New Game Plus. Группа авторов
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Der Zuschauer muss ein Verständnis von der Funktionsweise der Demos haben, um die Performance apperzipieren und verstehen zu können.
»Die Betrachtung einer Computerdemo unterscheidet sich wesentlich von der eines Films im Kino, Fernsehen oder Internet. Die Kopplung der Wahrnehmung an die Vorstellung von der Flexibilität der Hardware, auf der die Demo ausgeführt wird, führt zu einer Situation, in der der Zuschauer nicht als zufälliger Empfänger, sondern grundsätzlich als ›Eingeweihter‹ verstanden wird.«61
Dies stellt eine Parallele zur eSport-Veranstaltung dar, die ebenfalls ein mit der Materie sehr gut vertrautes Publikum adressiert. Anders verhält es sich bei einem weiteren noch sehr jungen Format, der so genannten »Spielung«, die von der Stiftung Digitale Spielekultur im Jahr 2013 im Rahmen des internationalen Literaturfestivals Berlin erstmals präsentiert wurde. Das Format wurde analog zu dem Format »Lesung« konzipiert, um die »Vermittlung und Diskussion interessanter Narrationen und Darstellungen in herausragenden Spielen«62 zu ermöglichen. Im Rahmen einer Spielung werden Computerspiele vor einem Publikum »von Gamern, Journalisten, Entwicklern und Autoren vorgestellt, gespielt und besprochen«63 (Abb. 10 und 11). Auch hier bleibt somit die deutliche Trennung zwischen Spieler- und Zuschauerrolle bestehen, wenngleich die Anwesenheit der Zuschauer die Spielsituation überhaupt erst entstehen lässt und sie durch ihre spezifischen Eigenheiten im Ablauf beeinflusst. In Bezug auf die Verbindung von digitaler und physischer Ebene kann festgestellt werden, dass die Ausstellung digitaler Spiele als Artefakte eher mit der Verschleierung der digitalen Ebene für die beobachtenden Teilnehmer arbeitet, während bei der Aufführung spielerischen Handelns die Einsehbarkeit beider Räume bzw. von physischem und datenbasiertem Körper gleichermaßen gegeben ist. Eine Bühnensituation lässt sich in beiden besprochenen Varianten des digitalen Spielens im teilöffentlichen Raum ausmachen. Während im Fall der Ausstellung digitaler Spiele die Zuschauer die Entstehung des szenischen Zeichensystems durch ihre Interaktion entscheidend mitbestimmen, findet sich ihr Mitwirkungsfaktor im letzteren Fall reduziert auf das Apperzipieren und Verstehen der szenischen Handlungen.
Abbildung 8/9: Aufführungssituation in der Demoszene, Evoke 2010
Abbildung 10/11: Spielung, Gamefest 2014, Computerspielemuseum Berlin
AUFFÜHRUNGEN DIGITALEN SPIELENS IM ÖFFENTLICHEN RAUM
Während das digitale Spiel in teilöffentlichen Räumen verstärkt in Verbindung mit einer deutlichen Trennung von Bühnen- und Publikumsraum einhergeht und an reservierten Orten auftaucht, verzichtet digitales Spiel im öffentlichen Raum vornehmlich auf die Kennzeichnung der mit ihm einhergehenden Handlungen als spielerisch.
Häufig findet es unter Verwendung mobiler Endgeräte statt. Neben Handheld-Konsolen, die noch eindeutig der Domäne des Spielerischen zuzuordnen sind, werden immer häufiger auch Smartphones und Tablet-PCs eingesetzt. Diese ermöglichen über die Ausstattung mit Positionserkennungsdiensten, Kamera und mobilem Internet die Integration der physischen Umgebung in das digitale Spielgeschehen. Diese Verbindung von physischen und digitalen Räumen ist aufgrund der Nichteinsehbarkeit der Bildschirme häufig nicht für alle Personen an einem Ort wahrnehmbar.
