Ein Porträt meines Vaters. George W Bush

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Ein Porträt meines Vaters - George W Bush

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sah er, wie Doug West, einer seiner Kameraden, mit den Flügeln seiner Avenger auf ein Objekt auf der Wasseroberfläche deutete. Es handelte sich um ein gelbes, mit Luft gefülltes Rettungsfloß. Einer der Piloten hatte es abgeworfen, nachdem er mitbekommen hatte, dass eines der anderen Flugzeuge abgestürzt war. Mein Dad kletterte auf das Floß und fing an, seine Hände als Paddel zu benützen. Am Himmel über ihm feuerten die amerikanischen Flugzeuge eine Salve nach der anderen ab, um einen Verband kleiner Boote, mit denen die Japaner den abgeschossenen Piloten gefangen nehmen wollten, von ihrem Plan abzubringen.

      Im Verlauf der nächsten drei Stunden paddelte er unter der brütenden Sommersonne gegen die Strömung an und betete darum, gerettet zu werden. Irgendwie gelang es ihm durchzuhalten. Ich werde nie genau wissen, was ihm dabei durch den Kopf ging. Womöglich musste er an die Lektionen, die ihm seine Eltern erteilt hatten, zurückdenken: sich so viel Mühe wie möglich zu geben, niemals aufzugeben und stets daran zu glauben, dass Gott einen Weg finden würde, ihn zu retten.

      Erschöpft vom Paddeln erspähte er schließlich einen schwarzen Punkt auf dem Wasser. Zuerst glaubte er, sich ihn nur einzubilden, aber letztlich handelte es sich tatsächlich um ein Periskop. Als Nächstes fürchtete er, dass es sich um ein japanisches U-Boot handeln könnte. Als es sich ihm aber näherte und auftauchte, konnte er das Logo der US-Navy erkennen. Die USS Finback fischte meinen Vater dann ein paar Minuten vor Mittag aus dem Wasser. Zwei Matrosen griffen ihn bei den Armen und zogen ihn vom Rettungsfloß auf ihr Schiff empor. »Willkommen an Bord, Sir«, sagte einer der beiden Männer zu ihm. »Es ist eine Freude, an Bord kommen zu dürfen«, erwiderte er, was selbstverständlich eine massive Untertreibung war.

      Es ist eine bemerkenswerte historische Fußnote, dass ein gewisser Fähnrich Bill Edwards die Ankunft meines Vater auf der Finback mit seiner Handkamera von Kodak einfing. Jahrzehnte später sollte ein landesweites Publikum die Aufnahmen, die diesen Morgen im Pazifik wiedergeben, zu Gesicht bekommen: Amerikanische Soldaten retten darauf einem zwanzigjährigen Piloten, der später Präsident der Vereinigten Staaten sowie der Vater eines weiteren werden sollte, das Leben.

      IN DEN TAGEN nach dem Abschuss dachte mein Vater ununterbrochen an seine Crewmitglieder Delaney und White. Keiner von beiden war gefunden worden. An Bord der Finback wurde er von Albträumen, in denen er alles noch einmal durchleben musste, heimgesucht. Nachdem er aufgewacht war, fragte er sich stets, ob er nicht mehr für seine Männer hätte tun können. Nur einen Tag nach seiner Rettung schrieb er einen Brief an seine Eltern, in dem er erklärte, dass er sich » so schrecklich verantwortlich für ihr Schicksal« fühle. Schlussendlich sollte er später erfahren, dass Augenzeugen beobachteten, wie eines der beiden Besatzungsmitglieder aus dem Flieger ausgestiegen war, sich aber sein Fallschirm nicht öffnete. Der andere war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch an Bord der Maschine ums Leben gekommen.

      Mein Vater schrieb auch an die Familien von Delaney und White. Er übermittelte sein Beileid und brachte zum Ausdruck, dass er gerne in der Lage gewesen wäre, mehr für sie zu tun. Delaneys Schwester Mary Jane antwortete ihm. »Sie sagen in Ihrem Brief, dass Sie mir gerne helfen wollen«, schrieb sie. »Nun, da gibt es eine Möglichkeit, und zwar indem Sie aufhören, sich auf irgendeine Weise für den Absturz und das Schicksal Ihrer Männer die Schuld zu geben. Vielleicht würde ich Ihnen ja die Schuld dafür geben, wenn Jack Sie nicht stets als besten Piloten des Geschwaders bezeichnet hätte.«

      Doch trotz ihrer Worte fühlte sich Dad weiterhin irgendwie schuldig am Tod seiner Besatzungsmitglieder. Er blieb jahrzehntelang mit ihren Familien in Verbindung. Als er schließlich über 40 Jahre später zum Präsidenten gewählt wurde, lud er die Schwestern Delaneys und Whites zu einem Privatbesuch ins Weiße Haus ein.

      Während Dads Interview mit Jenna an seinem 90. Geburtstag, also beinahe 70 Jahre nach dem Abschuss, erkundigte diese sich, ob er immer noch an die Mitglieder seiner Crew denke.

      »Ich denke die ganze Zeit an sie«, antwortete er ihr.

