Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Bon - Der letzte Highway - Jesse Fink страница 9
Ihren Auftritt verdankten sie Lou Roney und dem inzwischen verstorbenen Joe „The Godfather“ Anthony, zwei Discjockeys aus San Antonio, die Manilow ebenso hassten, wie AC/DC es taten. Ihr Sender, KMAC/KISS, war eine der Ersten auf Album-Rock spezialisierten Radiostationen in den USA. Dort spielte man alles von Ted Nugent und Rush über Bob Dylan und Southern Rock bis hin zu Taj Mahal und B. B. King. Anthony und Roney flüsterten den lokalen Konzertveranstaltern, welche Rock-Acts sie nach San Antonio holen sollten, bis sie schließlich irgendwann selbst ins Geschäft einstiegen. Einer der Acts, die sie dem Konzertveranstalter Jack Orbin ans Herz legten, waren AC/DC.
Die australische Band benötigte Hilfe. Ihr erstes in Nordamerika aufgelegtes Album, High Voltage, eine Zusammenstellung von Tracks von ihren ersten beiden heimischen Veröffentlichungen, hatte sich als Flop entpuppt und war nur von regionalen Sendern in Florida und Kalifornien mit vernünftigem Airplay bedacht worden. In der Presse setzte es für AC/DC einen Verriss nach dem anderen – vom Rolling Stone in New York bis hin zum Lawrence Journal-World in Kansas, das High Voltage zum „schlechtesten Album des Jahres“ kürte: „Diese hässlichen Aussie-Punks lassen Johnny Rotten wie Perry Como wirken.“7 In Texas kümmerte es die Leute hingegen herzlich wenig, was der Rest des Landes von AC/DC hielt.
„Anfangs widmeten uns die landesweit agierenden amerikanischen Plattenfirmen nur wenig Aufmerksamkeit“, erinnert sich Roney. „Wir waren ja nur ein heruntergekommener, alter Mistsender, weshalb sie uns nie mit Musik versorgten. Und so fingen wir an, Import-Sachen zu spielen. Joe oder ich kauften importierte Platten aus aller Welt. So stießen wir auch auf High Voltage. Wir starrten auf das Cover und hörten uns das Album an. Ich sagte dann zu Joe, dass ich diese Musik für einen echten Killer hielt. Selbstverständlich hatte damals noch niemand von AC/DC gehört. Joe wollte sie nicht zu oft spielen. Ich aber schon. Und plötzlich bekamen wir allerhand Anrufe.“
KMAC/KISS setzten laut Malcolm Young die Mundpropaganda in Gang: „Als wir 1977 in den USA landeten, hieß es, dass das Timing für unsere Art von Musik nicht passen würde. Das war die Ära von Soul, Disco, John Travolta – dieser Kram eben. Es gab, glaube ich, fünf Radiosender im ganzen Land, die Rock spielten, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Als wir [im Armadillo] eintrafen, um unseren Soundcheck zu machen, waren ein paar Typen da, die das Gebäude sauber fegten. Sie sangen alle ‚TNT‘ und wir fragten uns, woher diese Vögel den Song bloß kannten.“ Nun, sie kannten ihn, weil Roney mit Begeisterung und Anthony etwas widerwilliger im Radio AC/DC-Platten spielten.
* * *
1977 war Roy Leonard Allen Jr. ein dicklicher, langhaariger, kiffender 21-jähriger Student am Austin Community College. Er war in Rockdale, Milam County, im Nordosten von Austin aufgewachsen, wo sein Vater, der Weltkriegsveteran Roy Leonard Allen Sr., als Anwalt und Friedensrichter tätig war. Sein Urgroßvater Robert hatte in der texanischen Kavallerie auf Seiten der Südstaaten im Bürgerkrieg gedient. Er entstammte somit der angeseheneren Mittelklasse – doch verhielt er sich nicht dementsprechend und steckte permanent in Schwierigkeiten.
„Um diese Geschichte richtig erzählen zu können, muss ich zuerst etwas von meiner Geschichte erzählen“, erzählt er mir mit seinem markanten zentraltexanischen Akzent. Roy hat ein freundliches, zerfurchtes Gesicht – nicht unähnlich jenem von Tommy Lee Jones – und eine höfliche Art, die über seine wilde Vergangenheit hinwegtäuscht. Heute lebt er in Leander, einem Vorort nördlich von Austin, wo er als Immobilienmakler tätig ist. „Vieles habe ich schon wieder vergessen. Aber an Folgendes kann ich mich sehr wohl noch erinnern.“
Es war der 26. Juli 1977 und Roy hatte Sommerferien. Er hing in einer Bar namens The Back Room am East Riverside Drive ab. Die Bar befand sich nur zwei Meilen vom Armadillo World Headquarters entfernt – ganz in der Nähe des Colorado River, der mitten durch Austin fließt. Das Lokal, das 1973 seine Pforten öffnete und 2006 geschlossen wurde, war die Rock-Bar schlechthin in der Stadt.
