Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink
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„Sie ließ sich noch ihre Haare machen, fuhr dann zum Knarrenladen und erzählte dem Besitzer, dass ich Geburtstag hätte, was nicht stimmte, und sie mir ein Schießeisen als Geschenk kaufen wollte, nämlich eine .38 Special. Dann fuhr sie ein paar Blocks weiter und schoss sich vor einem Stoppschild in die rechte Schläfe.“
Auf ihrem Totenschein wurde die offizielle Todesursache – „Schussverletzung“ – als „Unfall“ eingestuft. Roys ältester Bruder Carl, bei dem Schizophrenie diagnostiziert worden war, brachte sich ein Jahr später ebenfalls um. Er sprang an der Kreuzung 31st und Texas Avenue in Bryan, östlich von Rockdale, vor ein Auto. Carl war 22. Dieses Mal lautete die Todesursache „Suizid“. Er war seinen zahlreichen Schädelverletzungen, die vom Zusammenstoß mit dem Fahrzeug herrührten, erlegen.
Diese beiden brutalen Todesfälle innerhalb der engsten Familie im Verlauf von gerade einmal einem Jahr – und beide von den Betroffenen selbst herbeigeführt – führten dazu, dass sich Roy in einen unberechenbaren, unausgeglichenen und rebellischen Teenager verwandelte. Bald schon glitt er massiv in den Suff ab, was dazu führte, dass er regelmäßig verhaftet wurde. Er wurde praktisch Stammgast in der Polizeireport-Kolumne des Rockdale Reporter. Schließlich fing er an, sich Metamphetamin zu spritzen. Kurz nach Mitternacht des 12. Mai 1976 ließ er sich auf ein Wettrennen auf der Route 79 außerhalb von Milano ein, einer Stadt, die sich neun Meilen von Rockdale entfernt befand.
„Mein bester Freund James Lightsey und ich verließen gerade diese Spelunke namens Nat’s Place. Zwar hatte ich schon ein paar Bier intus, war aber nicht wirklich betrunken. Wir stiegen in meinen ’65er-Mustang, und als wir vom Parkplatz fuhren, um uns auf den Heimweg zu machen, sah ich, wie ein anderer Mustang sich direkt vor uns auf dem Highway einreihte. Wenn es sich um irgendeine andere Automarke gehandelt hätte, hätte ich mich vermutlich anders verhalten.
Auf diesem Highway gab es einen Abschnitt, der ein paar Meilen lang immer nur geradeaus verlief. Dort trugen wir es aus. Wir überholten uns gegenseitig ein paarmal, bis die Strecke dann bergauf ging und eine Rechtskurve folgte. Vor dieser Kurve lag ich noch vorn und zog zur Seite, um den anderen Fahrer vorbeizulassen. Schließlich nahm ich an, dass ich gewonnen hatte, da wir nun in kurvigeres Gelände fuhren und ich zuletzt vorn gelegen hatte. Ich reduzierte die Geschwindigkeit, doch der andere Fahrer sah das wohl anders. Er schoss an mir vorbei, hob plötzlich ab und überschlug sich mehrmals auf der bergauf führenden Straße. Ich wendete und hielt am Bahndamm, der neben der Fahrbahn verlief. Der Wagen lag auf dem Dach und die Scheinwerfer leuchteten in die Luft. Die Reifen drehten sich immer noch.“
Eine Streife der Texas Highway Patrol, der die beiden Raser verfolgt hatte, traf unmittelbar nach dem Crash am Unfallort ein, der sich circa zweieinhalb Meilen östlich von Rockdale befand.
„Der Streifenwagen und ich hielten gleichzeitig beim Autowrack. James und ich stiegen aus und postierten uns beim Wagen. Der Polizeibeamte lief auf mich zu und stieß mir seinen Zeigefinger gegen den Brustkorb. Er sagte, dass es die beste Entscheidung gewesen wäre, nicht davonzufahren. Dieser Gedanke war mir gar nicht durch den Kopf gegangen. Er wies uns an, die Umgebung abzusuchen, da der auf dem Dach liegende Wagen leer war.“
Roy entdeckte schließlich den Fahrer sowie dessen Beifahrer, die aus dem Wagen geschleudert worden waren. Der Fahrer lag auf der Böschung nahe den Schienen, sein Beifahrer unweit davon entfernt. Als Roy beim Fahrer eintraf, erkannte er ihn sofort. Es handelte sich um einen 18-jährigen Freund von ihm aus Rockdale namens Lynn Lankford.
