Partyinsel Ibiza. Helen Donlon

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Partyinsel Ibiza - Helen Donlon

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sich brüstete, „der einzige Franzose auf der ganzen Insel“ zu sein, waren zwei der wenigen Besucher, die es nach Ibiza verschlug, und beide berichten in ihren Schriften davon, wie es damals dort zuging. Benjamin lebte in einem alten Haus in Sant Antoni, ließ sich aber oft in der Bar Migjorn blicken, die 1933 ebenso wie das Hotel Montesol (das ursprüngliche Grand Hotel) an der Hauptstraße Vara de Rey eröffnete und schon bald zum Treffpunkt für die wenigen Ausländer wurde, die in es der Gegend gab. Und die Freiheit des Geistes, die durch die Schönheit der Natur auf der Insel verstärkt wurde, ging schon damals damit Hand in Hand, dass man sich auf den Terrassen der mediterranen Bar auch in anderer Hinsicht jede Freiheit nahm. Benjamin hatte zwar 1927 in Berlin auch einmal Haschisch geraucht, galt aber ansonsten als Musterbeispiel tugendhafter Zurückhaltung; dennoch betrank er sich eines Abends fürchterlich in der Bar Migjorn mit 148-prozentigem Gin, brach daraufhin auf dem Bürgersteig zusammen, bestand aber wenig später darauf, die fünfzehn Kilometer bis zu seinem Haus in Sant Antoni zu Fuß zurück zu gehen. Benjamin und Jean Selz rauchten auch einmal gemeinsam Opium an einem Platz oberhalb des Hafens. 1940 nahm sich der brillante Kritiker und Philosoph in Port Bou das Leben, um nicht in Gefangenschaft der Nazis zu geraten.

      Nach Ibiza geflohen war auch Raoul Villain, jener Mann, der kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges den französischen Sozialistenführer Jean Jaurès ermordet hatte, eine Tat, die mittelbar dazu führte, dass Frankreich drei Tage später die Generalmobilmachung befahl. Villain wusste, dass die Insel als ideales Versteck für alle galt, die untertauchen wollten, und der Enkel des Malers Paul Gauguin half ihm, sich an der damals noch sehr abgelegenen Cala de Sant Vincent im äußersten Norden der Insel ein Haus zu bauen. Vielleicht wäre es ihm gelungen, sein Leben dort in Frieden zu beschließen, aber sein Schicksal wendete sich abrupt, als er während des Bürgerkrieges von republikanischen Truppen aufgespürt wurde. Die Männer fanden sein Verhalten seltsam und verdächtigten ihn, ein Faschist zu sein; er hingegen war überzeugt, dass die Soldaten lediglich seine kostbaren weltlichen Güter plündern wollten und versuchte, sein Heim lautstark zu verteidigen, anstatt dem Rat seiner Nachbarn zu folgen und sich zu verstecken. Das erwies sich als schwerer Fehler: Er wurde am Strand erschossen. Sein Todeskampf dauerte zwei lange Tage, auch deshalb, weil die Truppen Villains Nachbarn unter Strafe verboten hatten, ihm zu helfen. Als schließlich feststand, dass er tot war, begruben ihn die Ibicencos mit der für sie so typischen Toleranz eingehüllt in eine französische Flagge.

      Doch nachdem die dunklen Zeiten des Bürgerkriegs vorüber waren, dauerte es nur wenige Jahre, und Ibiza verwandelte sich von einem entlegenen, melancholischen Eiland in ein faszinierendes, verführerisches Urlaubsziel. Die reisefreudige europäische Bohème, zumeist Künstler oder Außenseiter (und in vielen Fällen beides), begann sich in den Bars der Insel zu versammeln und ließ sich in und um Ibiza-Stadt, Dalt Vila und Figueretes nieder, aber auch in Fincas auf dem Lande. Diese weißgetünchten Bauernhäuser waren, verglichen mit dem mitteleuropäischen Preisniveau, billig zu mieten, zumal, wenn man den Mehrwert der warmen, sonnigen, ursprünglichen Umgebung mit einberechnete. Nach dem Migjorn und Montesol eröffneten schon bald weitere Bars rund um den Hafen, zum Beispiel das Clive’s, das der geheimnis­umwitterte Charmeur Clive Crocker führte, und das Domino, das sich schnell zum Sammelpunkt für Beatniks, Jazz-Freunde und Schwarzmarkthändler mauserte. Neben dem Montesol gab es auf der Vara de Rey von Ibiza-Stadt zudem die Bar Alhambra, und hinter den mittelalterlichen Mauern der Altstadt lag das Hotel El Corsario.

      Das El Corsario wurde von Emil Schillinger ins Leben gerufen, der bereits am Hafen eine Billigunterkunft namens El Delfin Verde führte. Schillinger war zwar ein ehemaliger Nazi, hatte aber die Anerkennung des Untergrunds gewonnen, als er dabei geholfen hatte, den flüchtigen jüdischen Kunsthändler Ernesto Ehrenfeld zu verstecken – ein Beispiel für die stillschweigende Bereitschaft auf der Insel, Immunität zu gewähren, wie sie sich auch in vielen anderen Geschichten findet. Nach dem Algerienkrieg fanden beispielsweise viele Exilanten der französischen Untergrundbewegung Organisation de l’Armée Secrète (OAS), die für den Erhalt Algeriens als Kolonie gekämpft hatten, auf der Insel Unterschlupf.

