Sklavenjagd. Tomàs de Torres

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Sklavenjagd - Tomàs de Torres

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kleine Problem zu vermeiden!«, donnerte der Schauspieler seinen Kollegen an. »Du flüchtest und verkriechst dich vor ihm, anstelle auch nur den Versuch zu unternehmen, dich ihm zu stellen und es zu lösen! Willst du endlos so weiterleben? Pah, du weißt ja gar nicht, was Leben heißt! Aber ich bin nicht so, ich will etwas von meinem Leben haben, es ist ja schließlich kurz genug!«

      Dolores war kalkweiß geworden. Ihre Nasenflügel zitterten, und ihre Zähne bissen auf die Unterlippe, bis es schmerzte. Abrupt stand sie auf. Für einen Moment bildeten sich rote Ringe vor ihren Augen, und sie musste sich an der Lehne des zum Glück leeren Sessels vor ihr festhalten. Sie murmelte eine unhörbare Entschuldigung und zwängte sich an dem neben ihr sitzenden Paar vorbei, erreichte den Gang und flüchtete geradezu aus dem Saal.

      Draußen, in der Dunkelheit, blieb sie stehen und lehnte sich an die Wand des Theaters. Sie nahm die kühle Nachtluft in sich auf und wartete, bis sich ihr Atem und ihr Herzschlag wieder beruhigt hatten. Dann machte sie sich auf den Rückweg, zu Fuß, wie sie hergekommen war; die Entfernung betrug schließlich kaum mehr als einen Kilometer.

      Zunächst, noch während der Schauspieler gesprochen hatte, war sie einfach wütend darüber gewesen, dass Jorge dessen Monolog praktisch wörtlich übernommen und auf sie angewandt hatte. Doch noch bevor der Mann auf der Bühne zum Ende gekommen war, erkannte sie die Ungeheuerlichkeit von Jorges Vorgehen: Er hatte gewusst, dass sie die Premiere besuchen würde, hatte sie selbst dazu eingeladen – »gezwungen«, überlegte sie, wäre ein passenderes Wort. Und dennoch hatte er sich ungeniert am Text bedient, was Dolores als völlige Missachtung ihrer Intelligenz empfand; so, als wäre sie in seinen Augen kein denkendes und fühlendes Wesen, sondern nicht mehr als ein Einrichtungsgegenstand oder bestenfalls ein niederes Tier, dessen geistige Fähigkeiten nur zum Fressen und Schlafen taugten – und zur Paarung.

      Dass die Worte, die der Autor des Stücks dem Schauspieler in den Mund gelegt hatte, auf sie selbst ebenso passten, hatte mit ihrem Zorn nichts zu tun.

      Zumindest redete sie sich das ein.

      Als sie an dem Restaurant vorüberkam, in dem sie zu Mittag gegessen hatte, wurde sie sich der Tatsache bewusst, seither nichts mehr zu sich genommen zu haben, und so betrat sie es kurzerhand, obwohl darin gerade Hochbetrieb herrschte. Sie ließ sich am letzten freien Tisch nieder und nahm sich Zeit. Schließlich, lange nach Mitternacht, verließ sie die Gaststätte als eine der Letzten.

      Jorge war noch nicht zurückgekehrt, und sie war dankbar dafür. Sie duschte, dann packte sie die wenigen Sachen, die sie mitgebracht hatte, nahm Handtasche und Koffer und machte sich auf den Weg zur Garage. Auch wenn sie diese Flucht nicht als endgültigen Bruch mit Jorge betrachtete – dazu war sie, trotz allem, noch nicht bereit –, war sie in Dolores’ eigenen Augen ein für sie bislang beispielloser Akt der Entschlossenheit und des Mutes.

      Der Motor des Saxo startete problemlos; sein gewohntes Laufgeräusch hatte für Dolores etwas zutiefst Beruhigendes an sich. Doch als sie den Widerschein des einzelnen Abblendlichts an der Garagenwand sah, wurde ihr klar, dass sie etwas Entscheidendes übersehen hatte: Jeder Polizist zwischen Antequera und Málaga – und das waren auch nachts gewiss nicht wenige, gerade auf der Autobahn – würde ihren Wagen anhalten und sie auf den defekten Scheinwerfer aufmerksam machen. Und dann würde er die beschädigte Kühlerhaube entdecken und weiter nachforschen …

      Sie sah auf die Uhr. Es war mittlerweile halb drei geworden; die dunkelste Stunde der Nacht. Zurück in das Apartment wollte sie unter keinen Umständen; sie fühlte sich völlig außerstande, eine Konfrontation mit einem wahrscheinlich angetrunkenen Jorge durchzustehen. Nein, sie hatte keine andere Wahl, als zu warten, und zwar hier im Wagen.

