Fettnäpfchenführer Korea. Jan-Rolf Janowski
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MODETRENDS GESTERN UND HEUTE
Korkenzieherlöckchen, nach dem englischen Wort für Dauerwelle, perm, auf Koreanisch pama genannt, sind eine kulturelle Ikone. Noch bis ins neue Jahrtausend hinein waren sie eine fast schon uniforme Frisur für alle verheirateten Frauen. Internationale Trends haben den Anblick dieser stahlwolleähnlichen Kurzhaarfrisuren leider mehr und mehr bedroht. Auf dem Land, bei sehr alten Damen und in Restaurantküchen sieht man sie jedoch noch öfter. Dort ist auch die für unsere Augen möglichst wilde Kombination von leuchtenden Farben und Mustern noch stark verbreitet. Bei den jüngeren Koreanern hingegen kommen die Trends inzwischen direkt aus Hollywood beziehungsweise aus Paris. Als »Paris Asiens« gilt Seoul nämlich inzwischen, vor allem deshalb, weil die Damen der Stadt sehr viel Modebewusstsein an den Tag legen und sich gerne schmücken. Denselben Damen begegnet man dann aber im Supermarkt um die Ecke im Schlabberlook mit ungekämmten Haaren und Hornbrille auf der Nase. Irgendwo muss man schließlich auch mal entspannen dürfen.
Plötzlich wird der Vorhang zur Bordküche aufgerissen und auf Koreanisch sagt eine der Stewardessen leise etwas zu den umstehenden Damen. Wie auf Kommando werden die Übungen eingestellt und Hals über Kopf schiebt sich ein Teil des bunten Damensportteams in die enge Bordküche, einige trippeln aber auch zu ihren Plätzen und bringen auf dem Rückweg ihre Familienmitglieder mit. Im Handumdrehen hat sich das Flugzeugheck in einen koreanischen Markt verwandelt und Julia überlegt kurz, ob eine solche Verschiebung der Fluggäste Auswirkungen auf das Gleichgewicht des Fliegers haben kann. Als die ersten mit Instant-Nudelsuppen – und strahlenden Gesichtern – aus dem Heck zurückkommen, versteht Julia langsam. Nach und nach erwacht die gesamte koreanische Gästeschar aus dem Tischschlaf, pardon, Tiefschlaf, und schlurft wie in Trance ins Heck.
Einer der älteren Herren hat wohl Julias Verwunderung registriert und bemerkt lässig: »Germany castle very good! Germany food – oh no! Korean power only when eat Korean noodles!«
Das ist also das Geheimnis des koreanischen Wirtschaftswunders. Die berühmten ramyeon-Nudeln, in Deutschland besser bekannt unter dem japanischen Namen ramen, hat Julia schon oft probiert. Sie stellt sich also in die Reihe und ein älterer Mann bemerkt zweifelnd: »You eat ramyeon? Too spicy for westerner!« Na danke, denkt Julia, was hält der denn von mir. Klar kann ich ramyeon essen, so scharf sind die ja nun wirklich nicht. Als sie ihren Becher Nudelsuppe und die Stäbchen bekommt, reißt sie, wie sie das von ihrer Freundin zu Hause kennt, den Deckel auf, splittet die Holzstäbchen entzwei, gießt das heiße Wasser darauf und wartet, bis die Nudeln ordentlich durchgeweicht sind. Eine der Korkenzieherlockenträgerinnen hält ihr plötzlich die Stäbchen vors Gesicht und redet wie wild auf sie ein. Schon klar, schon klar, ich kann mit Stäbchen essen, denkt sich Julia nur und hält es gar nicht für nötig, das Thema weiter zu erörtern. Plötzlich sackt das Flugzeug ab, ihr fällt dabei der Becher mit der Nudelsuppe aus der Hand und alles schwappt auf den Kabinenboden. Die Stewardessen sind zwar rasch da, um alles aufzuwischen, aber Julia ist außer sich vor Scham und Sorge, ob sich jemand etwas getan hat.
Aigu! – Oh weh!
