Der Ausweg. Gundolf S. Freyermuth

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Der Ausweg - Gundolf S. Freyermuth

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Wineck bestritt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, im fraglichen Zeitraum über die im Bundesanzeiger ausgewiesenen Beträge hinaus irgendwelche persönlichen oder zweckgebundenen Zuwendungen erhalten zu haben“, leierte der Nachrichtensprecher. „Wineck betonte auf Nachfrage, dies gelte auch für die Block-Vermögensverwaltung und insbesondere hinsichtlich des ,Verein zur Förderung grenzüberschreitenden Denkens‘, von dessen Existenz er offiziell erst vor wenigen Wochen erfahren habe.“

      „Wer soll’n sowat fastehn“, murmelte Mann unwillkürlich in dem falschen Berliner Tonfall, der Peter zur zweiten Sprache geworden war. Szene-Slang, der mit echtem Berlinern soviel zu tun hatte wie falscher Hase mit einem Löffeltier.

      Neben ihm rekelte sich Gal im Schlaf, und er, weil er nichts weniger wünschte, als dass sie jetzt aufwachte, lag da wie ein Toter, bis sie wieder gleichmäßig atmete.

      5

      Eine Ewigkeit später zog er Gals Hand vorsichtig von seinen Schenkeln, stand auf und kleidete sich langsam an. Es war noch keine sieben Uhr, aber draußen schien bereits die Sonne, und man spürte die Hitze, die bald aus dem wolkenlosen Himmel hervorbrechen würde wie ein Haufen feindlicher Jäger.

      Er schlüpfte gerade in seinen zweiten Schuh, als sich Gal wieder herumwälzte, nach ihm tastete und die Augen aufschlug. Sie schaute ihm eine Weile schweigend zu, dann sagte sie ohne jede Betonung:

      „Geh nicht! Er wird mich schlagen.“

      Mann gab ihr keine Antwort. An diesem Morgen war nicht die Zeit für Liebeserklärungen. Er und Gal Kelling, das schien einfach nur falsch und unpassend. Der Billig-Freier und die Luxus-Nutte.

      Mit übertriebener Langsamkeit band er seinen Schlips, hob das blaue Jackett mit den dicken Goldknöpfen vom Boden auf und öffnete die Tür.

      Von der Halle unten blickte Kelling zu ihm herauf. Der alte Verlierer tat ihm leid, aber entschieden mehr Mitleid empfand er mit sich selbst.

      „Ich hoffe, es hat Spaß gemacht?“ lamentierte Kelling mit einer Stimme, die zwischen Betrunkenheit und Kater, zwischen Geilheit und Eifersucht schwankte.

      Der übliche Hang zu Vulgarität und Selbsterniedrigung, dachte Mann und spürte, wie seine guten Vorsätze zum Teufel gingen. Er hasste solche Situationen. Sie erinnerten ihn an seine Kindheit. Und er hasste seine Kindheit.

      „Na, wie ist meine Alte?“ hakte Kelling nach. „Zufrieden?“

      Mann gab sich einen Ruck und ging die Treppe hinunter. Die afrikanischen Kultgegenstände hatten die Nacht gut überstanden, besser als Kelling und er.

      „Gerade noch jung genug“, sagte er, als er neben dem Alten war.

      Er wollte raus, nichts als raus aus der Ehehölle namens Kelling. Wahrscheinlich wäre ihm der Abgang mit begrenztem Schaden geglückt, wenn in diesem Augenblick nicht oben auf dem Treppenabsatz Gal erschienen wäre.

      Weiß und nackt und weich, wie ihre vier Jahrzehnte sie geschaffen hatten, sah die schöne Gallathea an diesem dunstigen Samstagmorgen aus wie ein verblichener Jugendstilakt, leicht unscharf und ziemlich blass.

      Auf ihren Ehemann wirkte sie wie ein rotes Tuch.

      „Verpiss dich, du miese Schlampe“, schrie er, grobe Stilrichtung sozialer Wohnungsbau.

      Mann hatte die Haustür erreicht, als scharf neben seinem Kopf etwas gegen die Wand schlug und der Putz ihm in die Augen spritzte. Sekunden später gab es, ohne dass er die Reihenfolge zu sagen gewusst hätte, einen Schrei und ein dumpfes Geräusch. Aus unerfindlichen Gründen meinte er, dass ihn das etwas anginge.

