Das Weltkapital. Robert Kurz

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Das Weltkapital - Robert Kurz

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politische: Die kapitalistischen Nationalstaaten gingen sozusagen mit dem Messer im Maul aufeinander los, um den Widerspruch in imperial erweiterte Funktionsräume unter weiterhin nationaler Kontrolle zu bannen; und dafür war die Welt nicht groß genug.

      In der zweiten Jahrhunderthälfte (unter dem Dach der Pax Americana) vollzog sich die zweite und größere Explosion auf höherer Entwicklungsstufe als eine ökonomische: Vorbereitet durch den ungeheuren Akkumulationsschub des »Wirtschaftswunders« der Nachkriegsprosperität seit 1945, begann der doppelte Selbstwiderspruch in der dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik seit den 80er Jahren zu kulminieren. Die qualitativ neuen Rationalisierungs- und Automatisierungspotentiale setzten (und setzen weiterhin, denn der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen) direkt und indirekt eine derartige Masse von Arbeitskraft frei, entwerten den Wert in einem solchen Grade, drücken die Löhne weltweit derart weit herunter und verschärfen die Konkurrenz in einem solchen Ausmaß, dass die binnenökonomische Wertschöpfung und in der Folge die Kaufkraft in einem nie dagewesenen Ausmaß abzuschmelzen beginnen. Konsequenterweise stürzten sich die Kapitalien seit Beginn dieser neuen Qualität von säkularer Entwertung wie in einer Stampede auf den Weltmarkt und erzeugten dabei neue Konkurrenzverhältnisse und neue transnationale Reproduktionsformen, die auf die nationalökonomischen Binnenstrukturen nicht nur zurückschlugen, sondern diese rapide aufzulösen begannen.

      Im Lichte dieser Argumentation zeigt sich erst, wie wenig sinnvoll und kontrafaktisch es ist, die mikroelektronische Revolution der Produktivkräfte und die neue Qualität der Globalisierung als isolierte »Faktoren« gegeneinander ausspielen zu wollen. Die Globalisierung des Kapitals geht aus der Zuspitzung des kapitalistischen Selbstwiderspruchs erster Ordnung zwischen Produktivkraftentwicklung einerseits und Mehrwertproduktion/kaufkräftiger Konsumtionsfähigkeit andererseits hervor; und der Prozess, in dem das Kapital vor dieser Zuspitzung gewissermaßen auf die Weltmärkte und in transnationale Strukturen flüchtet, schlägt auf den kapitalistischen Selbstwiderspruch zweiter Ordnung zwischen Nationalökonomie bzw. Nationalstaatlichkeit einerseits und Weltmarkt andererseits zurück und spitzt diesen ebenfalls zu.

      Globalisierung ist somit nichts anderes als ein eskalierender Krisenprozess, in dem das Kapital, gestachelt von der mikroelektronischen Revolution, vor seinen eigenen inneren Widersprüchen davonläuft und diese sich dadurch nur umso schärfer entfalten, seine eigene innere Schranke sich ihm nur umso unerbittlicher entgegenstellt. Das Kapital trägt einerseits die Tendenz zum Universalismus in sich, aber nur zu einem abstrakten und auf die Selbstzweckbewegung des Geldes beschränkten Universalismus, der auf diese Weise schäbige und destruktive Züge annimmt.

      Und andererseits trägt das Kapital eben deswegen gleichzeitig die Tendenz zum Partikularismus in sich, nämlich zu Nationalökonomie, Nationalstaat und nationalistischen Ideologien, die von Anfang an mit der geschlechtlichen Abspaltungslogik in der gesamten Reproduktionsstruktur verbunden waren; Nation und ein bestimmter Code von Männlichkeit und Weiblichkeit kommen aus derselben Wurzel. Das Kapital hat den Universalismus nur erfunden, um ihn gleichzeitig durch die Erfindung der Nation und durch die Konstitution als modernes Geschlechterverhältnis zu dementieren. Zwischen dieser unhaltbar gewordenen widersprüchlichen Polarität wird das Kapitalverhältnis nun in der dritten industriellen Revolution als gesellschaftliche Reproduktionsform zerrissen.

      Wir haben es also nicht nur mit einem logischen oder strukturellen Widerspruch von Nationalökonomie und Weltmarkt sowie einem in diesen Bezugsräumen sich vollziehenden Widerspruch von »abstrakter Arbeit« und Abspaltungsverhältnis zu tun, sondern dieser Widerspruch hat sich auch als ein bestimmter historischer Prozess entfaltet. War die Nationalökonomie ursprünglich ein Produkt des (selber noch unentwickelten) Weltmarkts, so entwickelte sich dieser in der Folge erst zusammen mit den Nationalökonomien und als sekundärer Austausch zwischen diesen, um schließlich am Ende des 20. Jahrhunderts die nationalökonomische Kohärenz wieder zu zersetzen und schubweise aufzulösen. Damit verbunden ist die strukturelle Konstitution, historische Ausformung und schließliche »Verwilderung« (Roswitha Scholz) und Zersetzung des basalen geschlechtlichen Abspaltungsverhältnisses mit seinen durchaus auch ökonomisch-politischen (bzw. in Ökonomie und Politik »unsichtbar« eingefalteten) Reproduktionsfunktionen.