Eine der ersten Fragen, die man in Korea gestellt bekommt, ist, ob man scharfes Essen vertrage und das koreanische Nationalgericht kimchi, scharf eingelegten Chinakohl, essen könne. Ebenso beliebt ist die Frage, ob man mit Stäbchen essen könne – Julias Reaktion nach zu urteilen, hat sie diese wohl schon in Deutschland einige Male von Koreanern zu hören bekommen. Manchmal lohnt es sich aber, hinzuhören und nicht zu schnell rückzuschließen. Die Dame wollte sich nämlich nicht nach Julias Stäbchenfertigkeiten erkundigen, sondern ihr erklären, dass man im wankenden Umfeld des Flugzeugs, aber auch anderswo die Holzstäbchen, die noch halb zusammenstecken, nicht einfach auseinanderreißt, sondern sie als eine Art Verschluss zwischen Nudelbecherrand und Deckellasche einklemmt, sodass der Inhalt auch bei abrupten Stößen drinnen bleibt. Klingt nach einer Lappalie, aber wir haben ja soeben gesehen, wie sehr solche Kleinigkeiten helfen können. Immerhin wurde bei Julias erstem Test niemand verletzt.
2
DIE ANKUNFT
BEGRÜSSUNG DURCH OPA TASCHENDIEB
Gerade noch den Hund gekrault, wird der Besitzer von ihm gebissen
Auf eine weitere Portion Nudeln hat Julia nach dem Schock keine Lust mehr. Stattdessen wartet sie jetzt brav aufs Frühstück. Als dann am Morgen ein westliches Frühstück mit Brot und Butter serviert wird, lassen viele Koreaner das Tablett unberührt wieder zurückgehen. Julia versteht das nicht. Man geht doch ins Ausland, um etwas Neues zu probieren. Ihre Nudeln bekommen sie doch früh genug wieder und von den ramyeon sind sie bestimmt nicht noch so voll, dass sie jetzt kein Brot vertragen. Sie jedenfalls wird in Korea nicht ein einziges Mal etwas Deutsches essen. So, das wäre beschlossen!
Nach dem Frühstück geht dann auch alles ganz schnell. Direkt nach Peking beginnen schon die Landevorbereitungen, die arrival cards werden ausgeteilt, die alle Ausländer ausfüllen müssen, die nach Korea einreisen.
Ein Visum hätte Julia für die Einreise gar nicht gebraucht, sie hätte als EU-Bürgerin auch 90 Tage visumsfrei bleiben können, aber vorbildlich, wie sie nun mal ist, hat sie ihr Studienvisum bereits in Deutschland beantragt. Das erspart ihr die Umwandlung des Besuchsvisums in ein Studienvisum in Korea selbst, denn sie will ja an einem Uniaustausch teilnehmen, der ein ganzes Semester dauert.
GANZ OBEN: KOREANISCHE AIRLINES
Es gibt zwei international bekannte koreanische Fluglinien: Korean Air und Asiana. Wem welche besser gefällt, ist in etwa eine Frage wie Cola oder Pepsi. Jedenfalls sind beide preislich wie qualitativ im gehobenen Bereich anzusiedeln. Bis vor einigen Jahren war die einzige Direktverbindung nach Korea aus dem deutschsprachigen Raum eine tägliche Verbindung von Frankfurt nach Seoul. Inzwischen wird aus Deutschland jedoch auch ab München nach Korea geflogen, eine Verbindung von Berlin aus ist seit Längerem im Gespräch.
Wer als FlugbegleiterIn für eine der koreanischen Airlines arbeiten will, muss sich anstrengen. Wenn die großen Airlines zum Casting rufen, kommen Hunderte, ja, Tausende. Universitätsabschluss ist Einstellungsvoraussetzung. Makelloses Auftreten und exzellente Manieren sind Pflicht. Diese strenge Selektion hat dazu geführt, dass koreanische Airlines regelmäßig Preise bei internationalen Awards für Kabinenservice abräumen. Für die Gründerfamilie von Korean Air gelten solche Qualitätsstandards leider nicht; ihre Manieren sind ausweislich zahlloser Skandale, u.a. der berühmten »Erdnussaffäre«, inzwischen über Korea hinaus bekannt – eine echt abgehobene Familie!
Am Flughafen Incheon angekommen, ist Julia völlig überwältigt, wie blitzblank alles ist und vor allem, wie schnell und effizient hier gearbeitet wird. Kein Vergleich zu Frankfurt. In wenigen Minuten ist sie durch die Einreisekontrolle, dabei hat sie nicht einmal die Schlange für voll automatisierte Einreise benutzt, wie viele Koreaner das machen, die vorher ihren Pass dafür haben freischalten lassen.
Sie ist nun also in Korea. Der Beamte am Schalter hatte ihr noch ein »Welcome to our country« mit auf den Weg gegeben. Auch das hatte sie bereits vorher gehört: