New Game Plus. Группа авторов
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»Die Leistung der Zuschauer […] besteht darin, daß sie […] die szenischen Informationen wahrnehmen, sie apperzipierend strukturieren und sie verstehend, auslegend und erlebend ihrem ästhetischen Erfahrungsbesitz einverleiben. Erst diese sensuellen, imaginativen und rationalen Zuschau-Akte konstituieren Theater. Hier verstanden als eine spezifische Erscheinungsform des ›work in progress‹. Nämlich als triadische Kollusion.«15
Diese Beschreibung betont den prozessualen Charakter des Theaters. Bereits der dramatische Text stellt »keine in sich ruhende Form dar […], sondern [hält] per definitionem eine Schnittstelle zur szenischen Darstellung bereit«,16 wodurch er sich deutlich von anderen literarischen Formen abhebt:
»Ein Roman braucht keine Leser zu haben. Ebenso ein lyrisches Gedicht. Beim Theater ist es etwas anderes. Das Publikum ist als mitspielender Faktor beteiligt. Das Publikum ist sozusagen Schöpfer der Theaterkunst.«17
Im Gegensatz dazu hat »der Text als solcher noch nichts mit Theater zu tun.«18 In ähnlicher Weise bedarf auch das Computerspiel als interaktives Medium seiner Nutzer, um in Gänze entfaltet werden zu können. Interaktive Medien bieten nicht ein fertiges Produkt zur Betrachtung an, sondern stellen eine Kommunikationsstruktur dar, die die Betrachter zu Mitgestaltern erhebt.19 Wie beim Theater vollzieht sich das prozessuale Kunstwerk in Abhängigkeit von den beteiligten Spielern auf teilweise sehr differente Art und Weise. Hierin zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu klassischen Massenmedien (z.B. dem Film), die sich – abgesehen von minimalen Abweichungen im Aufführungssetting oder unvorhergesehenen Störungen im Ablauf – unabhängig von den Personen, die sich mit ihnen auseinandersetzen, nicht verändern. Die einmal aufgezeichnete Narration vollzieht sich bei jeder Sichtung auf die immer gleiche Weise. Im Gegensatz dazu greift das Computerspiel das Prinzip der triadischen Kollusion auf. Möchte man analog zum Theater von einer intraludischen Kommunikation sprechen, so findet diese zwischen Gamedesigner, Spieler/Avatar und Spieler/Zuschauer statt.
Wie der Dichter erschafft der Game Designer erst die Grundlage für das Spielen am Computer. Auch hier ist das Werk – im Sinne eines digitalen Zeichensystems – bereits auf die Vervollständigung durch den Spieler bzw. den Avatar – im Sinne der Transformation in ein szenisches Zeichensystem – ausgelegt und wird vom Spieler in der Rolle des Zuschauers gleichzeitig apperzipiert und verstanden. Anders als beim Theater kommt es beim digitalen Spiel in der Regel zu einer »Verdoppelung des Körpers des Spielers in einen realen und einen Datenkörper.«20 Die vom Spieler initiierten Spielhandlungen werden »vom Computer medialisiert, transformiert und dargestellt […]. Das Ergebnis dieser Medialisierung sieht der Spieler auf dem Monitor: die Repräsentationen seiner eigenen Handlungen in einer fiktionalen Spielwelt.«21 Auf diese Weise lässt sich die Beziehung zwischen Spieler und Avatar nicht nur als eine handlungsbedingende, sondern auch als eine beobachtende bezeichnen. Die Handlungsräume beider Körper unterscheiden sich deutlich voneinander. Anders als der Avatar, der ein »vielfältiges Handlungsinventar mit unterschiedlichen Bewegungsabläufen« hat, agiert der Spieler meist in einem »vergleichsweise enge[n] Betätigungsfeld, […] in dem Bewegungsabläufe typisch sind, die sich im Wesentlichen auf feinmotorische Finger-, Hand-, Arm- und Kopfbewegungen beschränken.«22
Der Spieler ist Akteur und Zuschauer zugleich und erfüllt die den beiden Rollen entsprechenden Funktionen gleichermaßen. Eine solche Verbindung von Zuschauer- und Schauspieler-Rolle wurde auch für das Theater häufig gefordert. Einerseits in Form einer Auflösung der Distanz zwischen Schauspieler und Publikum,23 andererseits in Form des Aufbaus einer Distanz zwischen dem Schauspieler und seiner Rolle.24 Der Einzug digitaler Technologien in das Theater hat die Möglichkeiten in diesem Bereich deutlich erweitert.
»Während die tatsächlichen Körper an die Koordinaten von Raum und Zeit gebunden sind, können sich ihre Abbildungen frei in Raum und Zeit bewegen. Die Abbildungen treten an die Stelle der realen Körper und verdrängen sie mehr und mehr aus dem Blickfeld. Die Abbildungen der Körper vervielfältigen sich und bringen allmählich die Körper selbst zum Verschwinden.«25
Die Integration der Computertechnik erlaubt somit theatrale Performances, in denen die Funktionen von Akteur und Zuschauer in ein und derselben Person vereint sind und der Körper zur Bühne wird.26 Daraus entsteht für Martina Leeker eine interaktive Theatralität, die als Mittler zwischen digitaler und physikalischer Welt fungiert.27 Auf diese Weise kann die Aufsplittung in physischen Körper und Datenkörper, wie sie im Computerspiel die Regel ist, auch in das Theater Einzug halten.
Dennoch bleiben Live-Situation und leibliche Ko-Präsenz von Zuschauern und Schauspielern essentielle Merkmale von Theater.28 Zentral ist das »Stattfinden eines theatralen Events im Hier und Jetzt, welches vom emergenten und höchst spannungsreichen Wechselspiel zwischen darstellerischem Agieren und gleichzeitigem Zuschauen getragen wird.«29 So kann Theater mit Grotowski als das beschrieben werden, »was sich zwischen Schauspieler und Zuschauer abspielt«30, als die »spürbare, unmittelbare, ›lebendige‹ Kommunikation zwischen Schauspieler und Publikum.«31 Diese Live-Situation kennzeichnet Theater und Computerspielen gleichermaßen und grenzt sie somit ein weiteres Mal von klassischen Massenmedien ab.32
DIGITALES SPIEL ALS HYBRID REALITY THEATRE
Das Konzept des Hybrid Reality Theatre wurde 2014 von mir eingeführt, um zum einen auf die generellen Schnittmengen zwischen digitalem Spiel und Theater hinzuweisen und