Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink
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Der Headliner, für den AC/DC den Abend eröffnen sollten, war die kanadische Formation Moxy, eine von Joe Anthony geförderte Band, die sich als Vorgruppe von Nazareth, Styx, Santana, Ritchie Blackmore und Leslie West einen Namen gemacht hatte. In Texas waren sie eine große Nummer, immerhin wurden ihre Songs 1976 auf KMAC/KISS vom Publikum am häufigsten gewünscht. „Als sie in Texas auftraten“, so das amerikanische Musikmagazin Circus, „brachen sie Publikumsrekorde, die bis dahin von Schwergewichten wie Rush, Thin Lizzy und Foreigner gehalten wurden.“
Das Publikum war also gekommen, um Moxy zu sehen – und nicht etwa AC/DC. Anthony war aus dem 80 Meilen entfernten San Antonio angereist, während ein bekiffter 18 Jahre alter Moxy-Fan namens Wade Smith mit seinen Freunden Alan Juergens, Bill Martin und Bubba Greensage aus Rockdale nach Austin gekommen war. Nach Hause fahren sollte sie Roy Allen, dessen älterer Bruder Waylon Wades bester Freund war. Doch im Armadillo World Headquarters angekommen fehlte jede Spur von Roy. Stattdessen kam Wade im Biergarten mit seinem Idol Buzz Shearman, dem Sänger von Moxy, ins Gespräch, der dort gerade darauf wartete, dass die australische Vorgruppe zu spielen begann.
„Da stand ich nun, ganz hin und weg, und starrte den Leadsänger von Moxy an“, erzählt Wade. „Dann kam aus meinem Mund so ziemlich das Schlimmste, was man zum Frontmann einer Hardrock-Band sagen kann. Ich fragte ihn, wer denn heute seine Begleitband wäre.“
Die Frage löste eisiges Schweigen aus und Wade erwartete, dass Buzz sich aus dem Staub machen würde.
„Sie heißen AC/DC. Heute spielen wir unseren ersten Gig mit ihnen auf dieser Tour. Ich weiß nicht viel über sie.“
„Was spielen sie so?“
„Das weiß ich gar nicht. Ich habe gehört, dass sie ganz gut sein sollen, aber ein bisschen punkig sind.“
„Oh nein, nicht Punk.“
Earl Johnson, Moxys Gitarrist, hatte AC/DC bei ihrem Soundcheck beobachtet.
„Ich schwöre, dass es dort an diesem Abend an die vierzig Grad heiß war. Ein regelrechter Backofen. Wir kippten eimerweise Wasser über die Leute ganz vorne vor der Bühne. Es war so heiß, dass einem das Salz vom Schweiß in den Augen brannte. Es war irre heiß.“
Wade, Alan, Bill und Bubba stützten sich inzwischen mit ihren Ellbogen auf der rechten Seite der Bühne ab, von wo aus sie die bestmögliche Aussicht auf das Geschehen hatten.
„Ich werde nie vergessen, wie AC/DC angesagt wurden und auf die Bühne kamen“, sagt Wade. „Alle Blicke richteten sich auf diesen sehr kurz geratenen, schmächtigen Gitarristen, der nicht nur seine Gitarre um den Hals hängen hatte, sondern auch eine Schultasche am Rücken trug. Er steckte in einer blauen Schuluniform aus Velours und trug weiße Socken, ein lächerlich wirkendes Käppi und eine schmale, gestreifte Krawatte.9 So etwas hatten wir noch nicht gesehen. Leadgitarristen wirkten doch stets so machohaft. Immer wieder lief ein Bühnenhelfer zu Angus, um ihm seine kurzen Hosen raufzuziehen. Bei jedem Solo rutschten sie nämlich runter. Aber das, was wir da hörten, dieser neue Sound, er funktionierte. Es klang astrein. Ich drehte mich zu Alan und schrie: ‚Ich steh auf Punkrock!‘“
Aber am meisten war Wade von Bon beeindruckt.
