Ein Porträt meines Vaters. George W Bush

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Ein Porträt meines Vaters - George W Bush

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in Yale fand Dad heraus, dass einige seiner Kameraden nicht nach Hause reisen konnten, um mit ihren Familien zu feiern, weshalb er gleich zehn von ihnen zu uns zum traditionellen Mahl einlud. Mutter erinnerte ihn zwar daran, dass wir keinen Speisesaal zur Verfügung hätten, aber das war egal. Meine Eltern und ihre Freunde verteilten sich stattdessen auf die Sofas und auf dem Boden und ließen sich den ersten Thanksgiving-Truthahn, den meine Mutter je zubereitete, schmecken. Dieses spontane Festmahl sollte indes bloß eine Vorschau sein auf das, was alles noch folgen sollte. Über die Jahre hinweg standen die vielen Eigenheime meiner Eltern für Freunde und Familie stets offen. Obwohl sie sich mitunter ein wenig über den nie abreißenden Strom an Gästen mokierte, war Mutter dennoch immer eine freundliche Gastgeberin.

      Mein Dad schloss nicht nur Freundschaften, er pflegte sie auch. Noch Jahrzehnte später stand er im regelmäßigen Kontakt mit seinen alten College-Freunden. Einer dieser alten Kommilitonen hieß Lud Ashley und stammte aus Toledo, Ohio. Wie Dad ging auch Lud irgendwann in die Politik. Im Gegensatz zu meinem Vater war er allerdings ein liberal ausgerichteter Demokrat. In Washington standen sie sich bei einigen der hitzigsten Diskussionen ihrer Zeit gegenüber. Jedoch wirkte sich das nie negativ auf ihre Beziehung aus. Sie verbrachten immer noch Zeit miteinander und amüsierten sich zusammen wie seinerzeit in den Neunzehnvierzigern, als sie in Yale studierten. Wer einmal ein Freund von George Bush war, der genoss diesen Status sein Leben lang.

      Die Lieblingsbeschäftigung meines Dads, der er im Rahmen seines Studiums nachgehen konnte, fand jeweils an Frühlingsnachmittagen auf dem Yale Field statt. Wie er später formulierte, belegte er als Hauptfach Wirtschaft und als Nebenfach Baseball. Er war Kapitän seines Teams und spielte so wie schon sein Vater vor ihm auf der ersten Base. Mutter und ich besuchten fast alle seine Heimspiele. Während ihrer Schwangerschaft saß sie in einem extrabreiten Sitz, der für den ehemaligen Rechtswissenschaftsprofessor William Howard Taft entworfen worden war. Sie liebte es, selbst Statistiken zu führen, und es gehörte zu meinen Lieblingsbeschäftigungen als kleiner Junge, diese tabellarischen Spielberichte von den Matches meines Vaters zu studieren. Die Yale-Mannschaft erreichte 1947 und 1948 die College World Series, die Endspiele um die Meisterschaft der College-Auswahlen. Im ersten Jahr unterlagen sie dabei der University of California-Berkeley und im Jahr darauf dem Team der University of Southern California, den Trojans. (Für echte Baseball-Feinschmecker: die Cal Bears, so der Name des gegnerischen Teams von 1947, wurden von Jackie Jensen angeführt, der 1958 zum wertvollsten Spieler der American League gewählt wurde, und die USC Trojans wurden im Jahr darauf, 1948, vom legendären Rod Dedeaux betreut.)

      Der spektakulärste Moment meines Dads als Baseballspieler am College trug sich auf dem Wurfhügel zu. Dort traf er nämlich im Frühling seines Abschlussjahres auf Baseball-Ikone Babe Ruth, der ihm ein signiertes Exemplar seiner Autobiografie für die Bibliothek von Yale überreichte. Einem Fotografen gelang dabei ein Schnappschuss mit Symbolcharakter: Ein großer Mann, der auf das Ende seines Lebens zusteuerte, traf auf einen anderen, dessen Leben gerade erst so richtig losging.

      Es ist schwer vorstellbar, wie es meinem Vater gelang, alles unter einen Hut zu bringen – er war ein ausgezeichneter Student, ein herausragender Athlet, ein Mann mit einem großen Freundeskreis sowie ein hingebungsvoller Ehemann und Vater. Meine Mutter formulierte es so: »Er war ein harter Arbeiter.« Das stimmt. George Bush verschwendete keine Zeit und füllte jede Minute des Tages mit Aktivitäten aus.

      OBWOHL DER WICHTIGSTE Augenblick meines Vaters auf dem Spielfeld die Gesellschaft Babe Ruths einschloss, hieß sein wahrer Baseball-Held Lou Gehrig. Dad bewunderte sein Geschick, seine Beständigkeit und seine Bescheidenheit und träumte davon, in Gehrigs Fußstapfen treten zu können und in der Major League als Profi zu spielen. Nach einem Spiel für das Team von Yale streckten tatsächlich ein paar interessierte Spielerbeobachter ihre Fühler nach ihm aus. Mein Dad war ein exzellenter Feldspieler, jedoch verhinderte seine Schlagstatistik schließlich eine Karriere bei den Profis. Sein Trainer Ethan Allen brachte es auf den Punkt: »Gutes Feldspiel, schlechter Schläger.«

      Eine andere Option schlug er wiederum selbst aus. Im Juni 1948 erhielt er einen überraschenden Brief von Gerry Bemiss, einem Freund aus Kindertagen. Offenkundig war ihm zu Ohren gekommen, dass mein Vater das Priesteramt anstrebe. Obwohl mein Vater seit jeher ein religiöser Mann gewesen war, schwebte ihm jedoch keine Laufbahn in den Reihen des Klerus vor. »Nie habe ich auch nur daran gedacht, ein ›Mann des Tuches‹ zu werden – allerhöchstens einer des Tisch- oder Lendentuches«, schrieb er.

