Was bildet ihr uns ein?. Группа авторов

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schon längst kommt es nicht mehr nur auf die Grundbedürfnisse des Kindes an – die unzähligen Förderprogramme sind der beste Beweis. Eltern haben schon früh die Bildungsbiografie ihrer Zöglinge im Blick. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in den letzten Jahrzehnten Studien gezeigt haben, dass Kinder vor dem sechsten Lebensjahr unglaublich wissbegierig sind und sich enorm entwickeln.7 In keinem Alter lernt das Kind so viel wie in dieser Entwicklungsphase seines Lebens. Damit rückte die frühkindliche Bildung stark ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Denn in der frühen Kindheit liegen bislang viele Entwicklungschancen brach und die sollen zukünftig genutzt werden.

      Dies kann aber nur gelingen, wenn das Kind in einem fördernden Umfeld aufwächst. Die Familie dient dabei als erste Lebens- und Erfahrungsumwelt. Die Bedingungen, die es dort vorfindet, und welche Kompetenzen es durch sie erwirbt, beeinflussen es maßgeblich.8 Zu den familiären Bedingungen zählen vor allem das Einkommen, die Bildung und die Herkunft der Eltern – die zudem häufig wiederum voneinander abhängig sind. So werden einem Kind, das beispielsweise in einer Familie mit einem niedrigen Einkommen und wenig Spielangebot aufwächst, demnach schlechtere Voraussetzungen für seinen Bildungsweg bescheinigt. Was ist also mit Kindern deren Eltern keine vielversprechenden Bedingungen bieten können oder wollen?

      In der Fachsprache werden sie Risikokinder9 genannt. Aufgrund ihres Umfelds, in das sie hinein geboren werden, gelten sie als entwicklungsgefährdet. Gesundheitliche oder familiäre Belastungen spielen meist schon vor der Geburt eine Rolle. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich schlechter entwickeln als andere Gleichaltrige. Grundsätzlich sind sie genauso fähig, alles zu erreichen. Allerdings haben sie schlechtere Ausgangsbedingungen und um die auszugleichen, bedarf es im derzeitigen Bildungssystem eines langen Hürdenlaufes, an dem dennoch viele scheitern. Einige Kinder entwickeln jedoch eine Widerstandsfähigkeit, wodurch sie in der Lage sind, mit Problemen umzugehen und Widerstände zu bewältigen. Aufgrund dessen gibt es Kinder, die trotz hohen Barrikaden das Bildungssystem erfolgreich durchlaufen.

      Hierfür ist es wichtig, die Lebenswelt des Kindes so zu gestalten, dass es seine eigenen Widerstandskräfte ausbauen kann. Lebensumfelder wie die Familie und der Kindergarten müssen daher dem Kind Raum geben, damit es sich entwickeln kann. So dienen diese Erfahrungen dann als Rückhalt.10 Frühe außerfamiliäre Betreuung kann Kindern diese vielfältig unterstützende Erfahrungswelt ermöglichen. Dies sollte optimalerweise dazu führen, dass vorhandene Benachteiligungen ausgeglichen werden oder sich sogar zu Stärken des Kindes entwickeln können. Da Kinder beispielsweise in unterschiedlichen Gegenden aufwachsen, entspricht dieses Ziel jedoch in unserer Gesellschaft, insbesondere in Großstädten, häufig einer Utopie. Die Sorge, dass das eigene Kind durch sozial benachteiligte Kinder selbst nicht ausreichend gefördert wird, ist groß. So kommt es, dass lieber ein höherer Kindergartenbeitrag bezahlt wird, um das Kind nicht in eine öffentliche Einrichtung geben zu müssen. Umgekehrt führt das vereinzelt dazu, dass die öffentlichen Einrichtungen versuchen, bildungsorientierte Eltern durch eine strikte Trennung der Kinder in unterschiedliche Gruppen zu halten. Natürlich wird das nicht offiziell so dargestellt, aber dennoch entspricht es der Praxis. Schnell kommt einem hierbei das Lied von Franz Josef Degenhardt aus dem Jahr 1965 in den Sinn: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder“ – das ist auch heute noch aktuell. Dass Kindern damit kein Gefallen getan wird, ist offensichtlich. Es sei denn, man ist bestrebt, dass in unserer Gesellschaft Kinder von vornherein wissen, in welche Schicht sie gehören und dass sie diese auch nicht verlassen sollen. Kindern muss es aber ermöglicht werden, von klein auf zu erleben, dass sie alle unterschiedlich aufwachsen und dass dies nicht grundsätzlich ein Nachteil sein muss. Im Gegensatz zu Erwachsenen ist es Kindern egal, wo der beste Freund herkommt oder ob die Eltern ein eigenes Haus haben. Kinderaugen haben noch nicht den wertenden Blick und betrachten ihre Spielkameraden anders. Es kommt also nicht darauf an, Kinder voneinander zu trennen, sondern sie vielmehr zusammen aufwachsen zu lassen. Kindertageseinrichtungen können hierfür ein Ort der gemeinsamen Bildung und Betreuung sein.

