Fettnäpfchenführer Korea. Jan-Rolf Janowski

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Fettnäpfchenführer Korea - Jan-Rolf Janowski Fettnäpfchenführer

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ob Imbiss oder Hipsterschuppen, spätestens in Korea selbst fühlt man sich im Nachhinein betrogen: Dort kostet das exakt gleiche Gericht mit sieben Beilagen und kostenlosem Wasser dazu am Ende oft weniger als ein Drittel. Hoher Preis und sparsamer Gewürzeinsatz sind dann auch die Hauptfaktoren, die eine noch weitere Verbreitung der koreanischen Küche in Europa bislang verhindern. Und das, obwohl auch aufeinanderfolgende koreanische Regierungen den Kimchi-Kulturexport quasi zur Chefsache machten.

      Bei Nico wiederum lief alles ganz anders. Weil sein Vater vor vielen Jahren schon einmal in Japan für sein Unternehmen tätig gewesen war, hatten Nico und seine Familie einige Zeit dort gelebt und ein paar Mal Korea besucht.

      Auf den Fotos, die sich manchmal gemeinsam anschauten, sah man unter anderem Nico auf einer steinernen Empore, die zum Thronsaal eines Königspalastes in Seoul führt, einen steinernen Wächter reiten, der aussieht wie ein Tiger. Papa würde dann immer erläutern, dass das gar kein Tiger sei, sondern eigentlich eine mythische Figur, die noch am ehesten einer Giraffe ähnele, worauf Mama dann immer einwerfen würde, dass es doch in Korea gar keine Giraffen gäbe. Nico war das recht egal; er fand einfach schön, wie glücklich er damals aussah.

      Die einzige direkte Erinnerung, die Nico noch an Korea hatte, war so ein Geruch in der Nase. Faulig irgendwie, nicht unangenehm, aber auch nicht eben verlockend. Dieser schien sogar am kleinen Tiger Hodori zu kleben, dem Maskottchen der Olympischen Spiele 1988, den ihm damals sein Vater von einer Geschäftsreise mitgebracht hatte. Und auch wenn die letzte Reise nach Korea schon viele Jahre zurücklag, erzählte der Vater auch heute noch fast allabendlich, wie »die Koreaner« seien: hart arbeitende, freundliche Menschen und vor allem immer noch mit viel Potenzial. Ganz anders als Deutschland. Korea sei jedes Mal neu, immer im Wandel, the place to be für alle, die was mit Wirtschaft machen. Es klang wie ein Befehl.

      Als Nico dann kurz nach seinem Abschluss in BWL immer noch nicht in die Gänge kam, wurde das elterliche Drängen stärker. Der Vater beschloss, Nico müsse jetzt langsam mal Auslandserfahrung sammeln, so richtig Ausland. Nico hatte zwar in Maastricht studiert, war durchaus international geprägt und Asien an sich auch nicht abgeneigt, aber so recht begeistert war er von der Aussicht auf ein halbes Jahr Reisessen und sinnlose Überstunden nicht unbedingt. Denn das waren die Erinnerungen seiner Mutter an die Arbeit des Vaters in Japan: Selten war ihr Mann vor 22 Uhr zu Hause, oft noch später. Sie saß unterdessen mit dem kleinen Nico im Tokioter Großstadttrubel und konnte sich nicht verständigen. Jeder Gang zum Supermarkt ein Abenteuer. Asien, das kam für sie zumindest nicht mehr infrage.

      Aber natürlich widersprach sie ihrem Mann nicht, denn der kannte sich ja am besten aus. Nach wenigen Telefonaten mit alten Kollegen hatte Papa seinem Sohnemann einen Praktikumsplatz bei einem angesehenen Unternehmen in Seoul besorgt. »Nach Hongkong oder Peking gehen sie heute doch alle«, kommentierte der Vater das Ergebnis knapp, und Sohnemann durfte immerhin noch formal zustimmen. Also ergab sich Nico wieder einmal in sein Schicksal und begann sich zu informieren. Im Internet fand er bald heraus, dass Seoul nicht nur wirtschaftlich und technologisch eine weltweit führende Metropole sei, sondern auch ein einzigartiges Nachtleben zu bieten habe. Insbesondere Zweiteres trug maßgeblich dazu bei, dass Nico sich sehr bald mit dem Gedanken, ein Wiederriechen mit dem fauligen Geruch seiner Kindheit zu feiern, anfreunden konnte. Da es schon in wenigen Wochen losgehen würde und er noch seine Studentenwohnung in Maastricht auflösen musste, hatte er aber kaum Zeit, sich in aller Tiefe vorzubereiten. Aber wie sagte Papa immer: »Arbeit ist Arbeit, Menschen sind Menschen, überall auf der Welt.«

      1

       DER FLUG

       VÖLKERWANDERUNG INS FLUGZEUGHECK

       Wenn gar nichts klappt, findet man selbst in einem Ei noch Knochen

      Endlich ist der große Tag gekommen. Julia hat sich gründlich vorbereitet. Sie weiß auch schon, dass es an Bord vermutlich bibimbap geben wird, gemischten Reis mit Gemüse und Spiegelei obendrauf, dafür ist die koreanische Fluglinie bekannt, mit der sie fliegt.

