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»Wir fragten uns, wer ihn spielen könnte. Wir einigten uns dann beim WDR auf Heinz Bennent: Für mich war das so eine Art deutscher Steve McQueen-Typ. Ich habe daraufhin vier Bücher geschrieben, für die vier Regisseure ausgesucht worden sind. Das waren Peter Beauvais, Tom Toelle usw. Das waren alles Leute, mit denen ich gerne gearbeitet habe. Einer von den vieren hat aber gesagt: ›Nein, mit Bennent auf keinen Fall!‹ Da ging dann die Suche los. Man einigte sich dann aber auf einen Schauspieler, der für mich wirklich das Gegenteil von Heinz Bennent war. Da habe ich dann gesagt: ›Ne, dafür mag ich nicht arbeiten.‹ Ich weiß, dass ich noch ein fünftes Drehbuch geschrieben habe, aber dann war Schluss, weil ich zu dieser Figur einfach nichts mehr schreiben wollte: Das ging nicht.«25
In der Folge verfasste Menge noch zwei weitere Tatort-Drehbücher für den SDR und um dessen Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz.26 Gefährliche Wanzen, ein Fall von Wirtschaftskriminalität, ausgestrahlt im September 1974, sollte dann die letzte Folge eines TV-Krimis werden, die nach einem Drehbuch von Wolfgang Menge entstand. [Abb. 4] Nach anderthalb Jahrzehnten hatte der Autor das Interesse an dem Thema und der Form verloren, die ihn einst zu Fernsehen wie Film gebracht hatten.
Im Rückblick lässt sich deutlich erkennen, wie um 1965 – nach Menges Kinospielfilm Polizeirevier Davidswache und im Kontext der Politisierung des bundesdeutschen Diskurses, von der Studentenrevolte über die große Koalition bis zur ersten bundesdeutschen SPD-Regierung und ihrer neuen Ostpolitik – (unpolitische) Verbrechen und ihre Aufklärung ihm als Gegenstand seiner Drehbucharbeiten immer weniger genügten. Zudem äußerte sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ein immer deutlicherer Wille zur auch formalen Innovation. Menge selbst erklärte ihn einmal mit Langeweile. Auf die Frage, was ihn gereizt habe, unentwegt neue Erzählformen und auch TV-Formate auszuprobieren, antwortete er:
»Ich glaube nicht, dass das die richtige Frage ist. Ich glaube eher, dass es umgekehrt ist: Warum machen Sie die alten Sachen nicht mehr? Also, wenn man irgend etwas gemacht hat, das langt einem dann bald. Die Variationsmöglichkeiten sind gering. Andererseits möchte ich im Fernsehen ungern etwas machen, was ich mir nicht selbst ansehen würde, wenn es ein anderer gemacht hätte.«27
Als Menge 1973/74 seinen letzten Tatort schrieb, war er denn auch bereits mit anderen Themen und Formen zu nationaler Berühmtheit gelangt: zum Ersten als Autor preisgekrönter politischer Szenarios,28 zum Zweiten als Autor einer ungemein erfolgreichen Polit-Sitcom,29 zum dritten als Talkshow-Moderator.30
Einmal jedoch sollte er noch einen Kriminalstoff bearbeiten, allerdings nicht innerhalb der Kriminalserien-Form, sondern als Fernsehkomödie mit deutlichen politischen Implikationen. Vier gegen die Bank,31 eine Adaptation von Ralph Maloneys Roman The Nixon Recession Caper,32 erzählte – als »punktgenaue Satire auf Wohlstand und Übersättigung der 70er Jahre«33 – die Geschichte vier einst erfolgreicher Männer aus der München-Starnbergschen High Society. [Abb. 5] Von der wirtschaftlichen Rezession der frühen siebziger Jahre hart getroffen, können sie den Lebensstandard ihrer Familien nur aufrechterhalten, indem sie eine Bank überfallen. Diese von Wolfgang Petersen mit hervorragenden Schauspielern glänzend inszenierte Kriminalkomödie, in der die Täter selbstredend ungeschoren davonkommen, hatte jedoch bereits mehr als mit den an Verbrechen und ihrer Aufklärung interessierten Stahlnetz- oder Tatort-Folgen mit den Sitcoms und Kabarett-Texten zu tun, die ihr Autor zur gleichen Zeit verfasste.