„Als ich fünfzehn war, hatte ich mit Lynn meine allererste Zigarette geraucht. Ich kannte ihn bereits mein ganzes Leben. Er lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Bahndamm. Er sah ordentlich ramponiert aus und ich konnte ein gurgelndes Geräusch hören, das aus seinem Brustkorb kam. Ich sagte zu dem Streifenpolizisten, dass wir ihn drehen müssten, damit seine Lungen entlastet würden. Er wies mich nachdrücklich an, ihn nicht anzufassen.“
Lankford wurde bei seinem Eintreffen im Richards Memorial Hospital von Rockdale um 0.45 Uhr für tot erklärt. Die offizielle Todesursache lautete „multiple Verletzungen aufgrund eines Autounfalls“. Roys Vater unterzeichnete den Totenschein. Roys und James’ Alkoholpegel bewegte sich innerhalb des legalen Rahmens. Der Unfall wurde ihnen zwar nicht zur Last gelegt, doch aufgrund des Todesfalls musste Roy die Nacht im Bezirksknast verbringen. Er kam am nächsten Morgen gegen Kaution frei und es wurde keine Anklage gegen ihn erhoben. Lankfords Beifahrer überlebte schwerverletzt. Bis heute verfolgt Roy das Gesicht seines sterbenden Freundes.
„Ich hatte stets das Gefühl, dass sich dieser tragische Vorfall nicht ereignet hätte, wenn ich nicht dieses Rennen begonnen hätte. In dieser Hinsicht bin ich verantwortlich und muss mit diesem Wissen auch leben.“
Verschwende keinen Gedanken an morgen – diese Philosophie konnte auch dazu führen, dass jemand am Straßenrand am eigenen Blut erstickte, wie es dem armen Lynn Lankford widerfuhr. Bon machte sich durchaus seine Gedanken über die Zukunft, das Morgen, so wie jeder andere auch. Er grübelte über seine Rolle bei AC/DC, seine finanzielle Situation und seine Beziehungen nach. Auch darüber, wie ihn andere Leute wahrnahmen. Wenige Monate, bevor er Roy traf, nach einer Trennungsphase, die fast gleich lang war wie ihre Ehe, ließ sich Bon endgültig von seiner Frau Irene scheiden. Das sind Sorgen und Unbilden, mit denen wir uns alle herumschlagen müssen. Bon war in dieser Hinsicht nicht einzigartig. Es stellt sich die Frage, warum er die Vorstellung, nüchtern zu sein, so unerträglich fand, dass er sich regelmäßig so abschießen musste, um die Nacht durchzustehen. Sein neuer Freund Roy hatte definitiv seine Gründe, aber was waren Bons?
Silver Smith sagt, dass er ihr nie erklärt hätte, warum er so heftig trank.
„Es fing schon sehr früh an. Manchmal trank er aber auch eine Zeit lang gar nichts. Er wusste, dass es ihn umbrachte. Sogar auf Tour in den späten Siebzigern gab es ziemlich lange Phasen, in denen Bon trocken blieb. Ein paar Monate hier und da. Aber als ich ihn 1976 kennenlernte, trank er täglich eine Flasche Scotch.“
Er hatte eine masochistische Ader, die sich nicht rational erklären ließ. Die Trinkerei nahm stets eine zentrale Rolle bei seinen Problemen ein. Silver beschrieb dies als „seine destruktive Seite. Er tat dann absolut unerklärliche Dinge und verursachte mitunter große und manchmal sogar nachhaltige Schwierigkeiten für die Leute, mit denen er unterwegs war. Ich fragte ihn dann, warum zum Teufel er etwas getan hätte: ‚Wie kommt man bloß auf solche Ideen?‘ Darauf hatte er keine Antwort. Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob er wusste, was er tat, oder ob es ihm selbst ein Rätsel war.“
* * *
Als AC/DC zum zweiten Konzert ihrer ersten US-Tour in San Antonio eintrafen, „waren die Leute bereits am Durchdrehen“, lacht Lou Roney. „Ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll.“ Über 6.000 Leute versammelten sich im Municipal Auditorium und auf beide Bands warteten hinter der Bühne reichlich Groupies.
Earl Johnson zeigte sich beeindruckt von Moxys Vorband: „Ich saß da und verfolgte ihr ganzes Set. Ich weiß noch, wie ich sagte, dass diese Jungs verdammt groß werden würden. Sie waren wie eine Maschine. Alle klinkten sich einfach in den Groove zwischen Band und Publikum ein.“ Wie er sagt, vereinten sie das Beste der Stones mit dem Besten von Led Zeppelin. „Einerseits ist da dieser sehr stete Stones-mäßige Beat und andererseits diese an Led Zep erinnernden Riffs.“
Erst in Dallas ergab sich die Möglichkeit, sich ein wenig näher mit Bon vertraut zu machen. Moxy und AC/DC stiegen dort zum ersten Mal im selben Hotel ab. Nach der Show war Bon allerdings von Alkohol und Pillen bereits ziemlich angeschlagen.
„Das Zimmer, in dem ich schlief, wurde in dieser Nacht zum Partyraum auserkoren. Ich war kein sonderlich starker Trinker. Damals ließ es aber jeder mal ein bisschen krachen.