      El Corsario entwickelte sich schnell zu einem lebendigen Treffpunkt für die Grupo Ibiza ’59, eine Künstlergruppe, zu der herausragende Maler wie Erwin Bechtold und Egon Neubauer zählten, aber auch Architekten wie Josep Lluis Sert, der eng mit Le Corbusier und Erwin Broner zusammengearbeitet hatte. Errol Flynn stieg öfters im El Corsario ab, und über die Jahre genossen auch andere schlagzeilenträchtige große Namen das turbulente Leben und die Gemütlichkeit der dortigen Zimmer, unter anderem Aristoteles Onassis, Grace Kelly, Romy Schneider, Dean Acheson, Maximilian Schell, Walter Gropius, Fürst Rainier von Monaco oder die Musiker von Pink Floyd.

      Mitte der Sechziger eröffnete dann Alejandro Vallejo-Nágara, ein Einheimischer, der als erster echter Ibiza-Hippie galt, den Nachtclub-Vorläufer La Cueva de Alex Babá. Cannabis und Opium wurden auf der Insel ebenso konsumiert wie LSD. Tatsächlich stammten viele frühe Berichte über positiv (und auch nicht so positiv) erlebte LSD-Trips von Ibiza.

      Der irische Autor, Radio- und Fernsehjournalist Damien Enright lebte Anfang der 1960er-Jahre auf Ibiza und Formentera, bis sein Traum vom Paradies scheiterte, als seine Frau ihn mit einem anderen Mann betrog. Sein einst so idyllisches Leben geriet endgültig aus den Fugen, weil er immer wieder auf die falschen Freunde hereinfiel. Schließlich ließ er sich voller Begeisterung und Naivität in ein hochriskantes, internationales Drogengeschäft verwickeln, das für ihn fürchterlich schief ging, und so erzählen seine Memoiren von den Extremen, die man auf Ibiza erleben kann – von den höchsten Höhen und den tiefsten Tiefen. Sein Buch Dope In The Age Of Innocence beschreibt unter anderem die Szene rund um die Hafenbars von Ibiza-Stadt, den Überschwang und die beinahe religiöse Hingabe der Jazz-Fans an ihre Musik. Bill Hesse, ein amerikanischer Saxophonist, stand beispielsweise splitterfasernackt am Strand von Formentera und spielte dem Nachtwind leidenschaftlich auf seinem Instrument vor. Wie Enright berichtete, hatte er „Acid genommen. Er selbst drückte es so aus: Er hatte die höchste Macht gesehen, er hatte das Licht gesehen. Bill lebte für die Musik. Als ich aus London zurückkehrte und ihm erzählte, dass ich mir Coltranes A Love Supreme gekauft hatte, stand er am nächsten Morgen im Morgengrauen auf und fuhr mit dem Boot nach Ibiza hinüber, um die Platte in der Domino Bar zu hören. Abends kam er zu uns zurück, um mir davon zu erzählen. Er hatte geradezu Tränen in den Augen.“

      Die Domino Bar, deren Besitzer eine riesige Plattensammlung mit den Werken von Billie Holiday, Miles Davis, Chet Baker und allen anderen Jazz-Größen besaß, schloss um zwei Uhr früh, und danach wankten die Betrunkenen ziellos durchs Hafenviertel, schliefen ihren Rausch auf dem Bürgersteig vor der Bar aus oder saßen, hellwach durch Amphetamine, auf der Straße und redeten, bis im Morgengrauen die Fischkutter einliefen. Diese Stunden zwischen etwa zwei und neun Uhr morgens werden heute noch in der ibizenkischen Clubszene „la madrugada“ genannt – jene ersten Stunden des Morgens, die gleichzeitig noch die letzten Party­stunden des Vortages sind. 1963 jedoch lebten auf Ibiza insgesamt nur ungefähr 37.000 Menschen, und vermutlich waren selbst zwei Jahre später höchstens ein paar hundert bekannte ausländische Gesichter in der Stadt zu sehen.

      Auf der anderen Inselseite jedoch entwickelte sich die kleine Stadt Sant Antoni von einem ruhigen Fischerdorf zu einer lebendigen Touristenhochburg, in der nun auch eigens für den Geschmack der Kontinentaleuropäer neue Hotels gebaut wurden. Sant Antoni konnte mit seinen spektakulären Sonnenuntergängen und der ausgesprochen schönen Umgebung punkten und wurde daher unter Franco als Zentrum der touristischen Entwicklung gefördert. Dazu gehörte sogar der Bau einer Stierkampfarena – ein Konzept, das der katalanischen Kultur völlig fremd ist –, die später zu einer der ersten großen Rockarenen auf der Insel werden sollte, in der beispielsweise Bob Marley, Thin Lizzy oder Eric Clapton auftraten.

      Der Schriftsteller Albert Camus berichtete über die Hafencafés Mitte der Dreißiger, in denen er schrieb oder einfach dem Treiben draußen zusah: „Gegen fünf am Nachmittag schlendern die jungen Leute die Mole auf ganzer Länge entlang und wieder zurück; hier werden Ehen geschlossen und Arrangements für das ganze Leben getroffen. Es drängt sich der Gedanke auf, dass eine gewisse Erhabenheit darin liegt, sein Leben so zu beginnen, unter den Augen

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