Zusätzlich sind die für das digitale Spiel verwendeten Geräte nicht länger sichtbar als Spielzeuge codiert. Mit ihnen stattfindende Interaktionen werden daher von Beobachtern in erster Instanz meist nicht mit der Sphäre des Spielerischen verbunden. Dennoch oder gerade deswegen können die über das digitale Spiel auf Mobilgeräten hervorgerufenen Handlungen der Spieler für das Publikum der Stadt einen Performance-Charakter einnehmen, wenn vermeintlich alltägliche Handlungen – wie von Brecht im epischen Theater gefordert – ein »Moment des Auffälligen« bekommen. Dabei entsteht ein verständnisgenerierender Entfremdungsprozess.64 An die Stelle der problemlosen Identifikation spielerischer Handlung tritt Unsicherheit.65
Durch die Integration der räumlichen Umgebung und die damit verbundene Öffnung für ein vorher nicht bestimmbares Publikum setzt sich die teil-digitale Handlung dem Eintreten von Zufälligkeiten aus.66 Gleichzeitig wird die Einmaligkeit des Eintretenden betont.67 Auf diese Weise wird das Transitorische des Schauspiels68 aufgegriffen und zugleich eine Abschaffung von Bühnen- und Publikumsraum vollzogen, wie sie von Artaud zur Ermöglichung einer direkten Verbindung von Zuschauern und Darstellern gefordert wurde69 oder sich in Schechners Environmental Theatre wiederfindet.70
Wenngleich beim Spiel mit digitalen Mobilgeräten die Trennung zwischen Akteuren und Zuschauern zunächst über die wissentliche Beteiligung am Spiel beibehalten wird, kommt es über »die prinzipielle Offenheit des Raumes, die Zurschaustellung der spielerischen Handlungen und die wechselnden Personen […] zu einer ständigen Aushandlung und Aktualisierung der beteiligten Rollen.«71 Die Passanten sind von vornherein als »mitspielender Faktor« im Game Design berücksichtigt. Ihr Einfluss auf das szenische Zeichensystem variiert in dem Maße, indem sie sich auf das mobile Spiel einlassen.
FAZIT
Die Ausführungen haben gezeigt, dass sich die Kollusion des Theaters auf den Bereich des Computerspielens übertragen lässt und eine Erweiterung um die digitale Ebene erfährt. Durch die Verbindung digitaler und physischer Räume bei gleichzeitiger Zusammenführung von Spiel- und Zuschau-Akten im Kontext einer Live-Performance kann der Prozess des digitalen Spielens als Hybrid Reality Theatre eingestuft werden.
Dabei fallen die Rollen von Spieler und Zuschauer fallweise in einer Person(a) zusammen, die sich in Datenkörper und physischen Körper aufsplittet. In dieser Hinsicht wird die Beteiligung des Zuschauers als »vierter Schöpfer« stärker ausgelebt als im Theater. Ohne seine aktive Beteiligung kann die spielerische Handlung nicht vollzogen werden.
Umfasst digitales Spielen mehr als eine Person, lassen sich die Teilnehmer in beobachtende und spielende unterscheiden. Ein Rollentausch ist prinzipiell jederzeit möglich und taucht vor allem im privaten Raum und in Bezug auf die Ausstellung digitaler Spiele als Artefakte auf. Steht die Aufführung spielerischen Handelns im Vordergrund, verschwindet die Möglichkeit des Wechsels. Zusätzlich wird die Trennung von Bühne und Publikumsraum betont. Dies geht einher mit einer gleichzeitigen Sichtbarmachung von digitaler und physischer Ebene – repräsentiert durch Datenkörper und physischen Körper. Beim digitalen Spiel im öffentlichen Raum wird in entgegengesetzter Richtung auf eine Bühnensituation verzichtet, und auch die digitale Ebene wird der Wahrnehmung durch Beobachter nicht unmittelbar preisgegeben. Dies stellt den Zuschauer in Bezug auf die Kollusion vor Herausforderungen. So muss die szenische Information erst als solche identifiziert werden, bevor überhaupt mit den »sensuellen, imaginativen und rationalen Zuschau-Akte[n]«72 begonnen werden kann,