„Keine Fenster. Pool-Tische, Tischfußball, Bartresen, ’ne gut bestückte Jukebox. Drinnen schien es stets finster zu sein und die Klimaanlage funktionierte tadellos. Ich war allein. Außer mir befanden sich nur noch ein paar andere Leute in der Bar, als mitten am Nachmittag diese drei Typen aufkreuzten. So wie die sprachen, war mir sofort klar, dass die nicht aus Texas und Umgebung stammen konnten. Sie alberten herum, lachten und schienen ganz coole Jungs zu sein. Sie fielen jedenfalls auf. Als sie ihre Drinks orderten, johlte ich dem Barkeeper zu, dass er ihre Getränke auf meinen Deckel schreiben sollte. Immerhin verfügte ich wegen der Schule über die Kreditkarte meines Dads. Sie bedankten sich und sagten, dass sie gerade in der Stadt angekommen wären. Sie erzählten mir, dass sie aus Australien kämen, in einer Rock-’n’-Roll-Band spielten und am nächsten Abend als Vorband im Armadillo World Headquarters auftreten würden. Das waren Malcolm und Angus Young plus einem weiteren Typen, vielleicht ihrem Drummer Phil. Eines führte zum anderen und so landeten wir schließlich in ihrem Hotelzimmer. Ich hatte ein bisschen Gras dabei und wir benebelten uns damit.“
Angus trank Alkohol und rauchte Pot?
„Ja, ich bin mir sicher, dass sie alle ein Bier oder einen Drink bestellten. Ich würde mich erinnern, wenn einer von ihnen das nicht getan hätte. Trinken war völlig normal, wir alle benebelten uns, keine große Sache. Angus kiffte mehr, als er trank, wenn ich mich richtig erinnere. Er rauchte gerne vor den Shows. Als Nächstes erinnere mich, wie wir im Hotelzimmer herumhingen. Es war Bons Zimmer. Dort traf ich ihn auch zum ersten Mal. Er sah für die damalige Zeit ganz normal aus – abgesehen von seinen vielen Tätowierungen. Ich fragte sie, wie sie auf den Namen AC/DC gekommen waren. Ich erklärte Malcolm, dass wir den Begriff bei uns als Bezeichnung für Leute gebrauchten, die an beiden Ufern zu Hause waren, und mir nicht sicher wäre, wie die Leute darauf reagieren würden. Sie taten dies mit einem Lachen ab. Außerdem mussten sie mir erklären, was mit ‚The Jack‘ gemeint war. Ich blieb ziemlich lange dort und versuchte, sie zu überreden, mich vor der Show am nächsten Abend zum Pedernales River zu begleiten. Der lag etwas außerhalb der Stadt. Ich wollte nur ein bisschen mit Texas angeben und ein wenig länger mit diesen Jungs abhängen. Sie waren wirklich ganz anders. Alle verstanden sich gut und unterhielten sich großartig. Man konnte eine echte Freundschaft zwischen ihnen spüren. Leider konnten sie nicht mitkommen, weil sie für irgendetwas eingeteilt waren oder keine Lust hatten. Bon aber sagte zu den anderen, dass er mich gerne begleiten würde. Ich versprach, ihn rechtzeitig und wann immer sie wollten wieder abzuliefern.“
Pedernales River lag knapp eineinhalb Stunden außerhalb der Stadt.
„Ich holte Bon am nächsten Vormittag ab. Er ließ mich in sein Zimmer, nachdem ich bei ihm geklopft hatte. Zuerst trug er mir auf, uns ein paar Gin Tonics aufs Zimmer zu bestellen. Also schnappte ich mir den Hörer und orderte vier doppelte Gin Tonics. Ich sah ihn mir an, weil ich nicht wusste, ob alles okay mit ihm war. Er grinste von einem Ohr zum anderen. Ich glaube, in diesem Moment wussten wir beide, dass wir einen neuen Freund gefunden hatten. Bald schon begriff ich, dass Bon ebenso gerne trank wie ich. Ich kannte nicht viele Leute, die so drauf waren. Das war so eine komische Verbindung, die wir zueinander hatten – wahrscheinlich einer der Hauptgründe dafür, dass wir uns anfreundeten. Wir fuhren dann los und trafen uns mit ein paar Leuten. Es war für uns alle ein lustiger Tag. Wir tranken Bier und sprangen von Felsen ins Wasser. Als wir im Armadillo eintrafen, hatte Bon gerade noch fünfzehn Minuten Zeit – aber verspätet hatte er sich auch nicht.“8
* * *
Das Armadillo World Headquarters, ein Refugium für texanische Hippies mit einer Vorliebe für Rock, hatte seine Blütezeit in den frühen Siebzigern erlebt, als Willie Nelson, Waylon Jennings, Freddie King, Van Morrison, Grateful Dead, Roy Orbison und das Sir Douglas Quintet mit Augie Meyers und Doug Sahm hier auftraten – um nur ein paar der vielen Hundert Acts zu nennen. Doch inzwischen durchschritt die Location eine Talsohle. Die finanziellen Sorgen waren beachtlich. Tatsächlich