      Eine Möglichkeit wäre sicher gewesen, für seinen Onkel George Herbert Walker Jr., genannt Herbie, zu arbeiten. Herbie vergötterte meinen Vater. In späteren Jahren beschlich mich das Gefühl, dass die Aufmerksamkeit, die er meinem Vater zuteilwerden ließ, auf Kosten der Zuneigung ging, die er seinen eigenen Söhnen hätte entgegenbringen sollen. Auf jeden Fall versicherte er ihm, dass er ihm eine verlockende Stelle in seiner Wall-Street-Firma reserviert habe. Ebenso machte auch Brown Brothers Harriman, die Firma Prescott Bushs, meinem Vater ein ernsthaftes Angebot.

      Es war keine große Überraschung, dass George H.W. Bush ein gefragter Mann war. Wenige konnten sich gleichzeitig mit den drei Attributen Kriegsheld, Phi Beta Kappa und Kapitän des Baseballteams schmücken. Dad wog die Angebote von der Wall Street mit gebührendem Ernst ab, schließlich respektierte er die Arbeit seines Vaters und hätte auch gerne seinen Wirtschaftsabschluss beruflich genutzt. Außerdem wäre ein Job in der Finanzwelt lukrativ genug gewesen, um Mutter und mich mit einem soliden Einkommen versorgen zu können.

      Doch irgendetwas veranlasste ihn letztlich dazu, einen anderen Weg einzuschlagen. Die Wall Street stand für eine konventionelle Karriere. Aber nachdem er Bomber geflogen, auf Flugzeugträgern gelandet und dabei mit Menschen aus allen Schichten gearbeitet hatte, erschien die Aussicht darauf, jeden Tag mit dem Zug zwischen Connecticut und einem Schreibtischjob in New York hin und her zu pendeln, nicht sonderlich reizvoll. Statt mit Wertpapieren zu handeln, wollte er lieber etwas aufbauen. Er gedachte etwas anderes mit seinem Leben anzustellen und scheute nicht davor zurück, ein Risiko einzugehen.

      Dad wollte außerdem beweisen, dass er nicht auf die Hilfe seiner Familie angewiesen war. Dieses Streben nach Unabhängigkeit lag ihm im Blut. Schon sein Ururgroßvater, Obadiah Bush, war mit den sogenannten Forty-Niners während des Goldrausches westwärts gezogen. Auch sein Großvater G.H. Walker hatte sich vom Familiengeschäft in St. Louis losgesagt, um in New York sein Glück zu suchen. Und sein Vater, Prescott Bush, war stolz darauf, dass er es ohne einen Cent seiner Eltern geschafft hatte.

      Trotzdem stellte sich nach wie vor die Frage, was er konkret tun sollte. Meine Eltern hatten das Buch The Farm von Louis Bromfield gelesen, in dem dieser die klassische amerikanische Erfahrung, sein eigenes Land zu bestellen, beschrieb. Sie flirteten eine Zeitlang mit dieser Idee, entschieden sich jedoch letztlich dagegen. Ich kann mir übrigens meine Mutter richtig gut beim Melken einer Kuh vorstellen …

      Im Februar 1948 starb S.P. Bush, Dads Großvater, und mein Vater flog mit der Familie nach Columbus zum Begräbnis. Auf dem Weg dorthin unterhielt er sich mit Neil Mallon, einem engen Freund Prescott Bushs aus gemeinsamen Yale-Zeiten. Neil besaß eine Firma namens Dresser Industries, die Bohrausrüstung und sonstiges Zubehör an Öl fördernde Unternehmen verkaufte. Neil schlug Dad jedenfalls vor, in Erwägung zu ziehen, für ihn zu arbeiten: Er könne dort von Grund auf lernen, wie ein Betrieb funktioniere, wie man das Inventar verwalte, Verkäufe tätige und Produkte auf den Markt bringe. Er könne dort aus nächster Nähe eine faszinierende Industrie, die Ölbranche, erleben. Es gab nur einen Haken an der Sache: Er müsse vor Ort an den Ölfeldern des Permian Basin leben – dabei handelte es sich um eine isolierte, staubige, glühend heiße Ecke im Westen von Texas, die in erster Linie von Ranchern und Ölarbeitern bewohnt wurde. Dort war es, wo das Öl sprudelte.

      Diese Chance weckte das Interesse meines Dads. Er hatte Artikel zum texanischen Ölboom gelesen und schillernde Persönlichkeiten wie H.L. Hunt und Clint Murchison verdienten sich dort eine goldene Nase. Er hatte seinen kurzen Aufenthalt in Corpus Christi während der Pilotenausbildung genossen. Und eines war auch sicher: Er wäre dort ganz

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