      Er wirbelte herum und sah, wie in Trance, alles ganz langsam: das massige, breitlippige, teakschwarze Negergesicht auf dem Boden unter ihm, Gal auf dem grünen Velours vor der Treppe, Kelling über ihr: eine Szene aus einem dieser Tagesschau-Videos, in denen behelmte Außerirdische vor Bauzäunen aus Nato-Draht sommerlich gekleidete Demonstrantinnen attackieren. Er lief dazu, seine Schritte alptraumschwer, und veränderte damit sein Leben ebenso nachhaltig, wie es seine Geburt getan hatte.

      Der alte Mann trat noch immer auf den weißen Körper ein. Harry Mann riss ihn von hinten an den Schultern zurück. Kelling war mindestens zwei Kopf größer als er, aber es war schon eine Ewigkeit her, dass die Autorität seiner Stimme einmal nicht ausreichte und er sich wehren musste. Er war zu schwach und zu zögerlich geworden.

      „Drecksau, geiles Schwein“, schrie er.

      Der soignierte Handelsmann war nicht wiederzuerkennen. Er atmete schwer, den Atem voller Cognac, und holte noch tiefer Luft. Endgültig gewann bei Kelling nun der Feldwebel die Oberhand über den Stabsoffizier. Er drehte sich unter Manns Griff und spuckte ihm ins Gesicht.

      Harry Mann lief der Sabber über die Lippen. Angeekelt wischte er ihn beiseite, riss Kelling herum und gab ihm mit der feuchten Hand eine Ohrfeige.

      Kelling bekam einen Wutanfall. Er trat nach seinem Gegner, und er traf ihn, bis der zurückschlug, irgendwo in die Mitte des schwächeren Angreifers.

      Und plötzlich, als hätte etwas in ihm ein Leben lang auf diesen Ausbruch gewartet, rammte Harry Mann wieder und wieder seine Faust in den alten Mann, er traf seine Nase, bis sie blutete, hakte nach den weit aufgerissenen Augen, und weil Kelling die Arme vor sein Gesicht legte und sich krümmte, um seinen Unterleib zu schützen, prügelte er auf die Ohren und seinen Hinterkopf. Nach langen Sekunden versuchte Kelling noch einmal, sich zu verteidigen. Da nahm Mann ihn beim Kragen und hämmerte seinen Kopf gegen die Wand, bis der weiße Putz einen Haufen rote Flecken zeigte.

      Erst als er seine schmerzenden Arme spürte, ließ Harry Mann sein Opfer los, und der Alte rutschte bewusstlos die Wand hinunter gen Boden.

      Gal hockte nackt auf der zweituntersten Treppenstufe und schaute zu ihnen herüber. Ihre Brüste lagen schwer, die kräftigen Spitzen erigiert, auf ihren gekreuzten Armen. Ihr Blick war nachdenklich und zugleich fasziniert.

      „Komm!“ sagte sie und deutete auf den freien Platz neben sich.

      Mann hob sein Jackett auf, das er irgendwann hatte fallen lassen, und hängte es ihr um die Schultern. Sie zog die Beine an und legte die Arme darum, so dass allein ihre schmalen weißen Waden frei blieben.

      Er setzte sich neben sie, eine Treppenstufe höher, und fuhr ihr über die nasse Stirn. Dann ließ er seine rechte Hand den Hals hinunter zu ihren Brüsten gleiten. Gal rückte näher und rieb sich langsam an ihm, bis sie die richtige Position gefunden hatte; ihren Kopf an seiner dritten Rippe.

      So saßen sie und sahen auf Kellings leblosen Körper herab, bis Gal zu sprechen anfing.

      6

      Sie bat ihn nicht, sie machte ihm keinen Vorschlag, und sie sagte nicht, was wäre wenn. Sie erzählte, wie man von einem alten, vertrauten Tagtraum erzählt, in den man sich an den einsamsten Stunden des Tages flüchtet, und ihre Lippen bewegten sich dabei so weich und absichtslos, wie es nur die Lippen von Wo-nach-auch-immer-Süchtigen zustandebringen.

      „Wenn Kelling aus seiner Ohnmacht erwachen wird“, begann sie mit gleichgültiger Stimme, als sei von einem flüchtigen Bekannten die Rede, „wird er eine Weile brauchen, um zu erkennen, wo er ist. Ganz allmählich erst wird sich alles zusammenfügen: Er liegt auf hartem Boden. Kacheln. Er ist an Händen und Füßen gefesselt und mit einer Serviette geknebelt. Der Raum ist winzig, fensterlos, dunkel. Keine Ahnung, wie spät es ist. Die Konturen von Regalen,

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