Was bildet ihr uns ein?. Группа авторов

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zur Submersion in Deutschland ist derzeit allerdings nur der Unterricht in Deutsch als Zweitsprache. Wobei man kaum von einer wirklichen Alternative sprechen kann, da der Unterricht viel zu selten, meist einmal pro Woche, durchgeführt wird und deshalb nicht den gewünschten Lerneffekt erzielt. Da die Schüler mit Migrationshintergrund außerhalb des normalen Unterrichts gefördert werden, kann die Lehrkraft zwar speziell auf das Niveau der Lernenden eingehen. Indirekt wird ihnen aber auch hier bewusst gemacht, dass sie nicht zu den anderen gehören. So wird ihnen klar: Sie sprechen eine Sprache, die den anderen fremd ist und es wird Distanz aufgebaut.73 Denn Kindern bleibt nicht unbemerkt, wer vor oder nach dem regulären Unterricht an einer – oftmals als „Förderunterricht“ benannten – Stunde teilzunehmen hat. Allein der Name macht deutlich: Diese Kinder müssen gefördert werden, sind anders als die anderen aus der Klasse, weichen von der „Norm“ ab.

       Yes we did

      Im Gegensatz zu Deutschland hat in den USA Immigration schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Im Laufe der Jahre haben sich dort viele Programme entwickelt, um Kinder mit Migrationshintergrund beim Erlernen der englischen Sprache zu unterstützen. Es ist gar gesetzlich fixiert, dass allen Kindern, die in den USA als Englischlernende gelten, das Recht auf pädagogische Unterstützung haben, um ihnen eine sinnvolle Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen.74 Die Herkunftssprache wird zudem in den Unterricht einbezogen und auch die Kultur der Kinder wird wertgeschätzt – all das, woran es in Deutschland leider noch mangelt.

      Ein Konzept, das Deutschland als Vorbild dienen kann, nennt sich Dual Language School. Sie strebt Bilingualität an und integriert sowohl die Kinder aus sprachlichen Minderheiten als auch aus der Mehrheit. Bei dieser Schulform findet der Unterricht in Klassen statt, in denen Kinder mit zwei verschiedenen Muttersprachen gemeinsam unterrichtet werden. Dabei gehört die eine Hälfte einer sprachlichen Mehrheit und die andere einer Minderheit an. Die Unterrichtszeit wird gleichmäßig auf beide Sprachen aufgeteilt.75 Die erste Dual Language School, die internationale Bekanntheit erlangte, war die Coral Way Elementary School in Florida. Die Idee kam von einer Gruppe sozial gutsituierter Kubaner, die in den USA im Exil lebten, da sie vor dem Castro-Regime geflohen waren. Sie hatten ein großes Interesse daran, dass ihre Kinder die englische Sprache erlernen und gleichzeitig ihre Spanischkenntnisse pflegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzepten konnten die Jungen und Mädchen durch dieses eine Aufwertung ihres sprachlich-kulturellen Hintergrunds erfahren.

      Auch in Deutschland gibt es Schulen, die bilingualen Unterricht anbieten. Dabei werden die Lernenden auf Deutsch und einer Minderheitensprache unterrichtet. Sprachen wie Türkisch und Italienisch erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit in Deutschland, weswegen einige Eltern an einer bilingualen Ausbildung ihrer Kinder interessiert sind. Jedoch werden unbekannte oder weniger populäre Minderheitensprachen bei diesem Konzept nicht berücksichtigt.76 Auch wird dieses Konzept bislang nicht konsequent umgesetzt. So gibt es beispielsweise Schulen, an denen der sogenannte Herkunftssprachenunterricht nur ein bis zweimal die Woche angeboten wird. Das ist eindeutig zu wenig. Außerdem existieren einige bilinguale Schulen, die die Unterrichtszeit nicht gleichmäßig auf beide Sprachen verteilen, sondern im Verhältnis von 70 zu 30.

