Codename: Ghost. Sawyer Bennett
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Malik
Natürlich ist es ein süßes Kind. Es ist das Produkt von Jimmy und Anna, die ein ungewöhnlich schönes Paar waren. Ich habe Anna erst ein Mal vor dem Einsatz getroffen, bei einem Jameson-Treffen auf ein paar Drinks am Abend, bevor wir abgeflogen sind. Ich habe mit Jimmy fast einen Monat gearbeitet und trainiert, seine Frau vorher aber noch nicht kennengelernt.
Ich weiß alles über das kleine Mädchen, das mich vom Display auf Annas Handy ansieht. Von dem Moment an, als ich von meinen Kameraden befreit wurde, konnte ich nicht aufhören, Fragen zu stellen. Cage musste mir wiederholt jedes schmerzvolle Detail, das er über Jimmy und Sal wusste, erzählen, und ich verglich es mit meinen eigenen Erinnerungen. Wie sie gestorben sind und wie ihre Leichen geborgen wurden. Sal ist an einer Schusswunde in die Hauptschlagader verblutet und Jimmy starb an einem Genickschuss.
Die Schuld an den beiden Toden erdrückt mich, und ich kann nichts tun, um diesen Schmerz zu lindern. Vielleicht interessieren mich Anna und ihr Baby Avery deshalb so sehr. Wie übersteht eine Frau es, ihren Ehemann zu verlieren und täglich seine Tochter zu sehen? Als ich vor ihr stehe und sie mich gelassen und willkommen heißend anlächelt, kann ich mir vorstellen, dass es ein anstrengender Akt sein muss.
Ich fühle mich ein bisschen unwohl.
In den letzten zwei Wochen habe ich viel nachgedacht. Erst habe ich mich hauptsächlich ausgeruht. Dann jede Menge gegessen, um meinen Körper wieder aufzubauen. Bei meinen Eltern zu Hause in Montreal zu sein, war genau, was ich brauchte, denn meine Familie steht sich sehr nah und kennt mich ganz genau. Sie umsorgten mich nicht übertrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sehr meine Eltern und Geschwister getrauert und sich gesorgt haben mussten, doch sie machten keinen Wirbel um mich, weil sie wussten, dass ich das gehasst hätte.
Meine Geschwister kamen einzeln, um mich zu besuchen. Max und Lucas sind professionelle Eishockey-Spieler und kamen vorbei, als sie in Ottawa spielten. Meine Schwester Simone und ihr Mann Van – ein früherer Hockey-Spieler bei den Cold Fury – kamen für eine Woche, doch genau wie meine Brüder hingen sie nicht die ganze Zeit an mir und betrauerten die Tatsache, dass ich fünf Monate lang ein Gefangener im Mittleren Osten gewesen bin. Van und ich spielten zusammen viel auf der Xbox und Simone kochte mir all meine Lieblingsgerichte. Meine Eltern sahen mich oft nachdenklich an, doch das konnte ich ihnen nicht verübeln. Sicherlich konnten sie genauso wenig glauben, dass ich überlebt habe, wie ich selbst.
Doch dann wurde es Zeit, wieder nach Pittsburgh zu fliegen. Zu meinem Job. Erst da äußerten meine Eltern ihre Meinung und ihre Bedenken. Zwar begründeten sie es mit Worten wie Vielleicht solltest du dich noch eine Weile ausruhen, doch ich wusste, dass sie Angst hatten, dass ich auf die nächste gefährliche Mission gehen und sterben würde.
Das verstehe ich vollkommen, aber sie wissen auch eine andere Sache über mich. Ich laufe nicht vor meinen Ängsten davon und verstecke mich nicht hinter Was-wäre-wenn. Ich stelle mich den Dingen, und der einzige Weg, Syrien hinter mir zu lassen, ist, mir Pittsburgh und meinen Job vorzunehmen.
Allerdings machte ich einen kleinen Umweg und flog erst nach New York zu Sals Familie. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, also wurde es ein trauriger Besuch bei seinen alternden Eltern, die sich erstaunlich gleichgültig über seinen Tod gaben. Sie waren ziemlich überrascht, mich vor der Tür stehen zu sehen, ließen mich aber freundlich rein. Einen ganzen Nachmittag sprachen wir über Sal. Zwar habe ich ihn nicht allzu gut gekannt, doch ich hätte mein Leben für ihn riskiert. Sie haben mich nicht danach gefragt, was genau geschehen ist an dem Abend, als ich gefangen wurde, was gut so war. Ich habe meinen Bericht noch nicht abgegeben und hätte sowieso keine Details verraten dürfen. Und ich war froh, ihnen nicht erzählen zu müssen, dass es meine Schuld war, dass er und Jimmy sterben mussten.
