Insel der Ponygirls. Tomàs de Torres

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Insel der Ponygirls - Tomàs de Torres страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Insel der Ponygirls - Tomàs de Torres

Скачать книгу

und erfüllt von düsteren Gedanken, jagte Gamaleh zurück zu den Ställen. Soweit sie sich erinnern konnte, war noch niemals ein Fremder auf Hiva erschienen. Boote kamen in unregelmäßigen Abständen und brachten Güter, die hier nicht hergestellt werden konnten, sowie Männer, die hier verheiratet waren. Manchmal befanden sich Besucher an Bord, aber wie Tom, Ayalas zukünftiger Ehemann, waren diese stets angemeldet.

      Was mag er hier wollen?, dachte Gamaleh. Und wie hat er den Eingang gefunden?

      Furcht stahl sich in ihr Herz. Was hatte das Erscheinen des Fremden zu bedeuten? War die Insel entdeckt worden? Falls dies geschähe – das hatte sie in der kleinen Schule des Dorfes gelernt –, würde sich das Leben aller Bewohner radikal ändern, und nicht zum Besseren.

      Doch als das Stallgebäude in Sichtweite kam, beruhigte Gamaleh sich wieder. Das Vertrauen in ihren Vater und die anderen Männer war grenzenlos. Noch nie hatte es ein Problem gegeben, das die Männer nicht hatten lösen können.

      Der große Wagen, mit einem Kutschbock und einer offenen Ladefläche, erforderte vier Ponygirls. Gamaleh schirrte ihr eigenes und Delis, das noch an den Trog gekettet war, aus und spannte sie neu ein. Dann holte sie die beiden letzten Ponys aus dem Stall, schirrte sie ebenfalls ein und sprang auf den Kutschbock. Sie ließ die Peitsche schnalzen.

      »Hü!«

      Sam und Dave waren noch nicht zurück, als Gamaleh wieder bei ihrem Vater eintraf. Gemeinsam hoben sie den bewusstlosen Fremden auf die Ladefläche. Er war groß, aber nicht so schwer, wie Gamaleh befürchtet hatte.

      Sie musterte sein bartloses Gesicht. Das sandfarbene Haar bildete einen harten Kontrast zu der sonnenverbrannten Haut, die sich straff über eine breite Stirn und hohe Wangenknochen spannte: ein nordisches Gesicht. Ansätze von Fältchen entdeckte Gamaleh nur in den Augenwinkeln. Für sie, die in ihrem ganzen Leben kaum mehr als zwei Dutzend Männer gesehen hatte, war es schwer, sein Alter zu schätzen. In jedem Fall war er deutlich jünger als ihr Vater und älter als Dave mit seinen 21 Jahren.

      Eine bislang unbekannte Wärme durchströmte Gamaleh, während sie den Fremden betrachtete.

      Welche Farbe mögen seine Augen haben?, fragte sie sich.

      Blau, dachte sie dann. Ganz gewiss. Zu diesem Gesicht passen nur blaue Augen.

      In diesem Moment schlug er die Augen auf, und Gamaleh erschrak so sehr, dass sie mit einem Aufschrei zurückzuckte. Ein Blick aus klaren blauen Augen traf sie und glitt an ihr hinab. Seine Lippen bewegten sich.

      »Verrückt!«, verstand Gamaleh.

      Sein Kopf fiel zur Seite. Er hatte erneut das Bewusstsein verloren.

      Gamaleh sah ihren Vater an. Was meinte er?, lautete ihre stumme Frage. Eine Frau sprach in Gegenwart eines Mannes nur, wenn sie dazu aufgefordert wurde.

      Bob lachte. »Es hat ihn wohl überrascht, dass du nackt bist. Wahrscheinlich glaubte er zu halluzinieren.«

      »Aber wie anders als nackt sollte ich sein?«, fragte Gamaleh verblüfft. »Ich bin eine Frau!«

      Ihr Vater antwortete nicht, sondern schwang sich auf den Kutschbock. Gamaleh nahm neben ihm Platz.

      »Wir bringen ihn ins Gästehaus. Deli soll die Wunde am Rücken versorgen. Sie ist nicht tief; ein paar Tage Ruhe sollten ihn wiederherstellen. Hü!«

      Die vier Ponygirls stemmten sich ins Geschirr und trabten los.

