Der Ausweg. Gundolf S. Freyermuth

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Der Ausweg - Gundolf S. Freyermuth

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wurde es still.

      Als er sich nicht wieder blicken ließ, zog Gal den müden Harry Mannomann aus dem Stuhl.

      „Komm!“ sagte sie.

      „Was ist mit deinem Mann?“ fragte er und blieb unschlüssig stehen.

      „Der? Pahh.“ Sie machte eine kurze, verächtliche Kopfbewegung in Richtung Bad. „Das kenne ich schon. Suffkopp wacht erst morgen Mittag wieder auf ...“

      Sie streckte sich hoch und küsste und biss sanft in Manns stopplige Haut an Kinn und Hals.

      Dann polterten sie nach oben, Gal voraus, er hinterher, auf Stufen, die sich drehten und wendeten, sobald seine Füße sie berührten. Mit beiden Händen tätschelte er den Hintern vor seinen Augen und fühlte sich dabei wie in seinen schmutzigsten Phantasien.

      4

      Sein müder Körper hatte schon bessere Nächte erlebt. Er war zu unsicher, zu wütend, und er war zu betrunken. Erst allmählich, als alles vorbei war, wurde sein Kopf nüchterner, und durch seinen Halbschlaf hallten die Schritte im Parterre des Bungalows.

      Er lag im Gästezimmer unter dem Dach auf einem flauschigen Kaufhausfell. Gal schlief neben ihm. Sie hatte sich halb zur Seite gerollt und atmete flach. Ihr rechter Arm lastete schwer auf seinen Schenkeln. Langsam drehte er sich beiseite, und Gals Hand rutschte zwischen seine Beine. Es erregte ihn. Unablässig schlurfte der Mann im Parterre hin und her.

      Gals weicher nackter Körper war weiß, als hätten die Jahre alle Farbe aus ihr gesaugt.

      Er konnte nicht schlafen; nicht solange ihre Hand lag, wo sie lag, und nicht solange der Alte dort unten auf und ab rumorte. Gal zuckte leicht im Schlaf wie ein Hund, der von der Jagd träumt. Die schöne Gallathea hatte bekommen, was sie wollte. Sie waren in ihre Falle gegangen, Kelling und er und vielleicht auch sie selbst.

      Mit ziemlicher Sicherheit markierte diese missglückte Liebesnacht das Ende seiner kurzen Karriere. Von Anfang an war alles verquer gewesen, schon vor Wochen, als Kelling nach dem zweiten Gespräch, bei dem sie sich auf die Modalitäten des Vertrages geeinigt hatten, Harry Mann und seine Frau zum Essen einladen wollte.

      „Ich habe keine Frau“, hatte er misstrauisch geantwortet.

      Sein Lebenswandel entsprach kaum den Ansprüchen, die Chefs an zuverlässige Mitarbeiter stellen. Das begann schon bei der scheinheiligen Frage nach seiner Frau. „Ledig“ stand in seiner Bewerbung. Für Häuslichkeit brachte er, seit Anne ihn verlassen hatte, kein Interesse auf, und von Mädchen, die wie er Sex für eine Nacht wollten, waren die Kneipen voll. Alle Welt fürchtete sich zwar vor Aids, aber praktische Konsequenzen hatte das sowieso nur für die Redakteure, die darüber ihre Horrorstories schrieben, und für ein paar unheilbare Hypochonder, die jede Krankheit begrüßten wie der König von Theben seinen Sohn. Und lief einmal wirklich nichts, so bezahlte Mann halt. Das kam immer noch bei weitem billiger als Frau oder Freundin.

      „Nichts Festes?“ hatte Kelling weitergebohrt. Und auf sein Kopfschütteln: „Dann essen Sie eben solo, meine Frau nervt allemal für zwei.“

      Zu der Verabredung in einem dieser rustikalen Steakhäuser war Kelling aber ebenfalls allein erschienen. Der Abend verlief halbwegs erträglich. Die beiden kippten hemmungslos Bier und Korn, und Kelling, der kurz vor der Pensionierung stand, merkte nicht die Spur, wie gleichgültig Harry Mann seine vielversprechenden Andeutungen ließen. Ein süßes Lebenslänglich von neun bis fünf, abgesessen für Leute, die sich mit seiner Arbeit eine goldene Nase verdienten, reizte ihn nicht sonderlich. Natürlich endete der Abend auf Spesen in einem Grunewalder Nobelpuff, und natürlich gab Kelling viel Geld aus, ohne dass einer von ihnen mit einem der Mädchen was gemacht hätte.

      Und jetzt lag er neben Kellings Frau im Bett, und statt seinen Rausch auszuschlafen, schlurfte der Alte im Parterre unaufhörlich auf und ab. Das Radio, das sie hatten laufen lassen, spielte dazu die Tanzmusik.