„Er strahlte Selbstsicherheit aus und hatte das Publikum unter Kontrolle. Seine Jeans waren so eng und er trug dazu ein anliegendes, marineblaues T-Shirt. Es sah so aus, als hätte man ihn in seine Klamotten hineingegossen. Je mehr Songs sie spielten, desto lauter wurde das Publikum – und desto mehr fuhr ich auf diesen Sound ab. Ich fragte mich, wie es ihnen gelang, die Gitarren so gut klingen zu lassen. Ich wollte, dass sie gar nicht mehr aufhören. Obwohl ich eigentlich die ganze Strecke wegen Moxy zurückgelegt hatte, wollte ich nun, dass die noch nicht auf die Bühne kämen, weil ich einfach nicht genug von dieser neuen Band bekommen konnte. Dem Publikum ging es nicht anders.“
Auch Malcolm konnte sich an diese positive Energie erinnern.
„Wir spielten unseren ersten Gig vor einem Haufen Cowboys, aber die fuhren total darauf ab. Sie sahen Angus in seiner Aufmachung und wie er nun einmal spielt – ich glaube, das war für uns von Vorteil.“
Schließlich erspähte Wade den verschollenen Roy, der es sich am hinteren Ende der Bühne auf einem großen Eimer gemütlich gemacht hatte.
„Er war meine Mitfahrgelegenheit und ich hatte ihn den ganzen Abend lang noch nicht gesehen – und jetzt saß er backstage? Ich versuchte, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, bis er mich schließlich bemerkte. Wir deuteten ihm, dass wir auch hinter die Bühne kommen wollten. Er zeigte uns nur den Stinkefinger und seine Lippen schienen zu sagen: ‚Scheiße, auf keinen Fall, ihr kleinen Bastarde.‘“
Als AC/DC ihr Konzert beendet hatten, begab sich Roy nach vorne, um sich mit seinen Leuten zu unterhalten. Wade verschwendete keine Sekunde.
„Wie kommen wir in den Backstage-Bereich?“
„Ich weiß nicht, ob ich das bringen kann. Ihr müsst euch wohl nach einer anderen Mitfahrgelegenheit umsehen.“
„Aber du bist unser Fahrer. Warum kannst du uns nicht mitnehmen?“
„Ich kann nicht. Bon und ich gehen zusammen auf eine Aftershow-Party im Hotel.“
Roy machte sich bereits wieder auf in Richtung Backstage-Bereich, als Wade ihm noch etwas hinterherrief.
„Hey, wer ist denn bitte Bon?“
* * *
Die Stimmung hinter der Bühne war triumphal. Sogar Joe Anthony hing mit der Band ab, rauchte einen Joint und kippte Bierchen.
„AC/DC waren erstklassig und das Publikum drehte durch“, erzählt Roy. „Nur sehr wenige Acts, die ich im Armadillo gesehen habe, erzeugten eine solche Energie. Springsteen fällt mir da ein. Oder auch Lynyrd Skynyrd. Da lag dieselbe Elektrizität in der Luft. Jeder fragte sich, wer zum Teufel diese Typen waren. Ich weiß noch, wie ich und alle anderen uns dachten, wie beschissen es wäre, nach AC/DC auf die Bühne zu müssen. Die Band spielte sich in einen Adrenalinrausch.“
Im Biergarten, der sich neben dem Haupteingang befand, wurde Bon umschwärmt.
„Es war so cool, all diese Leute zu sehen, wie sie auf Bon zugingen, um sich ein Autogramm zu holen. Während er unterschrieb, blickten mich manche von ihnen an, als würden sie sich selbst fragen, wer denn dieser Typ sei: ‚Wenn er bei ihm steht, muss er doch irgendwer sein, oder?‘ Und so schrieb ich auch ein paar Autogramme.“
Irgendwann brachen Bon und Roy vom Armadillo aus auf und spazierten zu Roys Wagen, einem silbernen Oldsmobile Toronado, Baujahr 1968.
„Bon bestand darauf, selbst zu fahren. Das war okay für mich, weil ich schon zweimal angeheitert erwischt worden war. Wir waren zwar nicht besoffen, aber keiner von uns beiden hätte bei einer Kontrolle eine sonderlich gute Figur gemacht.“
Bon drehte sich zu Roy, als sie den Parkplatz verließen.
„Eines musst du uns schon lassen, Roy“, sagte er mit einem breiten Grinsen, „wir wissen, wie man richtig rockt.“
Bon lenkte den Wagen in Richtung des Holiday Inn, wo die Band