      Doch das Erlebnis beginnt schon auf dem Flughafen in Frankfurt, von wo aus Julias Direktflug nach Seoul startet, beziehungsweise nach Incheon, wie sie die Frau am Schalter korrigiert. Jaja, dass der Flughafen außerhalb der Stadt ist, das weiß sie selber. Gut, dass sie diese deutsche Detailversessenheit jetzt erst einmal hinter sich lassen kann. Weiter hinten in der Schlange erblickt Julia einige junge koreanische Individualreisende, die jedoch so uniformiert angezogen sind, dass sie schon wieder wie eine Gruppe erscheinen: die Damen dunkle Sonnenbrillen, betont lässige, aber hochwertige Freizeitkleidung, die Männer in Karohemden und mit Basecap tief ins Gesicht gezogen. Youtube hatte Recht, denkt Julia gerade, alle Koreaner sehen so aus wie die attraktiven Darsteller aus den Serien und Musikvideos, da wird sie plötzlich von hinten von etwas gerammt.

      Sie hat sich noch nicht umgedreht, da hört man schon Kichern. Eine ältere Koreanerin, kaum 1,60 m groß, hat eine riesige Kiste mit Zwilling-Messern unbedacht manövriert und ist Julia mit dem Gepäckwagen direkt in die Hacken gefahren. Julia erschrickt bei dem Anblick. Ein Glück, dass die Messer gut verpackt sind und ihre Hacken keine direkte Bekanntschaft mit ihnen machen mussten. Weil die Dame offenbar kein Englisch spricht, lächelt sie verlegen, verbeugt sich leicht und versucht die Situation damit zu bereinigen. Julia ist verwirrt. Was will die Frau mit so vielen Messern? Gibt es in Korea etwa keine scharfen Schneidwerkzeuge zu kaufen?

       KOREA SETZT AUF »MADE IN GERMANY«

      Messer der Firma Zwilling, in Korea ssangdungikal genannt, sind ein beliebtes Mitbringsel für ältere Koreaner. Obwohl heute fast alles in gleicher Qualität auch in Korea selbst hergestellt wird, hält sich beständig das Image von deutscher Wertarbeit. Bei allen sensiblen Bereichen wie Babynahrung, Hygieneartikel oder Kochzubehör gelten deutsche Produkte grundsätzlich als überlegen, was sich Koreaner wiederum einiges kosten lassen. Man sieht daher oft die notorischen koreanischen Reisegruppen bei der Rückreise mit riesigen Kartons voller Haushaltswaren, was unbedarfte Beobachter zur Annahme verleitet, es gäbe so etwas in Korea nicht.

      Auch deutsche Lebensmittel sind in Korea beliebt. Gut betuchte Koreaner lieben deutsche Bio-Kost aller Art, vom Müsli über Babymilch und eingelegte Gurken bis hin zu Dinkelschnitten und Karottensaft. Die Lebensmittelabteilungen der großen Kaufhausketten (Lotte, Hyundai, Shinsegae) bieten dementsprechend eine große Auswahl deutscher Produkte.

      Nach diesem Erlebnis verläuft der Flug zunächst ereignislos: Nur die einzigartig freundliche Begrüßung durch die makellos schönen Stewardessen fällt Julia auf. Als sie sich nach einigen Stunden Flug die Füße vertreten will, ist sie erneut erstaunt. Anstatt sich irgendwie einzukuscheln, wie sie es vergeblich versucht hat, schlafen die meisten Koreaner einfach mit dem Kopf auf dem ausgeklappten Tisch vor sich. Julia fällt ein, dass sie das schon von ihrer koreanischstämmigen Freundin Sonya in Deutschland gehört hat. Koreaner hätten kein Problem, auch an unbequemen Orten einzuschlafen, weil aufgrund des anstrengenden Lebens jede freie Minute für ein Nickerchen genutzt werden müsse. Julia hat ungeachtet der Begründung diese Fähigkeit für beneidenswert gehalten, jetzt, wo sie es aber realiter sieht, zweifelt sie, ob sie sich je daran gewöhnen können würde – und will. Noch faszinierender ist für Julia allerdings, dass zwischendrin die anderen, die nicht schlafen, wie wild auf allerlei technischen Geräten in den unterschiedlichsten Formen rumhämmern. Koreaner machen sich ihr On-Board-Entertainment offenbar selbst. Im Flugzeug sieht es denn auch vor lauter Flackern aus wie in einer zwielichtigen Spielhölle. Die Klapptischschlafenden lassen sich davon aber ganz offensichtlich nicht aus dem Konzept bringen.

      Obwohl der Geräuschpegel nicht allzu hoch ist, macht das ewige Geklicke und Geklacker Julia ganz kirre. Das Flugzeug auf dem Bildschirm, der

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