Das Weltkapital. Robert Kurz

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Das Weltkapital - Robert Kurz

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ginge. Der kapitalistische Produktionszweck ist jedoch ein völlig anderer, nämlich eben der Selbstzweck der Kapitalverwertung. Und der sowjetische Staatskapitalismus scheiterte gerade daran, dass er den stofflichen Inhalt der Produktion (und einer darauf bezogenen, durchaus an sich sinnvollen überregionalen und in mancher Hinsicht auch weltweiten Funktionsteilung) nicht von den Kategorien und Ansprüchen der Geldakkumulation – also der Verwertung von Geldkapital mittels der Ware Arbeitskraft – ablösen konnte.

      Zwar behaupten die Apologeten des modernen warenproduzierenden Systems von jeher, dass die Menschheit den verrückten Umweg über diese abstrakte »Verwertung des Werts« machen müsse, damit eine optimale Bedürfnisbefriedigung mit stofflichen Gütern für alle erreicht werden könne. Das ist ungefähr so intelligent wie die Behauptung, dass man, um ein genussvolles und interessantes Leben zu führen, jeden Tag hunderttausend Tonnen Beton in die Landschaft schütten müsse, um als »Abfall« dieser selbstzweckhaften Verrücktheit Geld-einkommen zu erzeugen und dann erst mit diesen sekundär einen eigenen Bedürfniszweck verfolgen zu können. Die Absurdität, dass zwischen naturale Güterproduktion und Bedürfnisbefriedigung der abstrakte und inhaltlich blinde Verwertungsprozess, die Selbstverwertung des Werts oder die Akkumulation von Geldkapital tritt, ist in ihrer paradoxen Erzeugung von Massenarmut durch Reichtumsproduktion ein buchstäbliches »Armutszeugnis« für die Vernunft der warenproduzierenden Moderne.

      Auf dem Boden des Kapitalverhältnisses kann es gar keine sachliche Arbeitsteilung sein, die den Warenverkehr auf dem Weltmarkt bestimmt. Vielmehr ist es das Prinzip der universellen Konkurrenz um die »Realisierung« des gesellschaftlichen Mehrwerts, das dem Weltmarkt einzig und allein zugrunde liegt. Das säkulare Anwachsen des internationalen Warenverkehrs und insbesondere die rapide Steigerung seit dem Zweiten Weltkrieg geht nicht auf eine entsprechende Ausweitung arbeitsteiliger Funktionen zwischen den kapitalistischen Industrieländern auf der naturalen, stofflich-technischen Ebene zurück, sondern auf die Verschärfung des kapitalistischen Selbstwiderspruchs von schrankenloser Entwicklung der Produktivkräfte einerseits und permanenter Restriktion der Mehrwertproduktion und damit der gesellschaftlichen Kaufkraft durch denselben Prozess andererseits; also genau so, wie es Marx grundsätzlich gezeigt hatte, nur unter den Bedingungen der zweiten industriellen Revolution, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Ländern des Zentrums verallgemeinerte, in einer vielfach größeren Dimension und Beschleunigung als in der Vergangenheit.

      Seit den späten 50er Jahren ist der Welthandel sehr viel stärker angestiegen als die Weltindustrieproduktion und hat sich gleichzeitig immer mehr auf die so genannte »Triade«, die drei großen industriellen Wirtschaftsräume (USA, Europäische Union und Japan/Ostasien) konzentriert. Das zeigt, dass jener von Marx festgestellte elementare Selbstwiderspruch des Kapitals schon in der Zeit des großen Nachkriegsbooms zu eskalieren begann: Die kapitalistischen Industrieländer, weit entfernt von jeglicher internationaler Arbeitsteilung, lieferten sich – nationalökonomisch betrachtet – eine mehr und mehr ausufernde Konkurrenzschlacht um die »Exportweltmeisterschaft«.

      Zwar stieg in der Zeit des »Wirtschaftswunders« durch die ungeheure Expansion der sogenannten fordistischen Industrien (Automobile, Haushalts- und Unterhaltungselektronik etc.) auch die Beschäftigung und damit die Kaufkraft an, aber die Produktivkraft und damit die Produktionskapazitäten stiegen noch schneller. In der allgemeinen Aufwärtsbewegung während der Boomphase drängten die Industriekonzerne daher verstärkt über die nationalökonomischen Grenzen hinaus, um sich einen größeren Brocken der globalen Kaufkraft zu schnappen: Der allgemeine Anstieg des Warenexports folgte der Logik einer betriebswirtschaftlichen Konkurrenz um internationale Marktanteile, was so ziemlich das Gegenteil einer technischen bzw. organisatorischen Funktionsteilung ist.