      Sie löschte das Licht und schaltete Motor und Zündung wieder aus. Dann lehnte sie sich zurück, machte es sich so bequem, wie es unter diesen Umständen möglich war, und schloss die Augen. Sie wusste, dass sie in dieser Nacht keinen Schlaf finden würde, dass sie sie sie allein mit ihren Gedanken würde zubringen müssen. Was schon unter normalen Umständen keine besonders angenehme Gesellschaft war. Nach diesem Tag jedoch und nach dem Grauen der vorangegangenen Nacht …

      Endlich, beim ersten Morgengrauen, hielt sie den Geistern der Vergangenheit, der Gegenwart und der dunkelsten aller möglichen Zukünfte nicht mehr stand. Sie startete den Motor, rangierte aus der Garage und machte sich auf den Weg nach Hause.

      IV

      Dolores erreichte Málaga in Rekordzeit und ohne von der Polizei aufgehalten zu werden. Sie fand einen Parkplatz in der Nähe ihrer Wohnung, in der Calle de Luchana im Stadtzentrum. Sie hoffte, dass die verbeulte Front des Kleinwagens hier, unter einer Legion von anderen, teils nicht weniger verbeulten Kleinwagen, nicht übermäßig auffiele. Endlich kam sie dazu, den Schaden zu untersuchen: Der Scheinwerfer war völlig geborsten, und Kühler und Motorhaube wiesen an der Stelle des Zusammenpralls eine tiefe Delle auf. Blutspuren waren keine zu sehen, wenigstens nicht mit bloßem Auge. Dolores versuchte gar nicht erst, die Motorhaube zu öffnen; sie war heilfroh, dass der Wagen überhaupt noch fuhr, und wollte alles vermeiden, was den Zustand des »Patienten« verschlimmern könnte.

      Das Viertel war charakterisiert durch hohe Häuser und enge Gassen. Dolores’ Wohnung in der vierten Etage bestand aus einer Wohnküche, deren Fenster in einen engen Lichtschacht führte, zwei kleinen Schlafzimmern, von denen Jorge eines mit Beschlag belegt hatte, sowie einem Bad, das immerhin Platz für eine Badewanne bot. Die Größe der Wohnung war Dolores’ Einkommen angemessen, doch in Augenblicken, in denen sie ehrlich gegenüber sich selbst war, musste sie sich eingestehen, dass sie beides – Job und Wohnung – liebend gern gegen etwas Besseres eintauschen würde, wenn sie nur eine Gelegenheit dazu bekäme.

      Und Jorge ebenfalls, wenn sie es recht bedachte.

      In Bezug auf den Unfall war sie während der Fahrt zu einem Entschluss gekommen: »Ich werde nichts sagen!«, hatte sie sich selbst mit fester Stimme verkündet, als sie die Autobahn verlassen hatte und in das Gewirr der Straßen der Provinzhauptstadt eingetaucht war.

      Und in Gedanken hatte sie hinzugefügt: Ich werde mich zu Hause und in meinem Büro verkriechen, wie ich es immer getan habe. Ich werde den Mund halten und hoffen, dass sich alles irgendwie auflöst – ebenfalls, wie ich es immer getan habe.

      Wie ein fernes Echo wehte die Stimme Jorges an ihr inneres Ohr.

       Du weißt ja gar nicht, was Leben heißt!

      Den ganzen Sonntag über hörte sie nichts von Jorge und war froh darüber. Am Montagmorgen fuhr sie als Erstes den Saxo auf dem kürzesten Weg in die Werkstatt. Arturo, der Mechaniker, besah sich den Schaden mit undurchdringlicher Miene. Erst als Dolores mit niedergeschlagenen Augen – denn sie wusste, dass sie keine gute Lügnerin war – berichtete, sie habe beim Rangieren einen Baum übersehen, zeigte er einen für ihn seltenen Anflug von Humor.

      »Na, da müssen Sie aber einen hübschen Zahn draufgehabt und beim Vorwärtsfahren angestrengt nach hinten gesehen haben«, grinste er. Aber er enthielt sich jedes weiteren Kommentars, auch als Dolores ihn bat, den Wagen nach der Reparatur gründlich zu waschen.

      »Es wird ein paar Tage dauern«, informierte er sie schließlich. »Ich muss einige Teile bestellen.« Dann nannte er den voraussichtlichen Preis; einen Betrag, der Dolores schlucken ließ. Ihr »Notgroschen-Sparbuch« würde eine unfreiwillige Abmagerungskur erleiden. Doch schließlich hatte sie keine andere Wahl, als zustimmend zu nicken.

      Sie ging zur nächsten Bushaltestelle, kaufte sich auf dem Weg eine Tageszeitung – »Málaga hoy« – und begann, noch während sie auf den Bus wartete, den Lokalteil zu lesen; eine Lektüre, die sie während der Fahrt zu ihrer Arbeitsstelle fortsetzte und die sie so in Bann schlug, dass sie fast das Aussteigen verpasste.

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