Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
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3. Die Madianiter aber schickten bald, da Balak sie darum bestürmte und ihnen glänzende Versprechungen machte, aufs Neue eine Gesandtschaft zu Balam, der, um ihrer Bitte willfahren zu können, Gott nochmals um Rat anging. Über diese abermalige Versuchung erzürnt, befahl Gott ihm, den Gesandten ihre Bitte nicht abzuschlagen. Und da er nicht ahnte, dass Gott ihm dies nicht im Ernste befohlen hatte, reiste er sogleich mit den Boten ab. Unterwegs aber begegnete ihm an einer engen, von beiden Seiten durch Einfriedigungen begrenzten Stelle ein Engel Gottes, und die Eselin, auf welcher Balam ritt, wich, als ob sie den Geist Gottes gemerkt hätte, gegen die eine Einfriedigung aus, ungeachtet der Schläge, die ihr Balam versetzte, der sich an der Wand durch Anstoßen den Fuß verletzt hatte. Als aber der Engel nicht wich und Balam die Eselin wiederum heftig schlug, fiel diese zu Boden, fing auf Geheiß Gottes mit menschlicher Stimme an zu reden und schalt den Balam ob seiner Ungerechtigkeit: Obgleich er über ihre bisherigen Dienste sich doch nicht zu beklagen habe, misshandle er sie jetzt mit Schlägen und sehe nicht ein, dass Gott ihn daran hindern wolle, denen zu Willen zu sein, zu denen er sich begebe. Balam stand erstaunt und verwirrt da über die menschliche Stimme der Eselin; noch mehr aber erschrak er, als er auf einmal den Engel erblickte, der auch seinerseits ihm Vorwürfe darüber machte, dass er die Eselin geschlagen habe. Denn das Tier trage keine Schuld, er selbst vielmehr wolle ihn daran hindern, gegen den Willen Gottes diese Reise zu machen. Balam wollte nun umkehren; Gott aber hieß ihn seinen Weg fortsetzen, nur müsse er dem Balak das verkünden, was er (Gott) ihm eingeben werde.
4. Nachdem Gott ihm dies befohlen, kam er zu Balak. Dieser empfing ihn ehrenvoll, und Balam verlangte alsdann, auf einen Berg geführt zu werden, von wo er das Lager der Hebräer überschauen könne. Der König war sogleich dazu bereit und führte den Seher mit königlichem Geleit auf einen hochragenden Berg, der vom Lager der Hebräer sechzig Stadien* entfernt war. Als Balam dieses erblickt hatte, trug er dem König auf, sieben Altäre errichten und ebenso viele Stiere und Widder herbeibringen zu lassen. Der König tat das sogleich, und nun brachte Balam ein Brandopfer dar, um zu erforschen, ob die Israeliten die Flucht ergreifen würden. Darauf begann er also zu sprechen: »O glückliches Volk, dem Gott unermesslichen Reichtum verliehen und dem er in allem seine Leitung und Hilfe versprochen hat! Sicher gibt es auf Erden kein Volk, das euch an Tugend und Eifer für alles Gute und Ehrbare gleichsteht oder auch nur nahe kommt, und alles das werdet ihr euren Kindern hinterlassen, die noch glücklicher sein werden als ihre Väter. Denn Gott ist euch allein von allen Menschen gnädig und spendet euch mit vollen Händen; deshalb seid ihr die Glücklichsten von allen, die die Sonne bescheint. Ihr werdet das Land besitzen, das er euch verheißen, es wird euren Nachkommen für alle Zeiten verbleiben, und ihr Name wird mit seinem Ruhm den Erdkreis und das Meer erfüllen; ja, jeder Teil der Erde wird euren Nachkommen zum Wohnsitz dienen. Wundere dich nicht hierüber, o glückliches Heer, da du von einem Stammvater entsprossen und zu einem so mächtigen Volke herangewachsen bist. Zwar ist eure Zahl jetzt noch nicht so groß, da das Land Chananaea euch aufnehmen wird; doch wisset, dass in Zukunft der Erdkreis euch gerade genug sein wird, dass ihr zahlreicher sein werdet als die Sterne des Himmels und dass Inseln wie Festland euch zu Wohnstätten dienen werden. Aber mögt ihr auch noch so zahlreich werden, Gott wird doch nicht aufhören, euch im Frieden jeglichen Überfluss, im Kriege aber Sieg und Herrlichkeit zu verleihen. Die Feinde werden vor Verlangen brennen, mit euch zu kämpfen, und in ihrem Übermut euch zum Kriege reizen. Doch nicht mehr werden sie siegreich heimkehren, wie sie gewöhnt sind, noch Weib und Kinder damit erfreuen. Mit solcher Tapferkeit hat Gott euch beglückt, der die Hohen erniedrigt und die Armseligen erhöht.«
