Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty
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Um zur Schule zu kommen, musste ich allein zwei Blocks bis zur Bushaltestelle in der Colusa Avenue gegenüber dem Sunset View Cemetery gehen. Dann ging es den ganzen Weg die Solano Avenue hinauf. Wenn wir oben in Albany angekommen waren, machte uns der Busfahrer darauf aufmerksam, dass wir nun umsteigen müssten. Von dort ging es dann mit der Bahnlinie F nach Berkeley und zu meiner Schule weiter. Ihr dürft nicht vergessen, dass ich damals gerade erst einmal die erste Klasse besuchte. Ich war also erst sechs Jahre alt!
Jeden Morgen versammelten sich die Schüler um 8 Uhr auf dem Schulhof, von wo wir dann – zu den Klängen John Philip Sousas – in unsere Klassenzimmer marschierten. Wenn ich den Bus um 7.05 Uhr verpasste, verspätete ich mich. Das passierte leider ziemlich oft. Den Schulhof umgab ein Maschendrahtzaun, und das Tor wurde pünktlich um acht Uhr geschlossen, weshalb ich über den Zaun klettern musste, um überhaupt am Unterricht teilnehmen zu können.
Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits über eine Stunde unterwegs. Wenn es dann ungefähr halb neun war, kam es des Öfteren zu einem Zwischenfall – immer und immer wieder. Okay? Ich hob den Arm und sagte: „Schwester, ich müsste mal zur Toilette.“ „Nicht jetzt“, sagte sie. Danach ignorierte sie mich. Noch einmal, das war kein einmaliger Vorfall. Es kam vielmehr so oft vor, dass man schon von einer regelmäßigen Begebenheit sprechen kann.
Ich saß also da in meiner aus einem blauen Hemd und grauer Cord-Hose bestehenden Schuluniform und stocherte mit dem Bleistift in den Spalten auf meinem Pult herum. Ach, wie ich mich wand. Ich fühlte mich wie Alan Shepard in seiner Raumkapsel: „Houston?“ „Ja, Alan?“ „Ich muss pinkeln, ist das in Ordnung?“ „Hmm, wir melden uns bei dir.“ Man reißt sich zusammen und dann kann man es nicht mehr halten. Schließlich gibt man alle Benimmregeln auf, und dann ist es auch schon zu spät. Und dann hofft man darauf, dass es keiner bemerkt. Aber Kenny Donaldson tat es und rief: „Schwester Damien! Unter John Fogertys Pult ist eine Pfütze!“ Und nicht einmal da nahm sie Notiz von mir. Ich musste bis zur Pause sitzen bleiben. Wenn dann die Pause begann, musste ich aufwischen. Außerdem musste ich den Rest des Tages meine feuchten Klamotten anbehalten. Das passierte wahrscheinlich zwei Dutzend Mal im Verlauf dieses ersten Schuljahres. Ein ums andere Mal musste ich nachsitzen, weil ich mir in die Hose gemacht hatte. Vermutlich dachten sie, ich würde irgendwann damit aufhören, wenn sie mich nur fest genug bestraften.
Eines Tages warf ich während der Mittagspause einen Blick auf unseren Trinkbrunnen. Er bestand aus einem weißen Porzellanbecken und drei Wasserhähnen. Ich musste sofort ans Nachsitzen denken, weil ich ja pieseln musste, wenn ich was getrunken hatte. Unter dem Becken sehe ich einen Knopf, mit dem man die Wasserzufuhr unterbrechen kann. Ich dachte mir: „Ich kann jedem hier einen Gefallen erweisen.“ So drehte ich das Wasser ab. Als man mir schließlich auf die Schliche kam, musste ich natürlich erst recht wieder nachsitzen, und meine Eltern wurden auch benachrichtigt. Am Ende des Schuljahres wurde der Rest der Klasse mit einem Ausflug in den Zirkus belohnt – doch nicht John Fogerty. Da ich so ein unkontrollierbarer, wilder kleiner Mann war, musste ich zu Hause bleiben. Ein schlimmer Junge war ich.
Das nächste Schuljahr verbrachte ich dann an der Harding Grammar, einer staatlichen Schule, die sich nur zwei Blocks von unserem Haus entfernt befand. Ich konnte nun zur Schule laufen! Und alles war ganz normal dort. Ich blühte förmlich auf. Es gefiel mir richtig gut dort.
Okay, wer von euch hat schon mal geträumt, er könne fliegen? Als Kind tat ich das häufig. Im Film E.T. – der Außerirdische gibt es eine Szene, in der ein paar Kinder E.T. auf ihren Fahrrädern hinterherfahren. Plötzlich heben sie alle ab und fliegen an der Silhouette des Mondes vorbei. Tatsächlich musste ich weinen, als ich diese Szene sah. Ich weiß aber immer noch nicht, warum dem so war. Jedenfalls träumte ich zwischen dem dritten und sechsten, siebten Schuljahr regelmäßig davon, fliegen zu können. Der Traum war fast immer gleich. Ich flog über meine kleine Stadt hinweg, ungefähr in Höhe der Baumwipfel und Telefonleitungen, von wo aus ich die Häuser und Leute beobachten konnte. Ich befand mich in Gesellschaft eines „Freundes“, der als eine Art Lotse zu fungieren schien. Soweit ich mich noch erinnern kann, sahen wir stets dasselbe Zeug. Wenn ich nun viele Jahre später daran zurückdenke, kann ich mir sogar vorstellen, dass es sich tatsächlich um eine Begegnung mit einem Außerirdischen gehandelt haben könnte!