      MEIN VATER VERBRACHTE ungefähr einen Monat auf der Finback, bevor er sich schließlich wieder seinem Geschwader anschloss. Obwohl er in dieser Zeit nur wenige offizielle Aufgaben zu erfüllen hatte, stürzte er sich kopfüber ins Alltagsleben an Bord des Unterseeboots. Er freundete sich mit der Crew an und brachte dabei so viel wie möglich über den Betrieb des U-Boots in Erfahrung. Unter anderem meldete er sich freiwillig als Zensor der Post, die nach Hause geschickt wurde, um zu vermeiden, dass geheime Informationen preisgegeben wurden. Er las dabei Briefe von Farmerjungs, die sich nach der letzten Ernte erkundigten, sowie einsamen Seemännern, die ihrem Schatz zu Hause ewige Liebe schworen. Die Streitkräfte versorgten ihn jedenfalls mit einer Art von Bildung, die man weder in Andover noch in Yale erwerben konnte.

      Zusätzlich fungierte er als freiwillige Wache an Deck der Finback, auch in der Nacht. Jahre später erinnerte er sich noch an diese stillen Momente unter dem schwarzen Nachthimmel mitten im Pazifik als Augenblicke voller Klarheit. Er dachte viel daran, wie dankbar er für seine Familie war. Auch dankte er Gott dafür, dass er ihm geholfen hatte, als er es am nötigsten gehabt hatte. Und er träumte von Barbara, dem Mädchen, das er liebte und heiraten wollte.

      Nach seiner Zeit auf der Finback wurde meinem Vater Heimaturlaub angeboten. Obwohl ich mir sicher bin, dass er liebend gerne sowohl Barbara als auch seine Familie gesehen hätte, fühlte er sich jedoch verpflichtet, zu seinem Geschwader zurückzukehren. So ging er Anfang November erneut an Bord der San Jac. Im Dezember erhielten die Männer schließlich einen ganzen Monat Landurlaub.

      Lieutenant Bush kam am Weihnachtsabend 1944 am Bahnhof von Rye, New York, an. Als er auf den Bahnsteig trat, sah er die Frau, an die er in den Monaten auf See so oft gedacht hatte. Mutter und Dad hatten eigentlich geplant, erst nach dem Krieg zu heiraten, doch sie hatten dann in den Monaten der Trennung entschieden, es zu tun, sobald er heimkäme. Da alles so kurzfristig über die Bühne ging, mussten sie das Datum der Eheschließung sogar von Hand auf den Einladungen eintragen: 6. Januar 1945.

      Als er an seinem 90. Geburtstag gefragt wurde, was der glücklichste Moment seines Lebens gewesen sei, sagte Dad, dass es sich um jenen handele, an dem Mutter und er geheiratet hätten. Die Hochzeit meiner Eltern war typisch für die Kriegszeiten: Mein Dad trug seine blaue Navy-Uniform und Mutter ein weißes Kleid sowie einen Schleier, den ihr Dorothy Walker Bush geliehen hatte. Ein paar der Navy-Kumpels meines Vaters sowie sein Bruder Jonathan machten sich als Platzanweiser nützlich. Sein älterer Bruder Pres, der gerade erst in der Vorwoche geheiratet hatte, war sein Trauzeuge. Mein Vater sagte zu, mit meiner Mutter den ersten Tanz zu tanzen, warnte sie aber vor, dass es das letzte Mal sei, das er dies in der Öffentlichkeit tue. Offenbar hatte er noch keinen Schimmer davon, dass er sehr viel später auf insgesamt zwölf Bällen anlässlich der Vereidigung des Präsidenten tanzen würde.

      NACH EINER KURZEN Hochzeitsreise nach Sea Island in Georgia kehrte mein Vater zum Kampfeinsatz zurück. Seine Aufgabe bestand darin, die letzte Phase des Krieges, die Invasion des japanischen Festlandes, mit vorzubereiten. Die Japaner hatten ihre vorgelagerten Inseln erbittert verteidigt, und die Mission versprach, blutig zu werden. Während er sich auf einer Basis in Maine darauf vorbereitete, hörte er am 12. April 1945 im Radio vom Tod Präsident Roosevelts. Obwohl mein Vater mit ein paar der innenpolitischen Entscheidungen Roosevelts, die den Einfluss der US-Regierung dramatisch ausweiteten, nicht konform ging, respektierte er ihn dennoch als seinen obersten Befehlshaber und betrauerte den Verlust der nationalen Leitfigur während einer solch gefahrvollen Zeit.

      Vizepräsident Harry Truman wurde noch am selben Tag vereidigt. Da ich selbst zu meiner Zeit als Präsident hinter demselben Schreibtisch wie er saß, kann ich mir ausmalen, wie schwer es gewesen sein muss, so plötzlich zwischen zwei großangelegten militärischen Operationen übernehmen zu müssen und außerdem noch die Verantwortung für das Geheimprogramm bezüglich der Entwicklung einer geheimen Nuklearwaffe zu tragen. Nur wenige Monate später musste er eine der schwierigsten Entscheidungen treffen, mit der sich je ein Präsident konfrontiert sah. Als das massive Bombardement Tokios es nicht schaffte, den japanischen

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