      Mann kam sich in seiner eigenen Haut wie ein Fremder vor.

      Er gehörte nicht hierher. Es war das Morgengrauen, die Zeit, zu der er sonst aus dem „Slumberland“ wankte, in die halbe Sonne blinzelte und mit dem guten Gefühl, ein hoffnungsloser Fall zu sein, nach Hause taperte, über den leeren Winterfeldplatz in die vage Richtung seiner dunklen Vier-Zimmer-Bad-Klo-Hinterhof-Höhle, die er teilte mit Kistenmöbeln und Ikea-Regalen und mit all dem Oma-Plüsch-Sperrmüll, den er so sehr hasste.

      Da gehörte er hin.

      Nach Hause. Er, der letzte Mohikaner, einziger Überlebender jener legendären Drei-Männer-zwei-Frauen-Wohngemeinschaft. Nach Hause, durch das Vorderhaus, vier muffige Treppen, „Morj’n“ ohne Antwort zu einem der zahllosen Türken, die einem immer entgegenkamen auf ihrem Weg zur Fabrikarbeit; das Gefummel mit dem Schrottschloss, dann der Tritt gegen die verzogene Tür, drinnen. Erst mal pissen ...

      Neben ihm bewegte sich Gal im Schlaf. Pissen wär’ jetzt auch nicht schlecht.

      Der Fall ins Bett. Zu Hause sein. Am frühen Nachmittag dann das verkaterte Erwachen, ein weiterer Tag verschlafen, zum Bäcker. Die Sesamschrippen sind aus, längst; die sinnlose Frage nach den Croissants kann er sich ersparen. Zurück, am Briefkasten vorbei. Bunte Reklame, triste Auszüge vom leeren Postscheckkonto, mal eine Postkarte aus Kreta oder aus der Toscana, immer wieder weiter, und dann plötzlich: Bäng!

      Er schreckte aus seinem Halbschlaf. Kelling lärmte demonstrativ im Erdgeschoß.

      Der große Bäng, das war Kellings Brief gewesen, die Antwort auf Manns Bewerbungsschreiben, das erste und einzige, das er losgeschickt hatte, lieblos und ohne Hoffnung und eigentlich nur, um sich Peters Lamento über seine Lebensuntüchtigkeit nicht länger anhören zu müssen. Und dann eben: Bäng, die Einladung zum Vorstellungsgespräch, gezeichnet Rudolf Kelling, darüber der edle Briefkopf: „Schlosser, Rulow & Co.“.

      Die Treppen war er hoch gestürmt, Peter angerufen. Der hatte ihn gleich – „Vorschuss auf’n Erfolg, bald kannste selbst bezahlen!“ – zum Frühstück in die „Paris Bar“ eingeladen: „Nimm dir ‘n Taxi, aber lass dir ‘ne Quittung geben.“

      Den halben Sieg hatte Peter schon als ganzen und den ganzen Sieg als persönlichen Triumph genommen. Sein Sieg. Zum zweiten Mal hatte er Harry Mann bekehrt. Erst Rote Garde, nun Karriere. Kader bleibt Kader, auch wenn er inzwischen eine gut gehende Kneipe besaß und einen schwarzen 500er Mercedes fuhr.

      Immerhin, es war eine Chance. Vielleicht wirklich die letzte.

      Und hätte er weniger Mut besessen, seiner Gier auf Gal zu folgen, wäre er noch feiger gewesen, als er es ohnehin schon war, so hätte wohl sein Leben endlich werden können, was es sollte: todsicher inklusive Kündigungsschutz und sterbenslangweilig. Ohne jede Aussicht auf Veränderung, wenn man einmal von der Möglichkeit einer Frührente absah.

      Aber er: Rumsbums. Daneben. Vorbei. Tilt.

      Jetzt lag er möglichst bewegungslos neben der schönsten Frau, mit der er je geschlafen hatte, und fühlte sich mies. So mies, wie schon die ganze Nacht.

      Er starrte zum Fenster hinaus in den taghellen Morgenhimmel. Nach einer Ewigkeit war es sechs Uhr. Der SFB sendete Nachrichten. Im Gegensatz zu seinem Leben hatte sich seit gestern Abend in den Meldungen wenig geändert. Viel Lärm um ein paar lausige Millionen für ein paar graue Bonner Herren. Er hatte keine Ahnung, worum es dabei ging. Und er kannte niemanden, der sich auf dieses Tohuwabohu einen Reim machen konnte. Genaugenommen kannte er auch keinen, der sich dafür interessierte. Außer ihm selbst und Peter,

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