Eines Tages – ich ging mittlerweile in die sechste Klasse ‒ fiel Miss Begovich ein Geruch in unserem Klassenzimmer auf. „Was riecht denn hier so?“, fragte sie. Die meisten Kinder hatten gar nicht davon Notiz genommen und konnten auch nicht sagen, was es war oder woher es kam. Plötzlich rief dieser Junge namens Fred: „John Fogerty riecht.“ Selbstverständlich sahen mich nun alle an, und ich wechselte in einen verwirrten Zustand über.
„Wie bitte?“
Aber Fred bestand darauf: „Ja, es ist John, er müffelt!“
Also sprach Miss Begovich mit sanfter Stimme: „John, vielleicht solltest du dich zur Toilette begeben und dich darum kümmern.“
Ich stand auf und begab mich aufs Klo, obwohl ich nicht wirklich wusste, was ich nun zu tun hätte. Plötzlich stand Kathy, ein Mädchen, das ich seit der Vorschule kannte, auf und sagte: „Ich bin die, die riecht.“ Nun war ich emotional erst recht durcheinander. Kathy bestand gegenüber der Lehrerin darauf, dass sie diejenige sei, die die Toiletten aufsuchen sollte. Und natürlich spielte sich diese Szene vor der ganzen Klasse ab. Mir wurde richtig schwindlig. Wow, dieses Mädchen opfert sich für mich. Ich wurde von Gefühlen überwältigt, die ich nur schwer beschreiben kann. Allerdings war mir klar, dass sie sehr tapfer sein musste. Ich fühlte mich ja so geehrt!
Schließlich entschied Miss Begovich, dass wir beide die Toiletten aufsuchen sollten, wodurch sich die Schuld ein wenig verteilen würde. Auf dem Klo pieselte ich und wusch mir die Hände. Anschließend ging ich zurück in die Klasse. Auf dem Gang begegnete ich Kathy und bedankte mich bei ihr. Eigentlich würde ich gerne noch einmal zu ihr hingehen, um noch besser zum Ausdruck zu bringen, wie viel mir ihr Handeln bedeutete.
Ein paar Tage später arbeiteten ein paar von uns Kindern nach der Schule an einem Projekt. Dieses eine Mädchen – sie hieß Yvonne – war bereits seit über einer Woche krank, weshalb Miss Begovich uns bat, ihr ein paar der Bücher und Hefte, die sich in ihrem Pult befanden, nach Hause zu bringen, damit sie ihre Hausaufgaben erledigen konnte. Neben ihren Schulutensilien fanden wir aber noch einen toten Vogel! Iiiiieeehhh! Wir ekelten uns mächtig. Miss Begovich meinte, dies sei vermutlich auch der Grund für den üblen Geruch gewesen, was sie am nächsten Tag auch der ganzen Klasse mitteilte.
So viele der guten Dinge waren in jenen Jahren mit Musik verknüpft. Ich war von Geburt an neugierig, und wenn ich Musik hörte, die mir gefiel, musste ich einfach alles darüber herausfinden. Mit sieben stand ich auf Blues und Doo-Wop. Rock ’n’ Roll gab es da ja noch gar nicht! Meine beiden älteren Brüder mochten Rhythm and Blues und hörten den Radiosender KWBR in Oakland. Dort liefen Blues und R&B – also hauptsächlich „schwarze“ Musik. Einer der Sponsoren von KWBR war ein Produkt namens Dixie Peach Pomade, mit dem sich damals wohl junge schwarze Typen ihre Haare glätteten. Ich fuhr einmal mit dem Bus bis nach Oakland, um mir das Zeug zu besorgen. Es eignete sich hervorragend zum Aufmotzen von Bürstenhaarschnitten sowie etwas längeren Haaren, wie sie Elvis hatte. Außerdem roch es gut!
Auf diesem Sender liefen Songs wie „Gee“ von den Crows oder „Ling, Ting, Tong“ von den Five Keys. Bei Letzterem versuchten wir all die verrückten chinesischen Anspielungen zu verstehen. Wir fanden alles sehr exotisch. Später standen wir dann auf „Death of an Angel“ von Daniel Woods and the Vel-Aires. Er singt darin über den Tod seiner Freundin, aber es war so cool! Kids lieben das Thema Tod! Viel später fand ich heraus, dass die katholische Kirche den Song sogar mit einem Bann belegte, denn nach ihrer Lehre können Engel gar nicht sterben. Das machte alles sogar noch cooler! Als 30 Jahre später Ozzy und all