gestapelt ist, kreuz und quer, aber sauber.

      Greta staunt. »So was hab ich noch nie gesehen. Ist ja superpraktisch, dann muss man nicht abtrocknen. Stellt ihr das Geschirr nie weg?«

       VOM ABTROPFSCHRANK ZU AALTO

      Seit 1948 wird der Abtropfschrank in Finnland produziert. Enso-Gutzeit, heute Stora Enso, hat als erste Firma den Mehrwert des Schranks gegenüber dem einfachen Gestell erkannt. Selbstverständlich war es eine Finnin, die die Idee dazu gehabt hatte. Nicht nur dieser besondere Schrank brachte Enso-Gutzeit die finanziellen Möglichkeiten, um 1962 ein neues Hauptgebäude zu beziehen, auf Katajanokka, geplant vom weltbekannten finnischen Architekten

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