6. So prophezeite der Seher, sich selbst entrückt und erfüllt vom Geiste Gottes. Balak aber ärgerte sich und warf ihm vor, er verletze den Vertrag, da er doch so reiche Geschenke von den Verbündeten erhalten habe. Er sei gekommen, um die Feinde zu verfluchen, und jetzt lobe er sie sogar und preise sie als die Glücklichsten der Sterblichen. Balam aber entgegnete: »O Balak, erwäge doch wohl, ob es bei uns steht, was wir sagen oder verschweigen wollen, wenn der Geist Gottes uns ergreift! Denn dann redet Er durch uns, was Er will, ohne dass wir etwas davon wissen. Ich weiß wohl sehr gut, um welcher Ursache willen ihr und die Madianiter mich habt rufen lassen, und ich hatte auch im Sinn, in allem deinem Wunsche zu entsprechen. Aber ich musste Gott mehr gehorchen als euch, denen ich einen Gefallen erweisen wollte. Denn ohnmächtig sind die, die etwa aus sich selbst den Menschen die Zukunft vorhersagen wollen; sie verkünden nicht das, was Gott ihnen eingegeben, sondern widersetzen sich seinem Willen. Sobald aber unser Herz vom göttlichen Hauche bewegt wird, verkünden wir nicht mehr unsere eigenen Gedanken. Ich beabsichtigte nicht, dieses Heer zu loben oder das Gute aufzuzählen, das Gott ihren Nachkommen zugedacht hat; Gott selbst indes, der ihnen gnädig ist, ihr Leben beglückt und ihren Ruhm unsterblich macht, hat mir diese Worte eingegeben, die ich nach seinem Willen verkündete. Da es mir aber sehr am Herzen liegt, dir und den Madianitern mich gefällig erzeigen zu können und euer Begehren nicht abzuschlagen, so lass andere Altäre errichten, und dann wollen wir wieder opfern und versuchen, ob wir Gott dazu bewegen können, dass er mir erlaubt, dieses Volk zu verfluchen.« Balak ging hierauf ein; als Gott aber auch jetzt nicht gestattete, dass Balam den Israeliten fluche, fiel dieser auf sein Angesicht nieder und verkündete die Schicksale, die den Königen und den berühmtesten Städten, wovon ein Teil noch gar nicht bewohnt war, bevorstanden, sowie auch das, was in den vergangenen Jahrhunderten bis auf unsere Tage den Menschen zu Lande und zu Wasser zugestoßen ist. Und weil alles nach seinen Prophezeiungen eingetroffen ist, so lässt sich auch schließen, dass künftig seine Weissagungen sich erfüllen werden.
6. Balak aber zürnte, dass die Israeliten nicht verflucht worden waren, und entließ den Balam ohne Ehrenbezeugungen. Als dieser nun im Begriff war, abzureisen und den Euphrat zu überschreiten, rief er den Balak und die Obersten der Madianiter zu sich und sprach zu ihnen: »O Balak und ihr anwesenden Madianiter, ich muss mich selbst gegen Gottes Willen euch gefällig erzeigen. Das Volk der Hebräer wird zwar niemals gänzlich vernichtet werden, weder durch Krieg und Krankheit noch durch Mangel an Lebensmitteln oder andere unvorhergesehene Unfälle. Denn Gottes Fürsorge bewahrt sie vor allem Übel und lässt ihnen kein Unheil zustoßen, das sie vernichten würde. Für kurze Zeit allerdings werden sie Leid und Ungemach erdulden, das sie schwer drücken und beugen wird; dann jedoch werden sie wieder erstarken und diejenigen in Schrecken jagen, die ihnen Schaden zugefügt haben. Wollt ihr sie aber für einige Zeit überwältigen, so werdet ihr dies erreichen, wenn ihr folgenden Rat beherzigt. Nehmt die schönsten eurer Töchter, die geeignet sind, durch ihren Liebreiz die Leidenschaft heftig zu entflammen, lasst sie ihren herrlichsten Schmuck anlegen, schickt sie in die Nähe des Lagers der Hebräer und traget ihnen auf, sie sollten sich den Jünglingen, die sie begehren, ohne Sprödigkeit hingeben. Sobald sie dieselben aber im Netze der Sinnlichkeit gefangen sähen, sollten sie sich stellen, als wollten sie fliehen. Wenn die Jünglinge sie dann bäten, zu bleiben, so sollten sie nicht eher nachgeben, bis sie dieselben überredet hätten, mit Hintansetzung ihrer väterlichen Gesetze und der Verehrung Gottes, der ihnen diese Gebote gegeben, die Götter der Madianiter und Moabiter zu verehren. So würden sie sich den Zorn Gottes zuziehen. Nach diesem Vorschlage reiste er ab.
7. Die Madianiter befolgten seinen Rat und schickten ihre Töchter zu den Hebräern. Die hebräischen Jünglinge ließen sich auch wirklich von deren Schönheit fesseln, knüpften ein Gespräch mit ihnen an und baten sie eindringlich, ihnen den Genuss ihrer Schönheit und das Vergnügen vertraulichen Umganges zu gestatten. Die Mädchen hörten das gern und willfahrten ihnen. Als sie nun die Jünglinge in Liebe verstrickt hatten und sie in heftiger Leidenschaft entbrannt sahen, schickten sie sich an, wegzugehen. Diese aber gerieten darob in große Trauer und beschworen sie mit flehentlichen Bitten, sie nicht zu verlassen, sondern bei ihnen zu bleiben, ihre Gattinnen zu werden und Hab und Gut mit ihnen zu teilen. Diese Anerbietungen bekräftigten sie mit einem Eidschwur, riefen Gott zum Zeugen ihres Versprechens an und suchten durch Tränen und alle möglichen Mittel die Mädchen zum Mitleid zu bewegen. Als diese nun merkten,