3 Spiel mit verbrecherischer Politik:
Von Begründung eines Urteils zu Fragestunde
Ein zweiter und gänzlich anderer Einstieg ins Fernsehen ergab sich für Wolfgang Menge wenige Jahre nach Beginn der Stahlnetz-Reihe über den Umweg des Theaters (und bei einem anderen Sender). Menge war mit Klaus Kammer befreundet: »Das war wahrscheinlich der begnadetste Schauspieler nach dem Kriege.«34 [Abb. 6] Als Menge 1954 von Berlin aus nach Ost-Asien ging, erhielt Kammer gerade ein Engagement von Boleslaw Barlog, dem Generalintendanten der Staatlichen Schauspielbühnen Berlins, und war froh, Menges Wohnung übernehmen zu können. Ende der fünfziger Jahre sah Kammer dann im Fernsehen die ersten Stahlnetz-Folgen:
»Der Klaus sagte, ›Du musst ein Theaterstück schreiben für mich‹, und hat solange auf mich eingeredet, bis ich es wirklich gemacht habe.«35 – »Er kam auch jeden Tag zu mir rausgefahren und las mir vor, was ich geschrieben hatte – und da habe ich gemerkt, dass man immer viel zu viel schreibt. Also manchmal ist von einer Seite ein Satz übriggeblieben, weil ich merkte, das können die so. Ein Schauspieler – da muss man nicht alles aufschreiben.«36
Anfang November 1962 wurde Menges Stück, der an Arthur Schnitzlers Frühwerk gemahnende Zweiakter Zeitvertreib, an der Berliner Tribüne uraufgeführt [Abb. 7]. Die Hauptrollen spielten Brigitte Grothum und Michael Degen.37 Menge schrieb damals: »Das allein Ungewöhnliche an meinem Stück scheint mir die Gewöhnlichkeit des Themas zu sein. In diesem Sinne ist es exzentrisch.«38 Die Handlung skizzierte er später so:
»Das war für damalige Verhältnisse ein ungewöhnlich unmoralisches Stück, eine Liebesgeschichte, wenn man so will. [...] Ein Junggeselle kommt nach Haus, ruft ein paar Freunde an, macht sich ein paar Stullen. Es klingelt an der Tür, ist ein Mädchen da und fragt nach seinem Nachbarn auf der Etage, ein schicker Herr. Er sagt, kommen Sie doch einen Moment rein. Sie kommt rein, und in der [Theater-] Pause [zwischen den beiden Akten] bumst er die, und dann geht nachher das Gespräch ein bisschen weiter und dann kommt der andere und holt sie ab. Das war’s. Das Ding hieß Zeitvertreib und war für damalige Verhältnisse ein Schocker.«39
Die zeitgenössische Kritik war teils empört, teils hingerissen. Walther Karsch klagte im Tagesspiegel: »Ein unerquickliches Stück; doch leider ein Stück unserer Wirklichkeit.«40 Entsetzt reagierte auch Eva Stolz in der BZ: »Wolfgang Menge hat die Liebe beschrieben – so, wie sie heute in jeder Großstadt, in hunderten von kleinen, öden Junggesellenwohnungen Abend für Abend hundertfach betrieben wird: Stumm, lieblos, unmenschlich – ein grausiger Zeitvertreib.«41 Die FAZ verriss die Inszenierung bei gleichzeitigem Halblob für das Stück:
»Zeitvertreib ist eine Paraphrase über das Thema Langeweile, über das Thema Beziehungslosigkeit unter den Menschen, über das Thema der lustlosen Lust, nicht ›Liebe samt ihrer Langeweile‹, wie Marguerite Duras es einmal formuliert hat, wird vorgeführt, sondern Langeweile samt ihrer Liebe.”42
Friedrich Luft aber, Berlins bedeutendster Theaterkritiker, lobte im RIAS das »realistische Stück« uneingeschränkt:
»Ein Dialog zwischen zwei jungen Menschen, der immer aneinander vorbeigeht. [...] Dieser Autor hat den jungen Leuten von heute aufs Maul gesehen. Er kennt ihre Sprache. Und er kann sie so wiedergeben, ohne sie falsch zu steigern oder zu verzerren, daß man wirklich aufhorcht. Hier ist einer, der realistische Dialoge bezeichnend machen kann und das Geschwafel der Hilfslosigkeit stilbildend. Ich sage nicht, daß damit uns ein Genie geboren wäre. Aber ich finde, man soll anerkennen, daß hier jemand ohne Überheblichkeit und stilistische Tolldreistigkeiten einen Zustand, eine Redeweise, eine Verhaltensweise seiner Generation genau und zielsicher trifft. Wann hatten wir das zuletzt?”43
Der Berliner Uraufführung folgten weitere Inszenierungen, unter anderem in Hamburg und Nürnberg. Vor allem aber verschickte der Theaterverlag Felix Bloch Erben das Stück an mehrere Fernsehredaktionen. Die Reaktionen fielen aus, wie Menge sie erwartet hatte:
»Es wurde natürlich überall