       4

      Eine Flamme durchdrang die Dunkelheit, gelb und flackernd. Der Geruch von Olivenöl schwebte im Raum.

      Luke schlug die Augen vollends auf. Er lag auf dem Bauch, den Kopf der Lampe zugewandt, die auf einem Nachttisch stand. Dumpfer Schmerz strahlte von seinem Rücken aus, und seine Kehle war trocken wie Salz. Zwischen seinen Schläfen schienen glühende Drähte gespannt zu sein.

      Sein Blick irrte durch den Raum. Ein heller Fleck am Rand des Lichtkreises der Öllampe zog seine Aufmerksamkeit an. Er blinzelte die Schlieren aus den Augen.

      Dort, auf dem bloßen Holzboden, saß mit untergeschlagenen Beinen eine nackte Frau.

      Luke schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Die Drähte hinter seiner Stirn glühten stärker. Er stöhnte. Als er die Augen wieder öffnete, war die Frau verschwunden.

      Verrückt!, dachte er. Entweder ich bin verrückt oder ich halluziniere. Vielleicht bin ich auch tot …

      Er stützte sich auf beide Arme und hob den Oberkörper an, doch sofort erfasste ihn ein Schwindel. Seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr, und er fiel zurück in die Laken. Sein Geist trieb zurück in das Nichts, aus dem ihn ein Geräusch, ein Geruch oder der Schmerz gerissen hatte.

      Er erwachte, als ihn jemand am Arm packte. Ein tiefer, röchelnder Atemzug füllte seine Lungen. Er hustete.

      Diesmal war es heller in dem Raum. Zwei schalenförmige Öllämpchen, verziert wie altrömische Museumsstücke, standen auf dem Nachttisch, daneben ein Becher. Und über Luke schwebte das bärtige Gesicht eines Mannes. Die nahtlos in eine Halbglatze übergehende Stirn war in Falten gelegt.

      Luke fuhr auf. Wieder drehte sich der Raum um ihn, aber diesmal glitt er nicht in die Bewusstlosigkeit zurück.

      »Wo bin ich?« Jedes einzelne Wort schmerzte in seiner Kehle und in seinem Kopf.

      Die Augenbrauen des Mannes vor ihm hoben sich. Er blickte kritisch, aber nicht unfreundlich auf Luke herab. »Wissen Sie das nicht?«

      Eine Bewegung lenkte Lukes Aufmerksamkeit auf den Hintergrund des Raums. Eine zweite Gestalt schob sich in den engen Lichtkreis, gedrungen und breitschultrig, mit einem blonden Bürstenhaarschnitt. Dieser Mann war deutlich jünger als der andere, seine Haltung angespannter. Beide trugen bunte T-Shirts und kurze Hosen.

      Luke wälzte sich herum und unterdrückte mühsam einen Aufschrei. Erst jetzt bemerkte er den Verband, der mindestens die Hälfte seines Rückens bedeckte.

      Der Mann mit der Halbglatze machte eine beschwichtigende Geste. »Sie haben sich verletzt. Nicht schlimm, aber Sie haben viel Blut verloren. Was suchen Sie hier?«

      Luke hob den Kopf, die einzige Bewegung, die er sich im Moment zutraute. »War das wirklich eine nackte Frau vorhin, oder habe ich geträumt?«

      »Deli, meine Schwägerin. Sie hat Sie verarztet.«

      »Klar.« Luke ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken. Er war noch nicht überzeugt, dass all dies Wirklichkeit war. Er schloss die Augen, wartete ein paar Sekunden und öffnete sie dann wieder. Die beiden Männer standen immer noch vor seinem Bett. Seine Hände glitten nach unten: Unter der dünnen Decke war er nackt.

      Der Mann mit der Halbglatze deutete auf den anderen. »Das ist Sam, und mein Name ist Bob.« Er sah Luke an.

      »Einfach nur Bob?«, fragte Luke und hustete abermals.

      Bob nickte.

      »Mein Name ist Luke.«

      »Einfach nur Luke?«

      Luke brachte ein Grinsen zustande. Er deutete auf

Скачать книгу