       Kapitalexport und multinationale Konzerne

      Parallel zum allseitigen konkurrierenden Warenexport entwickelte sich ein Export anderer Art, nämlich über den Export von Waren hinaus der Export von Kapital. Dies ist nur eine logische Konsequenz: Wenn der innere Widerspruch zu seiner Verlagerung nach außen drängt und der Warenexport eine immer größere Bedeutung erlangt, liegt es nahe, diese Waren gleich selber in den diversen Bestimmungsländern zu produzieren, also dort Sachkapital zu investieren. Ein derartiger Kapitalexport war im 19. Jahrhundert noch in einem solchen Maße vernachlässigenswert, dass ihn Ricardo in seinem Theorem der komparativen Kosten als sinnvolle Möglichkeit ausschloss:

      »Der hierbei in Betracht kommende Unterschied zwischen einem einzigen Lande und mehreren ist leicht zu ermessen, wenn man die Schwierigkeit in Betracht zieht, mit welcher sich das Kapital, um eine einträgliche Verwendung zu suchen, aus einem Lande in ein anderes fortbewegt, und die Leichtigkeit, mit der es in demselben Lande ständig aus der einen Provinz in die andere wandert« (Ricardo 1980/1817, 112 f.).

      Ricardo hat auch allen Grund, den für ihn zeitgenössischen empirischen Istzustand eines kaum vorhandenen Exports von Sachkapital zum Wesensmerkmal des Kapitals zu verallgemeinern, denn sein Postulat einer segensreichen »internationalen Arbeitsteilung« setzt die internationale Immobilität des Kapitals geradezu voraus. Das Verhältnis der komparativen Kosten führt nämlich in seinem Beispiel von Wein und Tuch (beides in Portugal billiger produzierbar als in England, aber Wein mehr als Tuch) nur dann zur nationalökonomisch arbeitsteiligen Produktion von Wein in Portugal und Tuch in England, wenn eine grenzüberschreitende Wanderung von Kapital praktisch ausgeschlossen ist. Wenn aber nicht, wäre die Konsequenz eine völlig andere, wie Ricardo selber weiß:

      »Zweifellos würde es für die englischen Kapitalisten und für die Konsumenten beider Länder vorteilhaft sein, dass unter solchen Umständen Wein und Tuch beide in Portugal gemacht würden, und dass infolgedessen das Kapital und die Arbeit, die in England bei der Herstellung von Tuch Verwendung finden, zu dem Zwecke nach Portugal hinüber geleitet würden« (a.a.O., 113).

      Das gilt noch viel mehr dann, wenn man von der falschen naturalen Betrachtungsweise weggeht und dasselbe Problem unter Verwertungs- und Konkurrenzgesichtspunkten betrachtet. Was aber nicht sein darf, das kann auch nicht sein; und so tröstet sich Ricardo damit, dass es an der nationalen Bodenständigkeit des Kapitals auch in Zukunft nicht fehlen wird:

      »Indessen zeigt die Erfahrung, dass die eingebildete oder tatsächliche Unsicherheit des Kapitals, wenn es nicht unter der unmittelbaren Aufsicht seines Eigentümers steht, zusammen mit der natürlichen Abneigung, die jeder Mensch hat, das Land seiner Geburt und seiner Beziehungen zu verlassen, um sich mit all seinen eingewurzelten Gewohnheiten einer fremden Regierung und neuen Gesetzen anzuvertrauen, die Auswanderung des Kapitals hemmen. Diese Gefühle, deren Schwinden ich nur bedauern würde, bestimmen die meisten Menschen von Vermögen, sich lieber mit einer niedrigen Profitrate in ihrer Heimat zu begnügen, als nach einer vorteilhafteren Verwendung ihres Vermögens bei fremden Nationen zu suchen« (Ricardo, a.a.O., 113).

      Es sind ganz offensichtlich ökonomisch fadenscheinige und nur sozialpsychologisch-patriotische, dem zeitgenössischen aufsteigenden Nationalismus entsprechende Argumente, mit denen Ricardo die immanenten Voraussetzungen seines (ohnehin falschen) Theorems zu retten sucht. Allerdings sollte die nationalökonomische und nationalstaatliche Zentrierung der Kapitalakkumulation tatsächlich noch ein gutes Jahrhundert lang bestehen bleiben. Das gesamte 19. Jahrhundert hindurch entwickelte sich der Kapitalismus hauptsächlich innerhalb der nationalen Mauern. Zwar wuchs der Export bis zum Ersten Weltkrieg stetig an, aber das Investitionsverhalten folgte im großen und ganzen dem Ricardoschen Postulat (vgl. dazu genauer das vierte Kapitel).

      Das änderte sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur in einem geringen Ausmaß. Bekanntlich waren es vor 1914 und während des Ersten Weltkriegs vor allem Theoretiker linksreformerischer oder marxistischer Provenienz wie der englische Ökonom John A. Hobson und der russische staatssozialistische Revolutionär Lenin, die den Kapitalexport (im Sinne von Realinvestitionen in Produktionsanlagen) als neues Entwicklungsmerkmal heraufdämmern sahen. Nicht umsonst handelte es sich dabei hauptsächlich um Imperialismustheorien,

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