      Dennoch zeigen die Beispiele aus den USA, dass Kinder mit Migrationshintergrund mehr Erfolgserlebnisse haben, die Zweitsprache zu lernen, wenn ihre Muttersprache in den Unterricht einbezogen wird. Kinder, die an bilingualen Schulen oder in ihrer Herkunftssprache unterrichtet werden, erreichen höhere Kompetenzen in Erst- und Zweitsprache. Dies wirkt sich auch positiv auf die schulische Leistungen aus. Es geht also nicht darum, nun ausschließlich bilinguale Schulen in Deutschland einzuführen, sondern darauf aufmerksam zu machen, welchen großen Einfluss die Muttersprache auf die eigenen Kompetenzen hat. Dies zeigte auch schon die sogenannte Interdependenz-Hypothese, die 1978 von James Cummins aufgestellt wurde. Sie entkräftete die damals vorherrschende Meinung, dass Mehrsprachigkeit schädlich sei. 1966 hatte John Macnamara die Behauptung aufgestellt, ein Kind müsse Kenntnisse in seiner Muttersprache einbüßen, sobald es Fortschritte in der Zweitsprache mache.77 Heute besteht jedoch Konsens darüber, dass Fähigkeiten von einer Sprache auf die andere übertragen werden können.78 Der Misserfolg von Submersion lässt sich also folgendermaßen erklären: Dass Kinder mit Migrationshintergrund häufig geringere bildungssprachliche Kompetenzen in ihrer Muttersprache aufweisen, liegt unter anderem daran, dass Familien ihre Sprache zu Hause nur für die Alltagskommunikation verwenden. Dadurch bleibt das Niveau an einem bestimmten Punkt stehen, weil es nicht durch Schulbildung oder ähnliches erweitert wird. Wenn dann diese Kinder in der Schule erstmals intensiven Kontakt zur Zweitsprache, also Deutsch, haben, sind ihre Kenntnisse in der Muttersprache unzureichend. Deshalb ist es schwierig für sie, Kompetenzen in der Zweitsprache zu entwickeln, was wiederum dazu führt, dass sie keine weiteren Fortschritte in der Erstsprache machen.

      Plädoyer für Integration durch sprachliche Bildung

      Es ist dieser Teufelskreis der Mehrsprachigkeit, der verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Sprachen verschiedener Minderheiten Wertschätzung entgegenzubringen und sie mit in das deutsche Bildungssystem einzubeziehen. Denn Integration ist ein Prozess, zu dem zwei Seiten gehören: Nicht nur die Migranten müssen den Willen zeigen, sich in die Gesellschaft zu integrieren und die deutsche Sprache zu lernen. Auch die deutsche Bevölkerung und die Politik müssen Handlungsbereitschaft zeigen. Um Integration durch sprachliche Bildung zu ermöglichen, müssen daher Minderheiten stärker gefördert werden, die deutsche Sprache zu lernen. So sollte vor allem die praktische Umsetzung und die bundesweite Verbreitung von bilingualem Unterricht sowie Herkunftssprachenunterricht überdacht und unterstützt werden, da diese Konzepte den sprachlichen und kulturellen Hintergrund aller Kinder wertschätzen. Sowohl die Kinder aus der Sprachmehrheit als auch die der Minderheit müssen sich manchen Schwierigkeiten beim Erlernen einer Fremdsprache stellen, haben aber gleichzeitig Erfolgserlebnisse, wenn ihre Muttersprache im Unterricht behandelt wird. So sind alle gleichberechtigt. Zudem lernen die Kinder kulturelle Besonderheiten ihrer Mitschüler kennen, so dass Toleranz und gegenseitiges Verständnis gefördert werden.

      Immerhin gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht keinerlei Zweifel mehr daran, dass Bilingualität die kognitive Entwicklung von Kindern fördert. Zudem werden durch sprachlich-kulturellen Austausch das gegenseitige Verständnis sowie soziale Kompetenzen gefördert und erweitert. Es ist die Integrationspolitik Deutschlands, die eklatante Mängel aufweist und somit das Bildungssystem am nächsten Schritt in die richtige Richtung hindert.

      Aber auch jenseits von Sprachunterricht können Schulen den dort vorherrschenden Fokus auf eine Sprache und eine Kultur aufbrechen, indem sie der Herkunft ihrer Schüler explizit Raum im Unterricht und Schulkonzept einräumen. Es ist tatsächlich verwunderlich, wie Schulen seit Jahrzehnten an der Lebenswelt ihrer Schüler vorbei unterrichten können, ohne dass lautstarker Protest zu vernehmen ist. Nur selten oder gar überhaupt nicht sind türkische, italienische, polnische oder russische Autoren im regulären Schulliteraturkanon vorzufinden. Und wehrend christliche Feiertage wie selbstverständlich in den Schulalltag integriert werden, werden Festtage anderer Religionen oder Kulturen ins private Umfeld der Schüler verwiesen. Diese und weitere Beispiele zeigen, dass wir auch über 50 Jahre nach den Anwerbungsabkommen einer modernen Einwanderungsgesellschaft nicht gerecht werden. Das Ideal der Herausbildung homogener Gruppen ist für die heutige Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß und führt zu einer Benachteiligung von Schülern aus nicht-akademischen und herkunftsdeutschen Familien.

      Es wird nun also wirklich Zeit, ein Bildungssystem zu etablieren, das Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund keine zusätzlichen Steine in den Weg legt, sondern sie in ihrem Bildungsbestreben unterstützt. Denn: Noch ist es stark vom Zufall abhängig, ob ein Migrant einen erfolgreichen Bildungsweg einschlagen wird oder nicht. Eine demokratische Gesellschaft kann jedoch nur als solche fortbestehen, wenn sie jedem Gesellschaftsmitglied die gleichen Rechte und Möglichkeiten zugesteht. Daher muss sie sich dafür einsetzen, dass nicht mehr das Schicksal oder die Herkunft der Entscheider über Lebenschancen ist, sondern jedes

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