      Je mehr es sich aber auf diese Weise globalisiert und damit in einen unregulierten, nicht mehr abgepufferten Raum entzieht, desto mehr zerstört das Kapital seine eigenen national-ökonomischen und sozial-abspaltungslogischen Existenzbedingungen, was nur die Folge davon ist, dass es zusammen mit der im großen Maßstab überflüssig gemachten menschlichen Arbeitskraft seine eigene ökonomische »Substanz« außer Kurs setzt und sich auf seinen eigenen Grundlagen ad absurdum führt. Nur vor diesem Hintergrund sind die Erscheinungen zu erklären, die von der Globalisierungsdebatte bis jetzt so begriffs- und zusammenhanglos wahrgenommen werden.

       Das Theorem der komparativen Vorteile

      Natürlich hat das herrschende akademische, politische und ideologische Denken nicht das geringste Interesse daran, die zu beobachtenden Erscheinungen der kapitalistischen Globalisierung auf ihren Krisenbegriff zu bringen. Stattdessen greift man theoretisch auf die ältesten Hüte zurück, um eine Verträglichkeit von Globalisierung und nationalökonomischer bzw. sozialökonomischer Struktur zu suggerieren, also die reale Zuspitzung des Selbstwiderspruchs wegzuleugnen und die Weltkrise in lauter »Chancen« umzudefinieren.

      Das theoretische Konstrukt, mit dem die wirtschaftswissenschaftliche Zunft dabei unverdrossen hausieren geht, ist das sogenannte »Gesetz der komparativen Kosten« oder der »komparativen Vorteile«. Dieses angebliche Gesetz, aufgestellt von David Ricardo (1772-1823), dem neben Adam Smith bedeutendsten Klassiker der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre, soll die Vorteile der »internationalen Arbeitsteilung« zwischen kapitalistischen Volkswirtschaften beweisen. Es ist daher zugleich ein freihändlerisches Credo gegen nationalökonomische Abschottung, Schutzzollpolitik und staatliche Reglementierung des Außenhandels. Kein Wunder, dass dieses Theorem heute wieder eifrig bemüht wird, scheint es doch nicht nur argumentative Gehhilfen für die selber gedankenlos gewordene theoretische Analyse der kapitalistischen Entwicklung durch die offizielle bürgerliche Wissenschaft zu bieten, sondern auch wunderbar zum neoliberalen ideologischen Weltkonsens zu passen.

      Natürlich wird niemand etwas dagegen einzuwenden haben, dass durch die Teilung von Funktionen der Reproduktion Mühe und Aufwand gespart werden, was zur Erleichterung und Verbesserung des Lebens beiträgt. Und bei entwickelten Produktivkräften, also auch Kommunikations- und Verkehrsmitteln, ist ein derartiges Zusammenwirken in der Tat nicht allein auf lokaler und regionaler oder nationaler, sondern auch auf weltgesellschaftlicher Ebene praktisch möglich.

      Die liberale Ideologie des Kapitalismus beginnt immer mit zunächst einleuchtend scheinenden, einfachen und durchsichtigen Erwägungen in Bezug auf Bedürfnisse, materielle Güter, menschliche Potentiale usw., in denen sie aber wie ein Trickbetrüger regelmäßig die irrationalen kapitalistischen Voraussetzungen entweder verschweigt oder sie klammheimlich hintenherum einschmuggelt, sodass das wirkliche Resultat ein ganz anderes ist, als es das Räsonnement versprochen hat. Auch Ricardo bemüht in seinem Hauptwerk »Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung« zunächst den gesunden Menschenverstand, um sein Theorem zu begründen:

      »Es ist für das Wohl der Menschheit ... wichtig, dass unsere Genüsse durch bessere Arbeitsverteilung erhöht werden sollten, d.h. dadurch, dass ein jedes Land solche Güter erzeugt, für welche es sich infolge seiner Lage, seines Klimas und seiner anderen natürlichen oder künstlichen Vorteile eignet, und dass man sie für die Güter anderer Länder austauscht ... Unter einem System von vollständig freiem Handel widmet natürlicherweise jedes Land sein Kapital und seine Arbeit solchen Verwendungen, die für es am vorteilhaftesten sind. Dieses Verfolgen des individuellen Nutzens ist wunderbar mit der allgemeinen Wohlfahrt der Gesamtheit verbunden. Indem es den Fleiß anregt, die Erfindungsgabe belohnt und am erfolgreichsten die besonderen Kräfte, die von der Natur verliehen sind, ausnutzt, verteilt es die Arbeit am wirksamsten und wirtschaftlichsten;

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