Positiv führen für Dummies. Christian Thiele
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Der deutsche Psychologieprofessor Nico Rose konnte zeigen, dass Beschäftigte, die sich von ihren Vorgesetzten schlecht geführt fühlten, drei Jahre später mit fast drei Mal so hoher Wahrscheinlichkeit ihren Arbeitgeber verlassen hatten.
Rugbyspieler, die von ihrem Trainer nach einem Spiel eine stärkenfokussierte Rückmeldung bekommen hatten, wiesen im nächsten Spiel eine messbar höhere Spielleistung und noch eine Woche später deutlich niedrigere Stresswerte im Blut auf als Spieler, die ein negatives Feedback erhalten hatten.
Der Wiener Wirtschaftspsychologe Markus Ebner, der das Positive Führen im deutschsprachigen Raum mit seinen Untersuchungen, Veröffentlichungen und Ausbildungen wesentlich geprägt hat, konnte durch diverse Studien zeigen: In Einzelhandelsfilialen einer Kette, die von positiv Führenden geleitet werden, sind die Umsätze höher und die Krankenstände sowie die Zahl der Beschwerdeanrufe bei der Kundenhotline nachweisbar niedriger.
Der Brexit, die Klimakrise, die amerikanisch-chinesischen Handelsstreitigkeiten in Zeiten von US-Präsident Donald Trump, die schnellen und massiven Veränderungen in der Automobil- und ihr nahen Branchen, die neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung und dann auch noch die Corona-Pandemie: Über Langeweile können sich viele Führungskräfte in diesen Zeiten wahrlich nicht beschweren – Krise, Umbruch, Ungewissheit und Tempo fordern viele Vorgesetzte ganz besonders. Je stürmischer die Zeiten, desto größer schließlich die Verantwortung für Führende – denn dass wir alle uns in Momenten von Veränderung besonders an Eltern, Lehrern, Politikern und anderen Autoritäten orientieren, ist ein normaler Mechanismus.
Der Engagement Index des Umfrageinstitutes Gallup ist eine der renommiertesten und umfangreichsten Untersuchungen zur Qualität von Arbeitsplätzen und von Führung. In immer neuen Auflagen seiner Studien belegt Gallup, wie viel Demotivation und Frust auch in deutschen Unternehmen vorherrscht. Gallup beziffert den Schaden, der für die Wirtschaft aus den enttäuschten Erwartungen der Mitarbeiter an ihre Führungskräfte entsteht und die daraus folgenden Mängel an Einsatzfreude und Produktivität, auf jährlich bis zu 105 Milliarden Euro.
Die gute Nachricht ist: Positives Führen kann helfen, diese Herausforderungen gut zu meistern. Und die Positive Führung lässt sich lernen, auf unterschiedlichen Ebenen:
in der Selbstführung, in Ihrem Umgang mit sich selbst,
in der Lenkung und Steuerung Ihrer eigenen Vorgesetzten und Kollegen,
in der Verantwortung für Ihre Mitarbeiter und
wenn Sie so weit oben in der Hierarchie stehen, beim Leiten von Führungskräften über verschiedene Ebenen hinweg.
Vielleicht stellen Sie aber auch nach Lektüre dieses Buches fest: »Soll lieber wer anders mein Team führen, mir ist das alles zu anstrengend und zu viel, wenn ich so recht darüber nachdenke!« Auch das kann ein sinnvolles Ergebnis der Auseinandersetzung mit sich selbst als Führungskraft sein. Und immer mehr Unternehmen ermöglichen auch eine Fachkarriere, die Experten nicht mehr in Führungsrollen zwingt.
Kapitel 2
Potenziale potenzieren: Was Positives Führen ist und bringt
IN DIESEM KAPITEL
Positives Führen – eine Begriffs(er)klärung
Positive Psychologie und andere Wurzeln
Effekte Positiver Führung
Damit wir uns nicht missverstehen…
In diesem Kapitel erfahren Sie, was genau mit Positivem Führen gemeint ist. Sie erfahren, woher es kommt, welche Wurzeln das Positive Führen in der Positiven Psychologie hat – und welche anderen Quellen darüber hinaus noch wichtig sind. Außerdem gilt es zu klären, welche Effekte es haben kann, wenn Sie nach den Prinzipien und mit den Methoden von Positiver Führung arbeiten. Und da sie als Führungsansatz noch relativ jung ist, sollten Sie Bescheid wissen über die häufigsten Missverständnisse oder gar Mythen, mit denen Sie als positiv Führender zu tun haben dürften – und wie Sie diesen begegnen können.
Was Positives Führen bedeutet
Kurz gesagt geht es beim Positiven Führen darum, als Führender zu mehr Potenzialentfaltung beizutragen, mehr Erfolg mit mehr Freude in der und an der Arbeit zu verbinden.
Positives Führen – oder auf Englisch: Positive Leadership – ist ein Ansatz der Führung, der Handreichungen bietet zur Selbstführung, zur Führung von Mitarbeitern und Teams sowie zur Leitung von Firmen, Einrichtungen und Organisationen. Die Ziele des Positiven Führens sind, durch den Fokus auf Stärken, Miteinander und Sinnerleben Erfolge zu mehren, die individuelle und gemeinschaftliche Leistungsfähigkeit zu steigern, Potenziale zu entfalten – und jene Faktoren, die das Wohlbefinden bei der Arbeit beeinträchtigen, möglichst zu mindern.Um einzelne Aspekte dieser Definition noch einmal genauer zu betrachten:
Als Führungsansatz hat das Positive Führen Tools und Techniken zu bieten, die jene Führungsmethoden, die Sie vielleicht eh schon verwenden, erweitern können. Das Fundament ist allerdings eine Grundhaltung der Wertschätzung, ein Blick für das, was funktioniert – statt dem häufig üblichen und leider wenig effektiven Fokus auf Fehler, Defizite, Mängel.
Die Effekte des Positiven Führens lassen sich nachweisen und messen, und zwar nach Methoden, die wissenschaftlichen Standards und Gütekriterien (Objektivität, Validität, Reliabilität) entsprechen. Ein Beispiel dafür ist der an der Universität Wien entwickelte PERMA-Lead-Profiler: Er misst Führungsverhalten nach dem Modell von Martin Seligman, das auf positive Emotionen, Stärkenförderung, besseres Miteinander, Sinnvermittlung sowie Ziel- und Erfolgsvermittlung setzt, um Potenziale von Einzelnen und Teams zu fördern (siehe auch Kapitel 4, 8 und 10). Das unterscheidet Positives Führen von vielen anderen Führungsmethoden.
Trotz ihrer mess- und nachweisbaren Wirksamkeit bietet Positive Führung ganz alltagstaugliche, anwendbare Handreichungen für Ihren Alltag als Führungskraft. Dabei kann es sich etwa um einen konstruktiveren Umgang mit Stärken Ihrer Mitarbeiter handeln, um einen wirksameren Umgang mit den eigenen Energieressourcen oder die effektivere Leitung von Meetings. Welche dieser Methoden wie zu Ihnen passen, zu Ihrem Arbeitsumfeld, zur Situation Ihrer Mitarbeiter, Teams, Organisation – das können im Zweifelsfalle am besten Sie entscheiden.
Andere wertschätzend, inspirierend und stärkenorientiert führen kann nur, wer sich mit konstruktiver Selbstführung auskennt, vor allem auch in Zeiten von Umbruch, Ungewissheit und Krisen.
Mitarbeiter, Teams und Organisationen zu führen heißt, zielgerichtet Einfluss zu nehmen auf das Handeln und Erleben von Menschen und Menschengruppen.