Ich betrachte das Foto von Jimmys Tochter Avery und frage mich, ob es einmal so weit kommen würde, dass sie erfährt, welche Rolle ich beim Tod ihres Vaters gespielt habe. Anna wird ihr vielleicht alles erzählen, oder auch nicht, und bisher weiß ich noch gar nicht, was Anna genau darüber weiß. Da sie hier arbeitet, ist sie ein bisschen anders und wird wahrscheinlich manche Dinge eher für sich behalten.
Bevor ich Kynan nicht Bericht erstattet habe, kann ich ihr sowieso nicht sagen, was ich in der Wüste alles getan habe. Momentan muss ich meine Trauer und das schlechte Gewissen unter Verschluss halten.
Mein Blick schweift von Avery zu Anna. Sie ist eine unglaublich hübsche Frau mit goldenem Haar und ungewöhnlich blaugrauen Augen, die je nach Lichteinfall die Farbe zu ändern scheinen. In der Bar, in der wir an dem letzten Abend abhingen, hielt ich sie für kornblumenblau, doch in dem Neonlicht der Küche scheinen sie fast silbern mit einem Hauch Himmelblau zu sein.
„Also, du arbeitest jetzt hier, was?“ Die lahmste Begrüßung, die es überhaupt gibt. Ich weiß, dass sie hier arbeitet, denn ich habe Cage gefragt, weil ich wissen musste, ob ich sie zerstört habe, als ich ihren Mann sterben ließ.
„Ja.“ Sie lacht leise, streicht sich Haare hinters Ohr und legt das Handy ab. Ihr Ausdruck wird trauriger und sie senkt kurz den Blick. „Ich musste einfach ein Teil hiervon werden, nachdem …“ Ihre Worte hängen schwer in der Luft, und in meiner Kehle bildet sich ein Kloß. „Das klingt bestimmt albern, oder?“ Sie sieht mich wieder an und versucht, gelassen zu lächeln.
„Nein, gar nicht“, versichere ich ihr und denke mir, jetzt kann ich auch gleich sagen, was gesagt werden muss. Ich räuspere mich. „Hör zu, Anna, das mit Jimmy tut mir furchtbar leid. Ich kann mir kaum vorstellen, wie schwer es für dich sein muss.“
Ich wappne mich für Tränen und bin überrascht, als ihr Ausdruck weicher wird, ihre Finger mit dem Handy spielen und sie den Blick senkt.
„Für dich war es auch hart. Ich freue mich wirklich, dass du wieder da bist. Das macht alles ein bisschen …“
Sie bricht ab, als ob sie nicht sicher wäre, was das alles zu bedeuten hat. Ich kenne das Gefühl. Den Verlust der Richtung und die Frage, was zum Geier sich das Schicksal dabei gedacht hat, diese Umstände zu erschaffen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hebt sie den Kopf und sieht mich wieder an. Obwohl ich diese Frau nicht kenne, sind wir durch das Geschehen in der Wüste miteinander verbunden. Es fühlt sich wie ein wichtiger Moment an, und ich habe keine Ahnung, wie ich darauf eingehen soll.
Anstatt etwas Vages zu sagen oder das Gespräch in harmlosere Gefilde zu leiten, sprudelt die brutale Wahrheit aus mir heraus. „Es fällt mir schwer, mit dir zu reden.“
Anna blinzelt erstaunt und runzelt dann die Stirn.
Ich schüttele den Kopf und halte eine Hand hoch. „Es ist nur, weil … ich lebe noch und Jimmy ist tot. Ich hoffe, du weißt, dass ich sofort meinen Platz mit Jimmy tauschen würde, wenn ich die Möglichkeit hätte, alles noch einmal zu machen.“
Anna richtet sich alarmiert kerzengrade auf. „Das würde ich nie von dir verlangen. Von niemandem. Und du darfst nicht so denken. Sei dankbar, dass du am Leben bist. Das musst du feiern, Malik. Ich tue es jedenfalls.“
Tja, das ist leichter gesagt als getan. Arme Anna, die mit dem Tod ihres Mannes und der Erziehung ihres Kindes allein fertig werden muss. Sie wird nie verstehen, warum ich niemals über Jimmys Tod hinwegkommen werde.
Auf ihre Worte hin bringe ich ein Lächeln zustande, unterstütze es noch durch ein leichtes Kopfnicken und hoffe, dass es reicht, um sie von Trauer und Schuld abzulenken.
Dann nicke ich Richtung Flur hinter der Küche, wo sich die privaten