      Kindheit wird Bildungszeit

      Innerhalb der ersten Lebensjahre wird das elterliche Umfeld um die Kita erweitert.11 Wann genau Kinderkrippe oder Kindergarten zum Lebensumfeld des Kindes hinzukommen, hängt von seinen Eltern ab. Sind diese beispielsweise berufstätig, nehmen sie vielleicht früh eine Betreuung für ihr Kind in Anspruch. Bereits acht Wochen nach der Geburt ist das in Deutschland möglich. Im Jahr 2011 wurde im Schnitt jedes vierte Kind unter drei Jahren betreut. 12 Im bundesdeutschen Vergleich sind die Quoten allerdings sehr unterschiedlich. Einerseits liegt dies an mangelnden Plätzen, andererseits aber auch an unterschiedlichen Einstellungen. Wehrend es in den neuen Bundesländern gesellschaftlich anerkannter ist, Kinder früh in eine institutionelle Betreuung zu geben, ist es in den alten immer noch ein Streitpunkt. Hier werden Eltern schnell als „Rabeneltern“ abgestempelt, wenn sie ihre Kinder früh außerfamiliär betreuen lassen.

      Ob ein Kind früher oder später in den Kindergarten geht, kann seine Entwicklung allerdings beeinflussen. Da die Bildungschancen eines Kindes in Deutschland noch immer stark von seiner Herkunft abhängen und davon, welche sozialen und kulturellen Welten die Bezugspersonen dem Kind eröffnen können, ist gerade für Familien aus bildungsfernen Schichten der Besuch des Kindergartens entscheidend. Dem Kind werden dadurch vielfältige Lerngelegenheiten geboten. Doch auch Kinder aus bildungsnahen Familien profitieren von dem großen Bildungsangebot und werden nicht durch vermeintlich schwächere Kinder in ihrer Entfaltung gehemmt, wie oft befürchtet wird. Zudem konnten Studien zeigen, dass der Kindergartenbesuch einen langfristig spürbaren Effekt auf die Bildung von Kindern haben kann.13

      Durch dieses entdeckte Potential hat sich der Blick auf Kindertageseinrichtungen maßgeblich gewandelt und wirkt sich auch auf die Tagesstätten aus. Schon längst hat eine Kindertageseinrichtung den Status einer Aufbewahrungsanstalt verloren und man spricht von Bildungsorten. Spätestens seit der PISA-Studie14 wird die Phase vor dem Schuleintritt auch als Bildungszeit gesehen. Dass Schüler in Deutschland im internationalen Vergleich schlechter abschnitten, soll damit ausgeglichen werden, dass man mit der Bildung schon vor der Schule beginnt. Und so ist die Liste an Programmen, Maßnahmen und Angeboten, um Kitas zu Bildungsorten umzugestalten, lang. Und der Blick richtet sich immer mehr auf das „Produkt“, das am Ende der Kindergartenzeit herauskommen soll.

      Dies hat zur Folge, dass die Qualität eines Kindergartens verstärkt an der erfolgreichen Anpassungsleistung von Kindern an das System Schule gemessen wird. Anders gesagt: Kitas werden mitverantwortlich für den späteren schulischen Erfolg gemacht. So gehört es nun verstärkt zu ihren Aufgaben, die Kinder auf die schulischen Anforderungen vorzubereiten. So müssen sie beispielsweise schulische Vorläuferkompetenzen vermitteln. Dazu gehört es, durch Reimen, Hören, Lauschen einen bewussten Sprachgebrauch zu entfalten und sich in mathematischem und naturwissenschaftlichem Denken zu üben. Sozial-emotionale Fähigkeiten wie Selbstsicherheit, Disziplin und Verantwortung auszubilden, gehört ebenfalls zum Aufgabenspektrum. Auch motorische Fertigkeiten wie Springen, Laufen, Schreiben müssen ausgebaut werden. Ein langer Aufgabenkatalog, der, auch wenn er auf spielerische Weise vermittelt wird, den Druck und die Erwartungen gegenüber den Kindern erhöht. An sich handelt es sich bei den genannten Vorläuferkompetenzen um ganz natürliche Entwicklungsschritte eines Kindes. Nun aber von einem Aufgabenkatalog zu sprechen zeigt, welche Haltung gegenüber dem Kind eingenommen wird: Nicht das Kind steht im Vordergrund, sondern die künftigen Anforderungen der Schule.

      Ist es für ein Kind aber wirklich so wichtig, dass es den Stift so hält, wie es vorgesehen ist? Oder reicht es nicht aus, dass es eine eigene Form gefunden hat zu schreiben? Es hat wenig Sinn, Jungen und Mädchen nur anhand eines Aufgabenkatalogs zu betrachten. Viel wichtiger ist es, jedes Kind einzeln für sich zu betrachten, also einen individuellen Blick zu haben, denn so kann Sorge getragen werden, dass frühkindliche Bildung nicht zum Fehlstart eines Kindes wird. Damit das erfolgreich funktioniert, braucht es gute Kindergerten und qualifiziertes Fachpersonal.

      Die

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